Argentinien:"Ich schaue keine Horrorfilme"

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Lionel Scaloni, 40, trainiert seit August 2018 die argentinische Nationalmannschaft. Zuvor arbeitete er als Assistent des damaligen Cheftrainers Jorge Sampaoli. (Foto: Fadel Senna/AFP)

Die fußballbegeisterte Nation debattiert über die Zukunft von Trainer Scaloni.

Von Javier Cáceres, Berlin/Tanger

Der Wind blies am Dienstag in der marokkanischen Stadt Tanger mit Böen von bis zu 50 Kilometer pro Stunde. Doch das war nichts im Vergleich zu dem Sturm, der sich auf der anderen Seite des Atlantiks erheben sollte. Argentinien siegte zwar im Testspiel gegen Marokko 1:0, den Treffer erzielte Ángel Correa (84.). Doch der Auftritt war so verstörend, dass Argentiniens Presse ihr Team an einem neuen, ungeahnten Tiefpunkt wähnt. Das hat nicht nur, wohl aber eine Menge mit Trainer Lionel Scaloni zu tun, der zu Schlüssen kam, die am Silberfluss mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verwunderung aufgenommen wurden. Man könne nur ein positives Fazit der Testspieltour ziehen, sagte er etwa - wenn man "das Spiel gegen Venezuela ausnimmt". Das fiel den Argentiniern insofern schwer, als dass jenes Spiel gegen Venezuela 50 Prozent dieser Testspieltour ausmachte und am Freitag 1:3 verloren gegangen war, obwohl Kapitän Lionel Messi mitgewirkt hatte.

Gegen Marokko, dem letzten Spiel vor der diesjährigen Copa América, einer Mini-WM, fehlte Messi wegen Beschwerden am Schambein. Nur: Am Sonntag ließ sich Messi bei der Taufe der drei Kinder von seinem Kumpel Cesc Fàbregas (AS Monaco) blicken; am Mittwoch nahm er bei seinem Arbeitgeber FC Barcelona das Training wieder auf. Die Folge: neuerlicher Groll. Messis Absenz galt vielen Argentiniern als neuer Beweis dafür, dass der fünfmalige Weltfußballer das Nationaltrikot nicht ehrt wie es Diego Maradona getan hatte. Der wiederum hatte sich zwischendurch auch zu Wort gemeldet, wie sollte es anders sein. Das Spiel gegen Venezuela habe er sich nicht angesehen, sagte Maradona: "Ich schaue keine Horrorfilme."

Noch viel länger zurück liegen die gleichwohl unvergessenen Äußerungen Maradonas über Scaloni. Dem hatte er die Eignung als Nationaltrainer abgesprochen. "Der könnte nicht mal den Verkehr leiten", sagte Maradona über den 40 Jahre alten Ex-Profi, der nach dem Desaster bei der WM in Russland auf verschlungenen Wegen Nationaltrainer geworden war. Vor ein paar Jahren hatte Scalonis Papa mit Scalonis Vorgänger Jorge Sampaoli gegrillt - und diesem gesagt, dass der Sohn die Trainerausbildung mache, ob er nicht Verwendung für ihn habe. Sampaoli nahm Scaloni dann erst mit zum FC Sevilla und behielt ihn auch im Trainerstab der Nationalelf als Assistenten dabei. Als Sampaoli entlassen wurde, fiel die Wahl vor allem deshalb auf Scaloni, weil kein argentinischer Trainer von Rang parat stand und Scaloni gerade die U20 leitete. Nun lieferte er nach seinem erst achten Spiel als Cheftrainer eines Erwachsenen-Teams so kuriose Analysen ab, dass man fürchten muss, der neue Koordinator der Nationalteams, der 80 Jahre alte frühere Weltmeistertrainer César Luis Menotti könnte seine Karriere als Ex-Raucher beenden und wieder zum Tabak greifen.

Die Worte Scalonis hatten es auch wirklich in sich, unter anderem bekannte er nach dem 1:0 gegen Marokko: "Wir glauben nicht, dass das (taktische) Schema wichtig wäre." Hellhörig wurden die Argentinier auch, als Scaloni behauptete, Federico Zaracho von Racing de Avellaneda habe "unglaubliche 15 Minuten" hingelegt. Zum Vergleich: Die Zeitung Clarín verzichtete auf eine Benotung Zarachos, denn in seinen unglaublichen 15 Minuten, die auf die Einwechslung Zarachos folgten, habe er "kaum einen Ballkontakt" gehabt. Nun werden Fragen zur Zukunft in Argentinien bang abgehandelt. La Nación lud die Landsleute ein, "zu feiern", denn: Schlimmer könne man nicht dastehen - "außer morgen vielleicht".

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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