Australian Open:Struffs Löwenmut

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Hat sich vergeblich gestreckt: Jan-Lennard Struff spielte trotz der Erstrundenniederlage ein "großes Match", wie ihn Gegner Novak Djokovic danach bescheinigte. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Der Tennisprofi verliert in Melbourne seine Auftaktpartie gegen Novak Djokovic nach großem Kampf - Julia Görges ist eine Runde weiter.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Es gibt ein Verb, das der Tennisspieler Jan-Lennard Struff, 29 Jahre alt, ungern hört im Zusammenhang mit seinem Beruf; es heißt "scheitern". Niederlagen gehören zu seinem Sport, der kein Unentschieden kennt, sie sind die matte Kehrseite der glänzenden Siegermedaille. Und kein Begriff wäre unpassender für das Duell, das sich Struff am Montag bis kurz vor Mitternacht in Melbourne mit Novak Djokovic lieferte, als dieses Wort, das Struff als Synonym für Komplettversagen versteht. Er hat verloren gegen Djokovic, den 16-maligen Grand-Slam-Sieger, 6:7 (5), 2:6, 6:2, 1:6, aber er hat sein Herz gegeben.

Djokovic, 32, war zum 16. Mal in seiner Karriere nach Melbourne gereist, zu einem Turnier, das er sieben Mal gewonnen hat. Er befindet sich auch in diesem Jahr auf einer Mission: Falls er in zwei Wochen erneut triumphierte, wäre er erst der dritte Mann, der ein Grand-Slam-Turnier mindestens achtmal gewonnen hat. Der Rivale, den es außer Rafael Nadal einzuholen gilt, ist Roger Federer: Mit dem achten Sieg bei den Australian Open hätte Djokovic das erreicht, was Federer in Wimbledon vollbrachte. Und just in dem Moment, in dem die Geschichte ihren Lauf nehmen sollte, trat ihm nun Struff entgegen.

Philipp Kohlschreiber gewinnt und trifft auf Stefanos Tsitsipas

Struff hat noch kein vollwertiges ATP-Turnier gewonnen, anders als Djokovic, der es auf 77 Titel bringt. In der Weltrangliste trennen sie 35 Plätze, aber davon war nicht viel zu sehen. Im ersten Satz holte Struff einen 2:5-Rückstand auf, lieferte sich einen couragierten Kampf mit spektakulären Ballwechseln und verlor den Tiebreak nur, weil er einen Return in die Maschen schlug. Den dritten Durchgang dominierte er fast. "Im vierten hat er mir mit einem frühen Break den Zahn gezogen", räumte er ein. "Klar hätte ich mir eine andere Auslosung gewünscht. Aber ich habe viele Dinge sehr gut gemacht, ich bin mit dem Auftritt zufrieden." Djokovic gratulierte ihm zu einem "großen Match".

Eindrucksvoll war auch die Vorstellung von Philipp Kohlschreiber, der seine Partie gegen Marcos Giron aus den USA gewann: 7:5, 6:1, 6:2. Als nächster Gegner steht ihm Stefanos Tsitsipas gegenüber.

Im Vergleich zu Struff erlebte Julia Görges einen weitaus weniger strapaziösen Tag. Nicht einmal eine Stunde, lediglich 56 Minuten, verbrachte sie an ihrem Arbeitsplatz, Court Nummer fünf, ehe sie ihre Auftaktgegnerin, die Slowakin Viktoria Kuzmova, 6:1, 6:2 geschlagen hatte. "Eine konzentrierte, solide Leistung", befand sie hinterher, als sie gewissermaßen den Aktendeckel zugeklappt hatte und sich auf die nächste Aufgabe konzentrieren konnte, eine Partie gegen Petra Martic aus Kroatien, in Melbourne an Nummer 13 gesetzt.

Görges, 31, die zweitbeste deutsche Spielerin nach Angelique Kerber, tourt in diesem Jahr mit einem neuen Trainer, Jens Gerlach, den sie vom Fed-Cup-Team abgeworben hat. Sie haben sich vorgenommen, "neue Spielideen" zu verwirklichen, und dazu gehört eine gewisse Grundaggressivität. "Den Schneid nehmen", nennt Görges diese Taktik, die sie gegen die im Ranking vor ihr platzierte Martic am Mittwoch erneut zur Anwendung bringen will. Löwenmut, könnte man dazu auch sagen - und davon hat der Kollege Struff, der das Duell gegen Djokovic unter Applaus verließ, genug bewiesen.

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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