Basketball:"Ich konnte nicht länger schweigen"

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Basketballer Marc Gasol (Mitte) packt mit an und rettet einem Menschen das Leben. (Foto: REUTERS)
  • Marc Gasol ist einer der besten Basketballer der Welt und läuft in der NBA für die Memphis Grizzlies auf.
  • Seinen Urlaub hat er nun auf einem Rettungsschiff im Mittelmeer verbracht und mitgeholfen, eine Frau aus Kamerun vor dem Ertrinken zu retten.
  • "Ich will Verantwortung übernehmen", sagt der 33-Jährige.

Von Matthias Schmid

Es war der verstörende Blick von Josefa, der Marc Gasol nicht mehr loslässt. Ihre Augen strahlten eine Leere, eine Verzweiflung aus, die er zuvor nie bei einem Menschen gesehen hat. In der Welt von Marc Gasol strahlen ansonsten Brillis im Ohr oder die überteuerten Halsketten seiner Mitspieler. Gasol, 33, ist einer der erfolgreichsten europäischen Basketballspieler der Welt. Er läuft seit zehn Jahren in der besten Liga des Planeten für die Memphis Grizzlies auf, in der NBA. Aber was der Spanier zuletzt erlebte, zeige den ganzen "Ernst, was auf der Welt so gescheht", schilderte er der spanischen Tageszeitung El País.

Gasol hat seine heile, oberflächliche Basketballwelt eingetauscht. Freiwillig hat er das getan. Und aus tiefer, innerer Überzeugung. "Ich konnte nicht länger schweigen", wie er der britischen Tageszeitung Guardian am Telefon berichtete. Er habe nicht länger zusehen wollen, wie Flüchtlinge im Mittelmeer qualvoll untergehen, also hat er auf Twitter ein Bild gepostet, das ihn dabei zeigt, wie er Josefa mit Gleichgesinnten von der privaten Seerettungsorganisation Proactiva Open Arms aus dem Wasser zieht.

Läuft in der NBA für die Memphis Grizzlies auf: Marc Gasol. (Foto: AFP)

"Ich wollte ein Ersthelfer sein und Menschen retten", erzählte er im Interview mit El País. Gasol wuchtete, als es darauf ankam, seinen 2,16 Meter langen Körper rund 150 Kilometer vor der libyschen Küste ins Meer, um Josefa an Bord des Rettungschiffes Astral zu holen.

Die Kamerunerin war wie so viele andere verzweifelt und verängstigt aus der Heimat geflüchtet, über das Mittelmeer wollte sie nach Europa gelangen, wo sie sich ein besseres, ein friedvolleres Leben erhoffte. Doch statt auf dem Festland landete sie auf einem kleinen Baumstamm. "Sie hat sich mit letzter Kraft daran festgeklammert", erzählt Gasol, bevor er sie aus dem Wasser ziehen konnte. 48 Stunden hatte sie dort ausgeharrt. "Sie wäre gestorben, wenn wir nur ein paar Minuten später eingegriffen hätten", fügte Gasol ergriffen hinzu. So wie die beiden Begleiter Josefas, die sie nur noch tot bergen konnten, darunter ein Kleinkind.

Aus seinen Worten ist der Zorn herauszuhören, die Wut und das Unverständnis über die italienische Regierung, die Flüchtlingsboote wie von Proactiva Open Arms wieder nach Libyen zurückschickt, wo ihr Leben nicht sicher ist. "Diese Menschen retten jeden Tag Leben und bringen die Flüchtlinge sicher in die Häfen", hebt Marc Gasol hervor.

"Es ist zu wichtig, um es der Welt vorzuenthalten"

Die NGO, für die er sich einsetzt, mutmaßt nun, dass Josefa und die zwei anderen Flüchtlinge im offenen Meer zurückgelassen worden sind, weil sie es ablehnten, nach Libyen zurückzukehren.

Dass Marc Gasol seinen Sommerurlaub nicht bequem am Strand, sondern als Mitglied eines Rettungschiffes verbrachte, habe er eigentlich nicht in die Welt posaunen wollen. Doch nachdem er in die traurigen und leeren Augen von Josefa blickte, habe er nicht mehr anders gekonnt, als das Bild via Twitter zu veröffentlichen. "Es ist zu wichtig, um es der Welt vorzuenthalten", sagte er dem Guardian.

Dazu muss man wissen, dass Gasol und sein noch bekannterer, älterer Bruder Pau (zwei NBA-Meistertitel mit den Los Angeles Lakers) in ihrem Metier eher ungewöhnliche Sportler sind. Sie definieren sich nicht über ihre Erfolge oder die Anzahl der protzigen Autos, die sie in der Garage stehen haben. Pau hatte ursprünglich vor, Arzt zu werden, weil er ein Mittel gegen Aids finden wollte. "In erster Linie bin ich ein Mensch", sagt Marc Gasol, "der daran arbeiten muss, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen." Mit seinem Bruder hat er eine Stiftung gegründet, die arme Kinder dabei unterstützen soll, sich zu bewegen und gesund zu ernähren. Die beiden wollten schon immer die Welt ein bisschen besser machen.

Bereits im vergangenen Jahr wollte sich Marc Gasol der privaten Seerettungsorganisation Proactiva Open Arms anschließen, um Menschen zu retten. Doch die Basketball-Europameisterschaft kam dazwischen. Der Drang, zu helfen und nicht länger nur zuzusehen, kam in ihm auf, als er 2015 ein Foto von einem toten Flüchtlingsjungen vor der türkischen Küste sah. "Ich bin Vater, ich habe selbst Kinder. Und ich kann mir die Schmerzen vorstellen, die ein Papa haben muss, der gezwungen ist, sein Kind auf eine Reise zu schicken, die lebensgefährlich ist, um ein Land zu erreichen, in dem er in Frieden und Würde leben kann."

Er kehrt bald in die USA zurück, um sich auf die neue Saison vorzubereiten

Kurz darauf hatte Marc Gasol den Open-Arms-Gründer Òscar Camps getroffen und war anschließend so angetan von dem Gespräch und der Arbeit seiner Organisation, dass er nicht länger warten wollte, "bis jemand anderes es tut".

In den kommenden Wochen wird sich Gasol wieder in die Vereinigten Staaten aufmachen, er muss sich für die neue Spielzeit in Form bringen. Er kann dann seinen Mitspielern von seinen Heldentaten im fernen Europa erzählen. Vielleicht findet er dort ja noch mehr Mitstreiter.

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