Amin Younes:Große Dribblings, große Geste

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"Wir dürfen das nicht vergessen“: Amin Younes mit dem Gedenktrikot für Terroropfer Fatih Saraçoğlu. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Frankfurts Offensivspieler Amin Younes überragt beim erstaunlichen Sieg gegen den FC Bayern - mit mehr als nur einem sehenswerten Tor.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Mit der Anreise des Bundestrainers zu seinen Beobachtungsmissionen in der Bundesliga war das zuletzt ja so eine Sache. Vor einer Woche wollte sich Joachim Löw das Spiel in Leverkusen anschauen, aber dann blieb er auf der A 5 liegen und musste passen. An diesem Samstag hingegen erwies er sich als besonders pünktlich. Da stand in der Tiefgarage der Frankfurter Arena schon eine Weile vor dem Anpfiff auf dem für ihn reservierten Parkplatz eine Karosse des DFB-Sponsors Volkswagen, während die für Bundestorwarttrainer Andreas Köpke und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing vorgesehenen Nachbarbuchten noch leer waren.

Frankfurt ist nicht gerade Löws erste Anlaufstation. Auf der Seite der Gastgeber konnte man sich gar nicht daran erinnern, ihn in dieser Saison schon einmal bei einem Heimspiel gesehen zu haben. Aber immerhin hat sich Löw mit dem Frankfurter 2:1-Sieg gegen den FC Bayern eine Partie ausgesucht, die ihn dazu animieren könnte, künftig häufiger vorbeizuschauen. Denn er sah einen wirklich bemerkenswerten Auftritt eines möglichen Auswahlspielers - und zwar des Frankfurter Offensivakteurs Amin Younes.

Der 27-Jährige war der herausragende Spieler der Partie, unter anderem als Schütze des preisverdächtig schönen Schusses zum 2:0. Aber seine ungewöhnlichste Szene hatte er gleichwohl am Seitenrand. Denn nach seinem Treffer rannte Younes zur Seitenlinie und hielt ein T-Shirt in die Höhe, auf dem das Porträt und der Name von Fatih Saraçoğlu abgebildet waren - einem der neun Opfer des rassistischen Attentates von Hanau vor ziemlich genau einem Jahr. "Wir dürfen das einfach nicht vergessen", sagte Younes am Tag nach der großen Gedenkfeier: "Ich weiß, dass das die Opfer nicht zurückbringt", aber es sei ein Zeichen an die Familien gewesen, "dass wir an sie denken".

Eintracht Frankfurt ist es in der jüngeren Vergangenheit ein merkliches Anliegen, sich auch in gesellschaftlichen Fragen eindeutig zu positionieren. Regelmäßig gibt es von Vereinsvertretern klare Worte gegen Rassismus und Hetze sowie Bekenntnisse für Integration und Europa - die europäische Flagge diente auch schon mal als Spielführerbinde. Am Samstag machte sich vor dem Spiel die ganze Mannschaft in T-Shirts warm, mit denen sie der neun Opfer des Attentates gedachte; Hanau liegt nur wenige Kilometer von Frankfurt entfernt. "Man sieht, dass die ganze Stadt zusammenhält", sagte Younes. Dafür stehe auch der Verein.

Es war eine große Geste, passend zu einem großen Auftritt. Das 1:0 durch Daichi Kamada (12.) leitete Younes ein, das 2:0 (31.) erzielte er mit einem Schuss in den Winkel selbst; davor und danach hatte er noch eine Handvoll weiterer starker Szenen - auch einen 40-Meter-Lupfer über Münchens Torwart Manuel Neuer, der das Tor nur knapp verfehlte. Ständig wuselte und flitzte er um die Münchner Gegenspieler, als hätten die einen Wendekreis wie Löws VW-Karosse. Younes, seit Oktober bei der SGE, ist schon seit Wochen in starker Form und hat neben dem am Samstag verletzt fehlenden 18-Tore-Angreifer André Silva wohl den meisten Anteil am Frankfurter Siegeszug auf Platz vier. Aber beim Erfolg über die Bayern übertraf er dies noch einmal. "Ich habe die beste Leistung gesehen, seitdem er bei uns ist", sagte Trainer Adi Hütter: "Das war absolute Weltklasse, er hat mir total imponiert heute."

Das dürfte dem Bundestrainer auf der Tribüne nicht viel anders gegangen sein. Löw kennt Younes ja schon. In Jugendjahren war der Offensivspieler stets Teil der jeweiligen nationalen U-Auswahl gewesen, 2017 absolvierte er rund um den erfolgreichen Confed Cup in Russland fünf Einsätze für die A-Nationalmannschaft. Aber seitdem gab es keine Berufung mehr. Younes ging insofern einen seltenen Weg, als dass er lange nicht in der Bundesliga spielte, sondern im Ausland: erst Ajax Amsterdam, dann SSC Neapel. Seit Herbst spielt er nun für Frankfurt. Und wenn er weiter solche Auftritte hinlegt wie zuletzt, dürfte bald der sechste Einsatz in der Nationalelf folgen.

© SZ vom 22.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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