Arminia Bielefeld:Verliebt in einen Färinger

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Gestatten, Edmundsson! Bielfelds Stürmer aus Färöer feixt nach seinem Siegtreffer. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Der Aufsteiger feiert den Stürmer Edmundsson - und verzeiht ihm gern die Notlüge, sein listiges Siegtor gegen Köln mit voller Absicht erzielt zu haben.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Ausländische Fußballer aus 110 Nationen haben seit der Gründung 1963 in der Bundesliga gespielt, darunter Repräsentanten exotischer Fußballländer wie Nordkorea (Chong Tese/Köln), Irak (Jiloan Hamad/Hoffenheim) oder Curaçao (Charlison Benshop/Hannover). Am Samstag ist Joan Simun Edmundsson (Färöer) als Vertreter einer 111. Nation hinzugekommen. Obwohl dies eine Zahl ist, die den Menschen in der Karnevalsstadt Köln gefallen müsste, werden Sympathisanten des 1. FC Köln mit Edmundsson und den Färöern fortan wenig Gutes in Verbindung bringen. Der 29-Jährige hat mit seinem 1:0-Siegtor für Arminia Bielefeld nämlich eigenfüßig dafür gesorgt, dass Köln auch nach zwei Spielen ohne Punkt dasteht. Aufsteiger Bielefeld hingegen ist mit unerwarteten vier Punkten in seine erste Bundesligasaison seit elf Jahren gestartet.

Bayern München hat ein Büro in New York, Borussia Dortmund eines in Singapur und Mönchengladbach eines in Shanghai. Die Bielefelder müssen jetzt überlegen, ob sie nicht als Erste den färingischen Markt erobern und eine Dependance in der Hauptstadt Torshavn eröffnen wollen. "In Färöer guckt jeder Bundesliga", behauptet Experte Edmundsson über die etwa 50 000 Bewohner der vielen kleinen Inseln im europäischen Nordmeer, auf halber Strecke zwischen Schottland und Island. Diese Behauptung dürfte empirisch kaum belegbar sein, aber vielmehr seinem Stolz entspringen, es als erster Fußballer seines Landes in die Bundesliga geschafft und nur elf Minuten nach seiner Einwechslung auch noch den ersten färingischen Treffer (78.) erzielt zu haben. Ein Mann aus Färöer ist der neue Held von Ostwestfalen-Lippe - das ist eine bedeutsame humanistische Botschaft aus einem Landstrich, in dem mancher Bewohner schon gegenüber den Nachbarregionen Weserbergland und Nordhessen eher Reserviertheit pflegt.

Arminias Trainer Uwe Neuhaus ist gebürtig aus dem südlichen Ruhrgebiet und hat bei Rot-Weiss Essen, Union Berlin und Dynamo Dresden seine ethnologischen Kenntnisse verfeinert. Der 61-Jährige behauptet, nach zwei Jahren mit Edmundsson im Kader sogar den speziellen färingischen Humor zu verstehen. Edmundsson rutschte bei seinem Tor aus spitzem Winkel der Ball so über den Spann des schwächeren rechten Fußes, dass er damit den unglücklich wirkenden FC-Torwart Timo Horn überwand. Später behauptete er, dass seine Beidfüßigkeit ihm erlaube, solche Tricktreffer mit voller Absicht zu schießen. Als Trainer Neuhaus dies hörte, lachte er laut auf: "Man muss diesen Humor verstehen", grinste er - und verzieh seinem nordischen Angreifer die schelmische Notlüge. Denn die aktuelle Tabellenlage ist nunmehr dank Edmundsson so komfortabel, dass die Arminia mit vier Punkten, Stand jetzt, scheinbar ein Kandidat für die Champions-League-Plätze wäre.

Auch Neuhaus hat einen wunderbaren Humor, trocken wie ein Zwieback, aber nach diesem mit dem 1:1 in Frankfurt und dem 1:0-Sieg sehr gelungenen Start ersparte er sich provokante Pointen, damit bloß niemand auf die Idee kommt, in Ostwestfalen keime eine "Mia san mia"-Mentalität. Dazu waren die Auftritte seiner Elf in beiden Spielen noch zu verhalten gewesen - und beide Partien hätten auch verloren gehen können. Auch der Treffer gegen Köln fiel ein bisschen überraschend aus einem sehr kontrollierten Bielefelder Spiel heraus, das kaum Chancen generiert hatte. Mittelstürmer und Kapitän Fabian Klos hing bisher 180 Minuten lang in der Luft. "Wir wissen diese vier Punkte einzuschätzen", beruhigte Neuhaus. Mehr gibt es zum Bielefelder Traumstart nicht zu sagen.

Zum Kölner Fehlstart hingegen schon: Zwölf sieglose Bundesligaspiele nacheinander haben die Rheinländer nun absolviert. Der bislang letzte Erfolg gelang am 6. März (2:1 in Paderborn). Unmittelbar zuvor hatte Trainer Markus Gisdol die Kölner mit sieben Siegen binnen neun Spielen vom letzten auf den 13. Tabellenplatz geführt und sie damit vor dem Abstieg bewahrt.

Die Dankbarkeit für diesen Parforceritt hatte den Verein Anfang August veranlasst, den Vertrag mit Gisdol bis 2023 zu verlängern. Gisdol gibt diese Treue weiter - und stärkt jetzt dem durch seinen Patzer in Bielefeld neuerlich in die Kritik geratenen Torwart Timo Horn den Rücken: "Timo bleibt die Nummer eins", verfügte Gisdol nach dem Spiel. FC-Manager Horst Heldt reagierte auf die aufkeimende Torwartdebatte ausgesprochen gereizt: "Mir steht das bis hier oben, wirklich", polterte er am Sonntag, "wir weigern uns, einen Einzelnen zur Schlachtbank zu begleiten."

© SZ vom 28.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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