Basketball:Der alte Mann hat noch Bock

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Außergewöhnlich loyal: Dirk Nowitzki geht demnächst in die 21. Saison bei den Dallas Mavericks. (Foto: Javier Rojas/dpa)

Dirk Nowitzki bricht demnächst einen bedeutenden NBA-Rekord, wenn er in die 21. Saison für seinen Klub geht.

Von Jonas Beckenkamp

Mit den Höchstleistungen ist es bei dem Basketballprofi Dirk Nowitzki mittlerweile so, dass Laien kaum noch unterscheiden können zwischen den wirklich wichtigen Rekorden und den eher beiläufigen, nachrangigen, nebensächlichen. Demnächst kommt nun eine wirklich, wirklich wichtige Bestmarke dazu: Nowitzki, inzwischen 40, geht bei den Dallas Mavericks in seine 21. Saison. Nie zuvor war ein Basketballer einem einzigen NBA-Klub so lange treu - nicht einmal Kobe Bryant. Der beendete seine Karriere bei den Los Angeles Lakers im Jahr 2016 nach 20 Spielzeiten.

In diesem Transfersommer ist die Nachricht von Nowitzkis Vertragsverlängerung eine seltene Konstante. Sie ist einerseits nur Vollzug, weil Nowitzki nie ernste Ambitionen auf einen Umzug geäußert hatte. Anderseits enthält seine Entscheidung für ein weiteres Jahr NBA-Strapazen mit den Mavericks genügend Wohlfühl-Potenzial, um im Profitum ein paar Dinge geradezurücken. Der Würzburger betreibt seinen Sport in erster Linie des Sports wegen - nicht zur Show und zum Noch-mehr-Geld-verdienen.

Der Fußballer Cristiano Ronaldo fühlte sich bei Real Madrid mit 25 Millionen Euro Jahressalär zuletzt unterbezahlt - Nowitzki verzichtet ein weiteres Mal auf Gehalt. Ein erstaunlicher Akt des Altruismus seitens des Würzburgers führte dazu, dass die Mavericks eine Ausstiegsklausel des laufenden Kontraktes nutzten, um ihn formal zu entlassen und umgehend zu geringeren Bezügen wieder einzustellen. Das konnte der Klub nur deshalb, weil Nowitzki kooperierte. Auf diese Weise hat er den Mavericks weiteren Spielraum verschafft im Rahmen des Salary Caps, des Gehaltsspielraums, den die NBA ihren Klubs einräumt. Das eingesparte Geld kann Dallas nun ausgeben, um neue, bessere Profis zu engagieren.

Ein solch wohltätiges Entgegenkommen wäre Kobe Bryant kaum eingefallen. Er ließ sich auch in seinen letzten Jahren, in denen er den Lakers wegen diverser Verletzungen keine große Hilfe mehr war, mit 25 Millionen Dollar pro Saison entlohnen und riss den Klub damit in die sportliche Bedeutungslosigkeit.

Die Mavericks nutzten die Einsparungen nun insbesondere dazu, den Center DeAndre Jordan von den LA Clippers mit einem stattlichen Honorar nach Texas zu locken. Glaubt man anerkannten NBA-Klauselkennern, wird Nowitzki jetzt noch 4,4 statt wie in der vorigen Saison fünf Millionen Dollar verdienen. Er hätte weitaus mehr verlangen können, so viel wie Bryant eben auch. Für Holger Geschwindner, Nowitzkis Mentor und Privattrainer, ist das keine große Sache: "In Amerika gibt es diese Wahrnehmung, dass sich einer ,unter Wert verkauft', aber das entspricht nicht Dirks Denke. Irgendwann ist genug Geld verdient, er ist ja kein armer Mann!"

Nowitzki hat im Lauf seiner Karriere schon mehr als 200 Millionen Dollar bekommen - und über die Jahre hinweg immer wieder auf noch mehr Geld, aufs ganz große Absahnen verzichtet. Für seinen Klub und im Grunde seine ganze Sportart ist Nowitzki ein Glücksfall, eine riesige Ausnahme. Er bringt Loyalität, Hingabe für die Mannschaft und den Standort und das auch noch zum Sparpreis, wenn man seine Gehaltsschecks mit denen anderer NBA-Größen vergleicht wie LeBron James: 154 Millionen Dollar für vier Jahre bei den Lakers. Um Geld geht es Nowitzki nicht mehr.

Geschwindner findet diese Loyalität normal. "Loyal kann man sein, wenn Verein und Spieler eine vereinende Idee haben. Dirk hat sich Ziele immer so gesetzt, dass er sie gemeinsam mit dem Klub erreichen wollte", sagt der Mann, der dem jungen Dirk einst in einer Schulturnhalle in Rattelsdorf bei Bamberg das Werfen beibrachte. Es sei für Nowitzki nicht schwierig, sich so zu verhalten, und überhaupt: "Er ist bei den Mavericks einfach eine sehr integrative Figur."

"Es geht darum, ob er noch einen Beitrag leisten kann"

Diese Eigenschaft führt zur zweiten Besonderheit bei diesem Ausnahmesportler: Aufhören ist für Nowitzki auch mit 40 Jahren und knarzenden Knochen im Körper keine Option. "Es ist natürlich eine Herausforderung, sich zu motivieren und jeden Tag in der Halle zu stehen", sagte er zuletzt. Die vielen Jahre auf höchstem Niveau, die Schubserein unter den Körben, Flugreisen, Stunden auf Gymnastikmatten, Schrammen und Verletzungen stecken ihm im Körper. "Ich habe Schmerzen in jedem Gelenk. Aber das ist nach 20 Jahren wohl normal." Der unerbittliche Abnutzungskampf von jährlich mehr als 80 Basketballspielen hat Nowitzki trotzdem noch nicht den Spaß verdorben.

Geschwindner findet: "Dirk ist gut drauf, er hat seine Fußverletzung aus der letzten Saison auskuriert, er hat jetzt genug Zeit, um bis zum Saisonstart richtig fit zu werden." Außerdem: Welche Alternativen hätte er denn? "Langweilige Pflichtveranstaltungen besuchen mit Funktionären und Zigarre rauchen? Da geht ja nix voran." Das sagt viel über Nowitzki aus - und seine Liebe zum Sport. In der NBA äußert sich diese Lust auf den Wettbewerb nicht mehr in reinen Zahlen. Er erzielt nur noch selten 40 Punkte. Oder 35. Oder 25. Auch in der kommenden Spielzeit wird sein Punkteschnitt (zuletzt 12,0) sinken, weil er seltener wirft, weniger spielt. Weil andere übernehmen, wie eben DeAndre Jordan. Oder der slowenische Überflieger Luka Doncic. Oder sein Landsmann Maxi Kleber, Würzburger wie er.

Nowitzki will einfach nur spielen, er hat Bock auf Basketball. Passend dazu haben die Mavericks erstmals seit Jahren wieder ein playofftaugliches Team. Auch das dürfte ihn ermutigt haben, sich noch mal ins Getümmel zu stürzen. Der alte Nowitzki wird sich seine Momente freilich auf andere Art erkämpfen als früher. "Es geht darum, ob er noch einen Beitrag leisten kann, ob er das Gefühl hat, den Jüngeren helfen zu können", erklärt Geschwindner die Ambitionen: "Dirk versteht das Spiel gut. Er kann sich anpassen. Ein physisches Monster war er ohnehin nie."

Eine monströse Karriere hat er trotzdem hingelegt - und sie geht ja noch weiter. Mit 31 187 Punkten ist Nowitzki der sechstbeste Werfer der NBA-Geschichte. Vor ihm liegen nur noch Kareem Abdul-Jabbar, Karl Malone, Kobe Bryant, Michael Jordan und Wilt Chamberlain. Chamberlain (31 419) dürfte er bald einholen, vermutlich noch in diesem Jahr. Das wäre dann die nächste Bestmarke, auch keine so unbedeutende.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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