Basketball:Großer Glücksfall

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"Ich bin hier, um mein Bestes zu geben." - Kim Pierre-Louis ist ins Ries zurückgekehrt, um ihrem früheren Klub nochmals zu helfen. (Foto: Thomas Lambertz/Angels Nördlingen/oh)

Kim Pierre-Louis soll bei den Bundesliga-Basketballerinnen der Angels Nördlingen das Spiel unter dem Korb verbessern - und das Team in die Playoffs führen.

Von Katalina Farkas, Nördlingen

Dass sie sich auf dem Nördlinger Parkett zuhause fühlt, zeigte Kim Pierre-Louis kurz nach Beginn der zweiten Spielhälfte. Pierre-Louis, Power Forward und Last-Minute-Transfer der Bundesliga-Basketballerinnen aus Nördlingen, machte sich im richtigen Moment am Zonenrand frei, um den Pass von Teamkollegin Sami Hill entgegenzunehmen, hebelte die Verteidigung mit zwei Dribblings aus und verwandelte nach einer formschönen Drehung. Dass das Zusammenspiel des kanadischen Neuzugangs und ihrer Landsfrau Hill so harmonisch wirkte, könnte daran liegen, dass die beiden tatsächlich schon einmal zusammen gespielt haben: 2018, und zwar ebenfalls im Nördlingen-Trikot.

Dann verabschiedete sich Pierre-Louis nach zwei Spielzeiten in Bayern zum damaligen deutschen Meister nach Keltern. Nach einer Verpflichtung in Frankreich und Einsätzen für die indonesische Nationalmannschaft - kurzfristige Einbürgerung inklusive - ist sie nun, knapp vier Jahre später, wieder zurück in Nördlingen. Und zeigte mit 14 Punkten und sechs Rebounds im ersten Spiel gegen Wasserburg, dass sie kein Problem damit hat, die an sie gerichteten Erwartungen zu erfüllen.

Kim Pierre-Louis, 28 Jahre alt und 1,83 Meter groß, soll das Team dort verstärken, wo es derzeit am bittersten nötig ist: unter dem Korb. Auf jener Position war im Januar Meg Wilson endgültig verletzungsbedingt ausgefallen, nachdem sie erst kurz zuvor ein Comeback aus ihrer langen Verletzungspause gefeiert hatte. Das Ziel der Nördlingerinnen, sich unter den acht besten Teams der Liga zu platzieren und damit die Playoffs zu erreichen, schien auf einmal außer Reichweite zu sein. Weil eine starke Anspielstation in der Zone fehlte, aber auch wegen der Rebound-Fertigkeiten, die nicht als ausgemachte Stärken der Angels gelten.

"Wir waren in einer echten Notlage", betont auch Kurt Wittmann. Wittmann hatte bis 2021 die Sportliche Leitung des Bundesligisten inne und schon damals einen guten Draht zu Pierre-Louis; er fädelte auch jetzt den Deal mit der Kanadierin ein. Dass das Auftaktspiel des Zugangs an die Angels ging, stimmt ihn positiv: Am Telefon schwärmt er von den Qualitäten, die Pierre-Louis mitbringt: "Kim ist eine tolle Spielerin, die das Team nicht nur sportlich bereichert, sondern auch menschlich. Sie holt Rebounds, kann punkten, übernimmt Verantwortung." Ihre Verpflichtung, kurz vor Schluss des Transferfensters im Januar, sei "ein riesengroßer Glücksfall" gewesen. Der mit einem Entgegenkommen vonseiten der Spielerin einherging: "Kim spielt heute in Gehaltsklassen, von denen wir hier weit entfernt sind. Aber wir haben für den Rest der Saison eine Lösung gefunden, mit der alle sehr zufrieden sind." Es sei ihr schließlich auch "eine Herzensangelegenheit" gewesen, dem Verein zu helfen, sagt Wittmann.

Das letzte Spiel hatte Pierre-Louis für die indonesische Nationalmannschaft im November absolviert, noch fehlt etwas Ausdauer

Das unterstreicht auch Kim Pierre-Louis: "Ich habe nur gute Erinnerungen an meine Zeit in Nördlingen. Der Anruf aus Deutschland hat mich wahnsinnig gefreut", erzählt sie ein paar Tage nach ihrem ersten Einsatz im neuen Angels-Trikot. Dem ersten Anruf folgten die nötigen Formalitäten, bereits am Tag darauf saß Pierre-Louis im Flieger aus Kanada nach Deutschland. "Als Spielerin weiß man, dass in dieser Phase oft Angebote von Vereinen eintreffen können. Man ist bereit. Ich war bereit. Nur meine Familie, die war es nicht. Meine Mutter hätte mich gerne noch etwas länger in Ottawa behalten", lacht sie.

Nachdem sie ihr letztes Spiel für Indonesien bereits Ende November absolviert und die Weihnachtstage bei ihrer Familie in Kanada verbracht hatte, kam ihr das Angebot im Januar genau recht: "Es ist schwer, während der langen Spielpausen die persönliche Fitness aufrechtzuerhalten." Sie habe in Einzeltrainings an ihren Fertigkeiten unter dem Korb arbeiten können. "Klar sprintet man da auch mal. Aber auf dem großen Feld zu spielen, ist eine ganz andere Nummer. Daran musste ich mich erst einmal wieder gewöhnen."

Die fehlende Ausdauer habe sich auch im Spiel gegen Wasserburg bemerkbar gemacht, gibt sie zu. "Das Spiel war in Ordnung, es hätte aber besser laufen können. Es gibt so vieles, woran ich jetzt arbeiten will. Ich muss ins Team finden, die Systeme lernen, meine Defense und meine Abschlüsse verbessern." Aber: "Die Atmosphäre in der Halle war toll, sehr energiegeladen und positiv. Da sind Erinnerungen zurückgekommen, vielleicht ist mir auch der ein oder andere Schauer über den Rücken gelaufen." Und auch, wenn sie mit ihrer Leistung noch nicht ganz zufrieden war: Die Rückkehr nach Nördlingen sei ihr bislang überaus leicht gefallen. "Vor allem Sami Hill hat es mir unheimlich leicht gemacht, ins Training zu finden. Es ist eine große Ehre, sie als Teamkollegin zu haben." Auch mit ihrem neuen Trainer, Ajtony Imreh, komme sie gut zurecht. "Er ist ein toller Trainer, der sehr deutlich sagen kann, was er von einem erwartet. Das Training ist sehr schnell, sehr intensiv."

Viele Worte des Lobes für den neuen, alten Verein, dem Pierre-Louis nun doch noch in die Playoffs verhelfen soll. Derzeit stehen die Angels auf Tabellenrang neun, hinter den direkten Konkurrentinnen aus Saarlouis - punktgleich, aber mit der schlechteren Korbdifferenz. Das Hinspiel im Saarland gewannen die Gastgeberinnen 101:60, das Rückspiel steht am Sonntag an. An diesem Mittwoch findet zunächst die Wiederholungspartie gegen Pierre-Louis' einstige sportliche Heimat Keltern statt, auch die Baden-Württembergerinnen sind Tabellendritte. Besonders aufgeregt wirkt sie deswegen nicht, eher voller Vorfreude: "Ich bin hier, um mein Bestes zu geben. Um Rebounds zu holen und es meinen Gegenspielerinnen auf dem Feld besonders schwer zu machen. Das ist mein Job. Und natürlich will ich dabei gewinnen, ich kann nicht anders."

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