Basketball:Der große Knick

Lesezeit: 3 min

War der erfolgreichste Werfer: Nihad Djedovic erzielte 14 Punkte in der Euroleague gegen Fenerbahce Istanbul. (Foto: dpa)

Mit Pfiff und Panzerknackern, aber ohne Stehvermögen: Der FC Bayern zeigt beim Euroleague-Debüt in Istanbul, zu was das Team in der Lage ist - im Guten wie im Schlechten.

Von Jonas Beckenkamp, München

Es gehört mittlerweile zur Folklore des deutschen Basketballs, dass es immer wieder so läuft: Mithalten, die Favoriten piesacken, in Führung liegen - all das bekommen deutsche Mannschaften hin. Es hat sich einiges entwickelt hierzulande, der Sport ist besser geworden, die Ambitionen sind gestiegen. Aber wenn es eng wird, wenn die Entscheidung fällt, dann krallen sich im internationalen Vergleich meist die anderen Teams den Sieg. Im vergangenen Sommer erlebte das Nationalteam bei der EM gegen Serbien, Italien und Spanien gleich drei solche Schmerzensmomente.

Am Freitagabend erwischte diese Dynamik dann auch den FC Bayern, der sein Auftaktspiel in der Euroleague bei Fenerbahce Istanbul mit 67:74 verlor. Bei den Bayern ging es ja vor allem darum, sich zum Start gegen die finanziell überlegene Konkurrenz zu positionieren. Das gelang zumindest halbwegs, auch wenn das Resultat kaum gute Argumente lieferte. Interpretieren lässt sich das Ergebnis vor allem mit Blick auf die Zwischenstände, die zu diesem Ausgang führten. Zur Halbzeit hatten die Münchner noch mit 39:30 geführt, nach drei Vierteln stand es 59:52. Solche Abstände sind im Basketball keine Siegesgewissheiten, aber eine Tendenz offenbaren sie durchaus: Die Mannschaft von Trainer Svetislav Pesic hatte in der Ülker-Arena vor 9386 Zuschauern gegen einen der Favoriten des Wettbewerbs lange Zeit das Geschehen dominiert - um dann fatal einzuknicken.

Drei überzeugende Viertel reichen nicht

"Glückwunsch an Fenerbahce, doch wir hatten heute sehr gute Chancen, das Spiel zu gewinnen", ließ Pesic entsprechend zerknirscht wissen, als er auf der Pressekonferenz um eine Einordnung gebeten wurde. Die Gründe für diese Pleite aus der Kategorie "höchst unnötig" waren schnell gefunden: Als es drauf ankam, klappte bei den Bayern all das überhaupt nicht mehr, was zuvor exzellent funktioniert hatte. "Wir haben lange eine sehr starke Defense gespielt, hatten eine gute Organisation", bemerkte Pesic. Damit hatte er beinahe untertrieben. Die Wahrheit war: Drei Viertel lang agierten seine Männer auf absolutem Topniveau - und das, obwohl in Kapitän Bryce Taylor und Nationalspieler Maxi Kleber entscheidende Leute noch verletzt fehlten.

Der Rest aber lieferte eine Vorstellung, die erahnen ließ, was mit diesem Team möglich ist. Vorne temporeicher Teambasketball mit Pfiff, hinten Panzerknacker-Verteidigung. Angeführt vom zunächst erneut raffiniert aufspielenden Regisseur Alex Renfroe entwickelten die Münchner einen Spielfluss, der den Türken ein arges Schlamassel bescherte. "Wir waren drei Viertel in einer perfekten Situation", meinte Renfroe, der insgesamt auf 14 Punkte, vier Rebounds und vier Assists kam.

Am Ende schnappen sich die Türken alle wichtigen Rebounds

Mehrfach klauten die Bayern dem Gegner hinten den Ball, spielten im Überfall-Modus nach vorne und kamen zu leichten Körben. Besonders Center John Bryant (vier Steals) und Nihad Djedovic (14 Punkte, drei Steals) erwiesen sich als defensive Spaßverderber für Fenerbahce. Die Türken um ihre NBA-Rückkehrer Jan Vesely, Pero Antic und Luigi Datome waren lange beeindruckt von diesen biestigen Münchnern. Erst spät begriffen sie, dass sie an diesem Abend mehr investieren mussten. Zum Beispiel beim Rebound.

18:18 lautete die Bilanz bei den abgeprallten Bällen zur Halbzeit - im Schlussviertel änderte sich das dramatisch (am Ende führte Istanbul in dieser Sparte 44:29). "Wir mussten viel mehr Leidenschaft zeigen, die hat uns im ersten Durchgang gefehlt", erklärte Fener-Coach Zeljko Obradovic, während Pesic fast deckungsgleich mit "Problemen beim Rebound" haderte. Neben der nachlassenden Intensität in der Münchner Defensive war das der entscheidende Faktor, schließlich warfen die Türken bis zum Schluss deutlich öfter daneben als die Bayern. Aber wer jedes Mal zwei Chancen bekommt, trifft halt irgendwann - auf diese Weisheit stützten vor allem der Italiener Datome (15 Punkte) und Aufbau-Wusler Bobby Dixon (zwölf Zähler) ihre Korberfolge.

Renfroe leistet sich sechs Ballverluste

Die Gäste verspielten ihren Vorsprung, weil sie einen vermeintlich geschlagenen Gegner zurück auf die Party luden. Als das Spiel auf der Kippe stand, als die letzten Minuten herunter tickten, erschlafften alle Bemühungen des FCB. "Wir hätten es nur zu Ende bringen müssen", sagte Renfroe. Ein Vorwurf, den er nicht zuletzt an sich selbst richten muss, denn in der Endphase entglitt auch ihm zusehends die Struktur. Sechs Ballverluste musste er verantworten, trotzdem hatte der Amerikaner noch eine andere Erklärung. "Neben den Offensiv-Rebounds von Fenerbahce war die Offense der Unterschied: Sie haben uns am Ende den Angriff weggenommen - sie haben gepunktet, wir nicht."

So endete dieser Abend mit einer betrüblichen Erkenntnis: Nur Mithalten und den Gegner piesacken ist im Endeffekt kein sportliches Vergnügen. Jetzt soll es zuhause mit dem ersten Euroleague-Erfolg klappen. Am kommenden Donnerstag (20.45 Uhr) gegen Khimki Moskau. Noch so ein Favorit.

© SZ vom 18.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: