Basketball-EM:Duell der Großmächte

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Alle und alles überragend: Spaniens Center Pau Gasol ist bei dieser EM bislang kaum zu stoppen. (Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Im Halbfinale der Basketball-EM kommt es zum Klassiker zwischen Spanien und Gastgeber Frankreich. Vor allem die Spanier haben dabei etwas gutzumachen.

Von Joachim Mölter, Lille/München

Ein einziges Mal machte sich der spanische Basketballer Pau Gasol ganz klein bei dieser Europameisterschaft. Das war am vorigen Donnerstag nach dem letzten Vorrundenspiel in Berlin, als sich die von ihm angeführten Spanier mit einem 77:76 über die deutsche Auswahl in die K.o.-Runde gerettet und ihre Gastgeber nach Hause geschickt hatten. Der deutsche Kapitän Dirk Nowitzki, 37, sprach in der Mixed Zone in Kameras und Mikrofone über das frustrierende EM-Aus seiner Mannschaft und sein mögliches Karriereende im Nationalteam, da wollte Gasol nicht stören und durchs Bild laufen. Also begab er sich in die Hocke und watschelte hinter dem großen Deutschen vorbei.

Abgesehen von dieser Episode wächst der 2,13 Meter große Pau Gasol bei diesem Turnier mehr und mehr über sich hinaus. Ihm haben es die Spanier zu verdanken, dass sie am Dienstag durch ein 73:71 (39:32) über die bis dahin unbesiegten Griechen das Halbfinale erreichten, zum neunten Mal nacheinander seit 1999. Als Griechenland im dritten Viertel die Führung übernahm (44:42/25.) und das Spiel zu kippen drohte, hielt es für die Spanier einzig und allein Gasol in der Balance - mit elf Punkten in Serie, bis zum 53:55 (29.) aus Sicht seines Teams. Mit insgesamt 27 Zählern hob er seinen Punkteschnitt bei der EM noch einmal an, auf nun 23,6, womit er der Topscorer des Turniers ist.

Die Spanier wollen den Franzosen ein Trauma zurückzahlen

Weil am späteren Abend auch der Titelverteidiger Frankreich sein Viertelfinale gewann, 84:70 (40:38) gegen Lettland, kommt es nun am Donnerstag (21 Uhr) im Halbfinale zu einem Klassiker der jüngeren europäischen Basketball-Geschichte: Spanien, Titelträger von 2009 und 2011, gegen Frankreich, Champion von 2013. Von den 27 000 Plätzen im Pierre-Mauroy-Stadium der nordfranzösischen Stadt Lille werden da wohl nicht viele leer bleiben.

Seit Jahren schicken Frankreich und Spanien die meisten Spieler aus Europa in die nordamerikanische Profiliga NBA, die stärkste Liga der Welt. Und seit Jahren duellieren sich die Nationalmannschaften der beiden europäischen Basketball-Großmächte bei internationalen Turnieren. In den vergangenen fünf Jahren allein achtmal, wobei zuletzt die Franzosen die Oberhand behielten: Im Halbfinale der EM 2013 in Slowenien entthronten sie den Titelverteidiger (75:72), und bei der WM 2014 in Spanien verdarben sie den Gastgebern im Viertelfinale mit einem 65:52 den Traum von einem Heimsieg.

Für Spanien war diese Niederlage deshalb besonders bitter, weil sie sich dank des Heimvorteils endlich gerüstet wähnten, eine in Bestbesetzung antretende US-Auswahl zu bezwingen. Bei ihrem WM-Triumph 2006 in Japan hatten ihnen die Griechen den Gefallen getan, die USA im Halbfinale aus dem Weg zu räumen; in den Olympia-Finals von 2008 in Peking und 2012 in London unterlagen sie den von LeBron James und Kobe Bryant angeführten NBA-Profis aus den USA erst nach heftiger Gegenwehr 107:118 bzw. 100:107.

Nach der vom Traum zum Trauma mutierten Heim-WM haben sich in diesem Jahr gleich vier spanische NBA-Profis sowie der routinierte Regisseur Juan-Carlos Navarro, 35, eine Auszeit gegönnt. "Ohne so viele großartige Spieler erneut das Halbfinale zu erreichen, ist eine sehr, sehr große Leistung", fand Spaniens Coach Sergio Scariolo. Nun würden die Spanier den Franzosen ihr Trauma von 2014 bei deren Heimspiel natürlich gerne zurückzahlen. Aber die Équipe Tricolore gilt nicht nur wegen des Heimvorteils als Favorit. In ihren Reihen steht in diesem Jahr ein halbes Dutzend NBA-Profis, dreimal so viele wie aktuell bei Spanien.

Das Duell wird auch ein Vergleich zwischen den bislang herausragenden Akteuren dieser EM sein, selbst wenn sich der 35 Jahre alte Center Pau Gasol (2,13 Meter) und der zwei Jahre jüngere Guard Tony Parker (1,88) aufgrund ihrer unterschiedlichen Positionen nicht direkt gegenüberstehen. Aber was Gasol für Spanien ist, ist Parker für Frankreich: der Mann, der ein Spiel rumreißen kann. Als es gegen die Letten nicht so lief wie erwartet, gab Parker kurz Gas und machte mit neun Punkten nacheinander aus einem 31:34-Rückstand eine 40:36-Führung.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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