Basketball-Aufsteiger Heidelberg:Akademischer Aufbruch

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Strippenzieher mit gutem Draht ins Rathaus: Niklas Würzner, links im Zweikampf mit Ludwigsburgs Yorman Polas Bartolo, ist der Sohn von Heidelbergs OB. Dass er kein Profi von Papis Gnaden ist, zeigte er beim 73:67 am Mittwoch gegen den Hauptrundensieger der vergangenen Saison. (Foto: Michael Memmler/Eibner/Imago)

Nach 36 Jahren ist der neunmalige Meister Heidelberg zurück in der Bundesliga. Mit neuem Namen, neuer Halle - und nach zwei Siegen zum Auftakt fest entschlossen, das Oberhaus nicht so schnell wieder zu verlassen.

Von Michael Wilkening, Heidelberg

Eckart Würzner baumelte ein Fanschal um den Hals, als er am Mittwochabend gut gelaunt im SNP Dome stand. Der Oberbürgermeister von Heidelberg lächelte ein Lächeln, das zweierlei ausdrückte: Die Freude über ein erfolgreich angelaufenes Projekt - und den Stolz eines Vaters. "Das ist heute ein Aufbruch", sagte Würzner. Der OB ist ein Freund des Sports, war ein Befürworter des Baus einer Multifunktionsarena in der Stadt am Neckar und sah mit Freude, dass die hiesigen Basketballer gerade dabei sind, mit ihrer Entwicklung zu unterstreichen, dass es richtig war, mit dem SNP Dome, der im Frühjahr fertiggestellt wurde, eine bundesligareife Infrastruktur zu schaffen.

Die Basketballer aus seiner Stadt, die seit zehn Jahren nicht mehr als Universitäts-Sportclub (USC), sondern als MLP Academics Heidelberg antreten, hatten ein paar Augenblicke vorher einen Traumstart in die Bundesliga-Saison vollendet. Nach dem überraschenden Erfolg am ersten Spieltag vier Tage zuvor beim Mitteldeutschen BC schlug der Aufsteiger bei seiner Heimpremiere in der neuen Halle die Riesen Ludwigsburg 73:67. Eine gewichtige Rolle bei dem Überraschungscoup gegen den Hauptrundenmeister und Playoff-Halbfinalisten der vorangegangenen Spielzeit spielte Niklas Würzner. Der Sohn des Oberbürgermeisters.

Ihre Leistung gegen Ludwigsburg ignoriert, dass sie eigentlich keine Chance gegen das Spitzenteam hätten haben dürfen

Sohn Niklas war einer von sieben Übriggebliebenen, die sich leidenschaftlich und erfolgreich einem übermächtig wirkenden Kontrahenten aus Ludwigsburg entgegengestellt hatten. Dem Spielmacher, der einst gemeinsam mit Nationalspieler Paul Zipser im Heidelberger Nachwuchs begann, wurde jahrelang unterschwellig vorgeworfen, vornehmlich wegen der persönlichen Nähe zum Rathaus im Kader der Academics zu stehen. Diese böse Unterstellung widerlegte der 27-Jährige nicht erst am Mittwochabend, seine Leistung gegen die Riesen entlarvte sie aber besonders deutlich. Würzner junior agierte wie seine Kollegen auf einem derart hohen Niveau, dass in Vergessenheit geriet, dass die Heidelberger eigentlich chancenlos hätten sein müssen.

Der Kader der Academics ist qualitativ schlechter besetzt als der vieler Konkurrenten in der Bundesliga, zudem fehlten vier US-Amerikaner und damit eingeplante Leistungsträger verletzt. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde Borussia Dortmund in der Champions League gegen Manchester City ohne Erling Haaland, Mats Hummels, Jude Bellingham und Marco Reus antreten. Mit einer leicht verstärkten Zweitliga-Mannschaft, fünf der sieben eingesetzten Akteure waren beim Aufstieg in der vergangenen Spielzeit schon dabei, und vor knapp 2000 zunehmend euphorisierten Zuschauern nutzten die Heidelberger eine Chance auf den Sieg, die ihnen vorher nicht eingeräumt worden war.

"Das sind eben meine Jungs. Es ist einfach, eine Mannschaft mit so viel Charakter zu trainieren", sagte Branislav Ignjatovic, nachdem er ein paar Minuten mit OB Würzner zusammengestanden hatte. Der Serbe ist seit 2014 Trainer in Heidelberg und erlebt gerade wie einige seiner Spieler die ersten Momente in der Bundesliga. In der zweiten Liga ist er etabliert, aber einen Job in der Bundesliga bekam er bislang nicht angeboten. "Ich möchte sehen, ob ich auf diesem Niveau zurechtkomme", sagte der Mann, der zu Beginn der 1990er Jahre wegen des Balkan-Krieges nach Deutschland geflüchtet war, ein paar Tage vor dem Saisonauftakt.

Sowohl der Trainer als auch sein Team wollen beweisen, dass sie gut genug sind für die erste Liga

Der Start in der Wahlheimat in Südhessen war nicht leicht. Dennoch kämpfte sich Ignjatovic beharrlich und zäh nach oben. Diese Eigenschaften überträgt er seit Jahren auf die Mannschaften in Heidelberg, und der Wille seiner Spieler, sich gegen Widerstände durchzusetzen, führte zu den ersten Siegen in der Bundesliga. Die Academics mussten ihren Kader mit einem dünnen Geldbeutel zusammenstellen, so dass Ignjatovic bei der Auswahl der Akteure eher auf die Mentalität als auf die Qualität achten musste. Die Leidenschaft in der Verteidigung ist eine Stärke des Aufsteigers. Hinzu kommt, dass Spieler wie Würzner oder die Matchwinner gegen Ludwigsburg - Shyron Ely und Jordan Geist - unter Beweis stellen wollen, dass sie für die erste Liga tauglich sind. Das Team der Heidelberger hat die Zutaten, um es vielen Kontrahenten in der Bundesliga schwer zu machen.

Das Abenteuer könnte sportlich erfolgreich verlaufen - und eine dauerhafte Anwesenheit eines Traditionsstandorts in der Basketball-Bundesliga einleiten. Zwischen 1957 und 1977 feierte der USC Heidelberg neun Meisterschaften, nach dem Abstieg 1985 folgten jedoch viele Jahre in der Trostlosigkeit. Erst die Entscheidung des Heidelberger Gemeinderates vor vier Jahren, eine neue Halle zu bauen, gab den Anstoß für den Traum von der Rückkehr in die Bundesliga. Der SNP Dome, knapp 30 Millionen Euro teuer, fasst bei Basketballspielen etwa 4100 Besucher und erwies sich bei der Premiere vor Fans gegen Ludwigsburg als würdig für große Partien. "Um diese Halle beneiden uns 80 Prozent der Erstligisten", sagte Ignjatovic. Um den perfekten Saisonstart sicher auch.

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