Basketball:Gift im Kopf

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Es war nicht unbedingt schön anzusehen, letztlich aber aus Sicht des FC Bayern ein erfolgreicher Abend. Hier verhindern Vladimir Lucic, Robin Amaize und Leon Radosevic (v.l.) einen Wurf von Björn Rohwer. (Foto: Erik Hillmer/Eibner/Imago)

Die Basketballer des FC Bayern München mühen sich nach zwei Euroleague-Siegen während der Woche beim Bundesliga-Schlusslicht Rasta Vechta zu einem schwer erkämpften 93:78-Sieg.

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri wollte nicht so ohne Weiteres das Feld räumen. Der Trainer der Basketballer des FC Bayern München erwartete mindestens eine schlüssige Erklärung vom Schiedsrichter für sein zweites technisches Foul. Dass er die Partie disqualifiziert in der Kabine beenden würde, war ja bereits klar. Also stand er genervt neben dem Spielfeld, gestikulierte und diskutierte mit dem Unparteiischen, erst als Sportdirektor Daniele Baiesi beruhigend auf seinen Vorarbeiter einwirkte, ließ sich der langsam von seinem italienischen Landsmann aus der Halle geleiten.

Assistent Adriano Vertemati übernahm Mitte des dritten Viertels für den Chef, der Co-Trainer hat ja schon etwas Routine in solchen Situationen - in Oldenburg und Madrid hatte Trinchieri ebenfalls vorzeitig das Feld räumen müssen. Seltsamerweise setzte sich sein Team erst danach von Gastgeber Rasta Vechta ab und gewann letztlich ungefährdet beim Schlusslicht der Basketball-Bundesliga (BBL) schmucklos und holprig mit 93:78 Punkten.

Mehr Favorit geht kaum, dennoch tun sich die Bayern mindestens eine Halbzeit lang schwer

Die Münchner waren mit den beiden Euroleague-Siegen in Belgrad und gegen den mehrmaligen Champion Panathinaikos Athen während der Woche angereist, als Tabellenvierter der besten Spielklasse in Europa. Und mit der sehr realistischen Aussicht, als erstes deutsches Team in die Playoffs der kontinentalen Eliteliga einzuziehen, nie war ein Bundesligist besser in der Euroleague unterwegs. Und nun die Partie beim Tabellenletzten der Bundesliga, dem in Kapitän Josh Young, Jungnationalspieler Philipp Herkenhoff, Center Dennis Clifford und dem nachverpflichteten Guard Jean Salumu auch noch vier von fünf Spieler der Startformation verletzt fehlten, was sollte da schon passieren?

Einiges, denn solche Gewissheiten sind Gift für die Köpfe von Spielern. Wenn sich der vermeintlich chancenlose Gegner plötzlich als unerwartet wehrhaft herausstellt, dann werden die ohnehin arg strapazierten Beine schwer, dann fällt so manche Schiedsrichterentscheidung für den Außenseiter, dann wächst der plötzlich über sich hinaus. Und dann verliert ein Trainer schon mal die Nerven. Was Nick Weiler-Babb hernach am Mikrofon des übertragenden Senders Magentasport mit einem Lächeln kommentierte: "Er ist ein sehr leidenschaftlicher Coach", da könne so etwas schon mal passieren. Ob es Absicht war, um seinen Spielern einen notwendigen Reiz zu setzen, wird wohl nicht zu verifizieren sein, jedenfalls ist genau das geschehen.

Nick Weiler-Babb reißt das Spiel an sich und erzielt mit 30 Punkten persönlichen Bestwert

Bis dahin tat sich der klare Favorit, der im zuletzt überragenden Regisseur Wade Baldwin, Center Jalen Reynolds und D.J. Seeley drei seiner Besten eine Pause gönnte, gegen das angeschlagene Schlusslicht überraschend schwer. Vechta hatte in Guard Edgar Sosa einen starken Spielmacher in seinen Reihen, der 24 Punkte erzielte, seine Kollegen mitriss und mit großer Sicherheit traf. Das erste Viertel gewann der Underdog sogar 26:22, danach legten zwar fast immer die Bayern vor, aber Vechta kämpfte leidenschaftlich und ließ sich nicht abschütteln. Zur Pause führte der Favorit knapp (47:44), erst nach dem vorzeitigen Abschied des Trainers Richtung Kabine gestaltete sich das Geschehen auf dem Court erwartungsgemäß.

Die müde wirkenden Bayern erhöhten ihr Engagement in der Abwehr und minimierten ihre ungewöhnlich hohe Fehlerquote. Teilweise war es ein wildes Hin und Her, mit Ballverlusten auf beiden Seiten und schlechten Abschlüssen der Münchner. Die zeigten nur phasenweise ihr Können, wenn etwa Paul Zipser oder Jajuan Johnson nach feinen Einzelaktionen den Ball per Dunking in den Korb hämmerten, oder der Ball schnell und flüssig durch die Reihen lief, bis ein Spieler völlig frei war. Dann war der Gegner überfordert, meist aber taten die Gäste nicht mehr als nötig, zumal sie in Weiler-Babb den überragenden Mann des Abends in ihren Reihen hatten.

Der Amerikaner übernahm die Spielgestaltung, war bester Rebounder seines Teams und erzielte mit 30 Punkten persönliche Bestleistung. Neben Weiler-Babb punkteten noch Johnson (17) und Lucic (12) zweistellig, so entschieden die Bayern die Partie mit einer Steigerung im dritten Viertel, das sie mit 26:15 gewannen. Den Vorsprung verwalteten sie dann mühelos ins Ziel.

Da half auch die Vermittlung von Sportdirektor Daniele Baiesi (Mitte) nichts: Schiedsrichter Gentian Cici (li.) verwies FCB-Coach Andrea Trinchieri der Halle. (Foto: imago)

Der FCB-Tross ist von Vechta weiter nach Braunschweig gereist, dort steht schon am Dienstagabend das nächste BBL-Spiel gegen die ortsansässigen Löwen an. Am Freitag bereits folgt die Euroleague-Partie beim spanischen Meister Baskonia Vitoria-Gasteiz, allein im März haben die Münchner 13 Spiele zu bestreiten. Dass in James Gist (Leiste) und Leon Radosevic (Sprunggelenk) zwei Center-Spieler des FCB vorzeitig ausgeschieden waren, dürfte die Laune von Trainer Trinchieri, der einsam in der Kabine wartete, sicher nicht gehoben haben.

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