Basketball:Der Mann in Rot

Basketball: Nur drei Punkte, dafür eine spielentscheidende Aktion: Bayerns Niels Giffey (Mitte) zieht gegen die alten Kollegen zum Korb.

Nur drei Punkte, dafür eine spielentscheidende Aktion: Bayerns Niels Giffey (Mitte) zieht gegen die alten Kollegen zum Korb.

(Foto: Lena Lachnit/dpa)

Die Basketballer des FC Bayern holen gegen Alba Berlin einen knappen wie wichtigen Sieg. Zugang Niels Giffey verkörpert, worauf es bei den Münchnern in den kommenden Wochen ankommt.

Von Christoph Leischwitz

Das sei natürlich schon "sehr ungewohnt" gewesen, sagt Andreas Obst lächelnd: Niels Giffey in einem roten Trikot. Aber er freue sich über den neuen Kollegen. Und auch wenn Giffey am Donnerstagabend, bei seinem ersten Spiel für den FC Bayern, noch nicht alles gelang (er kam auf drei Punkte), so immerhin dies: In der letzten Szene des Spiels behinderte der 31-Jährige seinen Gegner Jaleen Smith beim Wurf derart, dass der Ball nur auf den Ring des Korbs klatschte. Schlusssirene, kein Foulpfiff, die Bayern hatten ein immens wichtiges Spiel 79:77 gewonnen.

Pfiffe hatte Giffey zu Beginn der Partie gehört, zumindest ein paar. Es war schon ein besonderer Basketballabend: Einer jener deutschen Basketballer, die Bronze bei der Heim-EM geholt hatten, hatte lange für das eine der beiden besten deutschen Teams gespielt. Jetzt ist er beim anderen, und sein erstes Spiel bestritt er just in der Halle des ehemaligen Arbeitgebers. Bei Alba Berlin waren sie darauf bedacht, sich den Ärger nicht allzu sehr anmerken zu lassen vor dem ersten Aufeinandertreffen beider Klubs in der neuen Euroleague-Saison. Doch in den Aussagen von Alba-Chef Marco Baldi bei Magentasport war schon gut rauszuhören, dass man sich ein wenig wie ein vernachlässigter Ehepartner fühlte. "Es ist sein Klub, es ist sein Team", sagte Baldi über Giffey und Alba, "aber was halt nicht geht, ist, dass man fünf Minuten vor Saisonstart, wenn das Team steht, sagt: Jetzt könnte ich vielleicht. Aber nur vielleicht, denn ich muss erst warten, ob vielleicht woanders."

Es ging ruppig zu - beide Teams brauchten einen Sieg für den Einzug in die Playoffs

Giffey, bis vergangenen Samstag für CB Murcia in Spanien tätig, hatte gewartet. Am Dienstag gaben die Bayern dann bekannt, dass der Point Guard Zan Mark Sisko aus privaten Gründen nicht mehr zur Verfügung steht. So war ein Platz im Kader frei - am selben Tag wurde die Verpflichtung von Giffey offiziell, der dem Vernehmen nach schon am Sonntag nach München gereist war. "Ich bin froh, dass direkt das erste Spiel gewonnen wurde", sagte Giffey, "es war schön, ein paar Freunde und die Familie zu sehen beim ersten Spiel. Das war ein guter Auftakt."

Bezüglich der Brisanz, die in diesem Duell steckt, war Giffeys Einsatz allerdings nur ein Randvermerk. Es ging durchaus ruppig zu bei dem Duell zweier Teams, die jeden Sieg brauchen, um ihre Hoffnungen auf den Einzug in die Euroleague-Playoffs zu wahren. Einmal verließ Bayerns Kapitän Vladimir Lucic verärgert den Platz, nachdem Berlins Regisseur Luke Sikma ihn mit einer ruckartigen Bewegung umgestoßen hatte.

Die Bayern lagen nach einem konzentrierten Start meist in Führung, doch beide Teams verbuchten lange Punktserien. Das Spiel wirkte wie ein Schwergewichtskampf mit vielen Wirkungstreffern, von denen sich der andere immer erst einmal erholen musste. Kurz wirkten die Bayern ratlos, als Alba nach der Pause auf eine Zonenverteidigung umstellte. Doch zehn Offensiv-Rebounds gegenüber fünf von Alba sowie elf verwandelte Dreier gegenüber sieben gaben den Ausschlag - die Gastgeber hatten zudem erhebliche Probleme von der Freiwurflinie (52 Prozent).

Die Bayern fanden selbst: Sie waren im Kopf etwas frischer

"Es gibt Spieler, die wir noch integrieren müssen", sagte Obst, noch so eine EM-Figur, die aktuell immer mehr Spielzeit bekommt und in Berlin auf 14 Punkte kam. Auch die zuletzt Verletzten, die erst seit Kurzem auflaufen, gehören zu denen, die noch integriert werden müssen: Isaac Bonga hatte nach fünf Spielminuten schon zwei Fouls begangen und verbrachte daraufhin viel Zeit auf der Bank. Und natürlich muss sich auch Giffey noch einfinden.

Letztlich war es mal wieder so knapp zugegangen zwischen Alba und Bayern, dass kein Urteil darüber gefällt werden kann, wer nun gerade das bessere Team stellt. Luke Sikma meinte, vielleicht habe man im Vergleich zum Gegner "nicht so stark gefühlt, wie bedeutsam dieses Spiel ist". Die Bayern fanden jedenfalls, dass sie im Kopf ein kleines bisschen frischer gewirkt hätten.

Für den Münchner Kader mit seinen neuen Protagonisten geht es jetzt vor allem darum, aufzuholen, nicht mit Blick auf die Tabelle. Alba fehlten am Donnerstag einige wichtige Spieler, doch ihre große Stärke, die Eingespieltheit, half ihnen auch diesmal in vielen Situationen. Hier mussten heuer nicht so viele "Puzzleteile" zusammenfinden, so umschreibt Bayerns Trainer Andrea Trinchieri seine Spieler gerne.

Je besser diese Puzzleteile zusammenhalten, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Bayern zum ersten Mal nach 2019 wieder deutscher Meister werden können. Und auch wenn Spieler wie Lucic in der Länderspielpause freigestellt werden, der Kader wieder kurzzeitig auseinander gerissen wird: Viele von ihnen sehen sich ja wieder - nicht in roten Trikots, sondern in jenen der deutschen Nationalmannschaft.

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