Basketball:Der Stehaufmann

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Mit den Nürnberg Falcons hat Geschäftsführer Ralph Junge eine ungewöhnliche Häufung von Krisen erlebt - und stets einen Weg gefunden. Und jetzt?

Von Sebastian Leisgang

Irgendwann, das Gespräch läuft seit etwa einer Viertelstunde, irgendwann spricht Ralph Junge von einem Dach. Es ist ein x-beliebiges Beispiel, Junge könnte auch von einem Rohrbruch reden oder davon, dass sich im Keller die Ratten tummeln. Junge bemüht aber das Beispiel eines Daches und sagt: "Wenn es durchs Dach reinregnet, muss es repariert werden, das ist doch klar." Was der Geschäftsführer der Nürnberg Falcons damit sagen will: Es gibt Branchen, die die Corona-Krise verschont, und er, Junge, hofft jetzt: "Vielleicht sagen diese Partner, zum Beispiel die aus dem Handwerk, dass sie ihr Engagement sogar erhöhen."

Als er das sagt, sitzt Junge, 50, in seinem Büro im Osten Nürnbergs. Hier, in der Geschäftsstelle der Falcons, hat er schon so manchen schweren Tag bewältigt. Er ist seit knapp sechs Jahren bei den Falcons. Alleine in dieser Zeit hat Junge mehr Krisen gemeistert als andere in einem gesamten Geschäftsführerleben. 2016 etwa bahnte er den Falcons einen Weg nach dem plötzlichen Rückzug eines Gesellschafters, der einen Großteil des Etats bereitstellte. 2018 fand er eine Spielstätte, als seine Mannschaft aus der baufälligen Halle am Berliner Platz ausziehen musste. Vor ein paar Monaten moderierte er schließlich den Nicht-Aufstieg in die Bundesliga, als der Verband den Nürnbergern die Lizenz verwehrte - und jetzt, jetzt muss er es mit dem Coronavirus aufnehmen.

"Irgendwann", sagt Junge, "irgendwann denkt man sich: Lasst uns alle doch einfach mal in Ruhe arbeiten." Es ist ein Satz, aus dem eine gewisse Entmutigung spricht. So wirkt er zumindest, wenn er jetzt in der Zeitung steht. Als Junge den Satz aber am Telefon formuliert, kommt er nicht resignierend daher, denn Junge sagt auch: "Ich will mit keinem Kollegen tauschen."

Bis zu diesen Nachmittagsstunden hat Junge etwas mehr als zehn Gespräche geführt. Mit Sponsoren, mit Kollegen. Es gibt Tage, an denen er deutlich häufiger zum Telefon greifen muss, leichte Tage sind es trotzdem nicht. Andererseits: Was ist schon leicht als Falcons-Geschäftsführer?

Im Gegensatz zu den Bundesligisten wissen sie in Nürnberg, dass sie in dieser Saison nicht mehr Basketball spielen werden. Das Unterhaus hat die Saison abgebrochen, ein Planungsvorsprung ergebe sich daraus aber nicht, sagt Junge. Denn, erstens: "Auch die Bundesligisten rechnen damit, dass es nicht mehr weitergeht. Das sieht man den Vertragsauflösungen mit ihren Spielern." Und zweitens: "Es bleibt auch für uns schwierig, die nächste Saison seriös zu planen. Kaum ein Sponsor kann ja momentan über Zahlen sprechen."

„Irgendwann denkt man sich: Lasst uns alle doch einfach mal in Ruhe arbeiten.“– Ralph Junge, 50, ist seit knapp sechs Jahren Geschäftsführer bei den Nürnberg Falcons. (Foto: Imago)

Dann kommt Junge zu seinem Beispiel mit dem Dach. Wenn er einen Blick aus dem Fenster seines Büros werfe, sehe er eine Baustelle, "da wird fleißig gearbeitet. Daran sieht man, dass es durchaus Branchen gibt, die von der Krise nicht betroffen sind." Er verbindet seine Aussage mit der Hoffnung auf Solidarität. Solidarität der Partner aus der Wirtschaft, Solidarität derer, die sich diese Solidarität in Zeiten der Corona-Krise leisten können.

Den finanziellen Schaden der Falcons beziffert Junge auf eine Summe "im mittleren fünfstelligen Bereich". Zumindest Stand jetzt. Noch ist ja nicht abzusehen, welche Ausmaße das Virus annimmt. "Klar ist nur: Wir werden für die nächste Saison sehr vorsichtig kalkulieren", sagt Junge, "wir wissen ja auch nicht, ob die Leute nach der Corona-Zeit nicht vielleicht sagen: Wir gehen erst einmal nicht zu Großveranstaltungen - selbst wenn es dann wieder welche gibt."

Auch diese Unsicherheiten sind es, die die gegenwärtige Krise so herausfordernd machen. Der Rückzug des Gesellschafters, die Heimatlosigkeit, der Nicht-Aufstieg in die Bundesliga: All das, sagt Junge, helfe jetzt. Es lasse ihn zuversichtlicher in die Zukunft schauen, selbstbewusster. Einen Königsweg, der durch diese angespannten Wochen führt, habe aber auch er nicht.

Junge glaubt, dass sich viele in der Branche mit grundsätzlichen Themen befassen: "Es wird Spieler und Trainer geben, die die Berufsbranche Sport in Frage stellen. Wir werden den einen oder anderen Sportler verlieren, weil er seine Entscheidung für einen sichereren Beruf um zwei, drei Jahre vorzieht."

Auch er, Ralph Junge? "Ich beschäftige mich immer wieder damit", sagt Junge, "ich frage mich alle paar Jahre: Wo geht meine Reise hin?" Eine finale Antwort auf diese Frage habe er noch nicht gefunden. Eines könne er aber schon jetzt sagen: Das Projekt mit den Falcons sei eigentlich noch nicht beendet. Es gibt viel zu tun in Nürnberg. An Junges Schreibtisch - und auf der Baustelle vor seinem Büro.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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