American Football:Es geht noch schlechter

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Seit knapp zwei Jahren haben die Detroit Lions kein Spiel mehr gewonnen. Sie sind damit das Symbol einer Stadt, in der ebenfalls kaum etwas funktioniert.

Jürgen Schmieder

Matthew Stafford versuchte es mit einer Sportlerfloskel. "Es ist immer schwer, wenn man das Spielfeld betritt und die Mannschaft zurückliegt", sagte der Quarterback der Detroit Lions nach der 27:45-Niederlage gegen die New Orleans Saints. Der Spielmacher wurde nicht etwa eingewechselt, vielmehr lagen die Lions bereits mit 0:7 zurück, als die Offensive der Lions zum ersten Mal das Spielfeld betrat. Stafford warf zwei Pässe, übergab einen Ball - und musste wieder vom Feld. Als er das nächste Mal das Spielgerät berührte, stand es 0:14. "Das ist frustrierend", sagte der junge Quarterback, den Detroit vor der Saison als ersten Spieler des Jahres gedraftet hatte und nun ins kalte Wasser warf.

Frustrierend vor allem deshalb, weil die Lions saisonübergreifend 18 Spiele in Serie verloren haben, der letzte Sieg datiert vom 23. Dezember 2007. In der vergangenen Spielzeit schafften die Lions als erste Mannschaft in der Geschichte der National Football League (NFL), kein einziges Saisonspiel zu gewinnen. Die Fans nahmen es mit Galgenhumor. "Gar nichts zu gewinnen ist auch eine Form von Perfektion", war der meistgetragene Fan-Pullover bei der Niederlage im letzten Saisonspiel gegen die Green Bay Packers.

Die Lions sind der Symbolklub einer Stadt, mit der es seit Jahren bergab geht. Seit 1930 spielt der Verien in der NFL, die Mannschaft gewann seit Einführung der Super Bowl gerade einmal ein Playoff-Spiel, sie stand noch nie im Endspiel um die Meisterschaft. Die letzte Saison, in der die Lions mehr Spiele gewannen als sie verloren, liegt neun Jahre zurück. "Die Bilanz der Lions ist analog zur Bilanz der Autofirmen", war eine Überschrift der Tageszeitung Detroit Free Press.

Und doch sind Detroits Bürger stolz auf ihre Löwen - zu jedem Heimspiel kommen durchschnittlich mehr als 50.000 Menschen in das Ford Field in Downtown Detroit. Das Scheitern gehört zu Detroit - der trotzige Stolz auch. Vielmehr können die Bürger nicht mit Triumphen umgehen. Als die Red Wings vor zwei Jahren die Eishockey-Meisterschaft gewannen, zündeten die Fans die halbe Innenstadt an. "Dann lieber verlieren", sagte Bürgermeister Dave Bing damals.

Spieler wie Matthew Stafford freilich müssen noch lernen, mit Niederlagen umzugehen. Er besuchte eine Elite-Universität in Georgia, hält zahlreiche College-Rekorde und war der beste Spieler des Capitol One Bowls, einem der Uni-Endspiele im vergangenen Jahr - ein Siegertyp also. Vor der Saison unterschrieb der 21-Jährige einen Vertrag, der ihm in den kommenden sechs Jahren mindestens 41,7 Millionen Dollar einbringt - das ist die höchste Summe, die jemals einem Footballspieler garantiert wurde. Inklusive Prämien könnte er gar auf 78 Millionen Dollar kommen.

Die Lions legen ihre Hoffnungen damit erneut in die Hände eines talentierten Quarterbacks, anstatt in eine schlagkräftige Defensive oder einen erfahrenen Running Back zu investieren. Stafford zeigte gegen die Saints eine durchwachsene Leistung - er passte für 205 Yards und warf drei Interceptions -, dafür wurden die Probleme in den anderen Mannschaftsteilen allzu offensichtlich. Die Lions erzielten insgesamt 33 Yards durch ihr Laufspiel, bei den Saints kam allein Mike Bell auf 143 Yards. Die Defensive der Lions erlaubte dem Gegner einen Raumgewinn von 515 Yards, das ist die schlechteste Defensivleistung des Wochenendes.

Das Vorgehen, viel Geld für einen jungen Quarterback auszugeben und dafür bei anderen Mannschaftsteilen zu sparen, hat bei den Lions Tradition, war jedoch noch nie erfolgreich. "Die Lions sind ein Meister in der Kunst, junge Quarterbacks zu verheizen", sagt der ehemalige Star der Lions, Barry Sanders. 2002 etwa verpflichtete der Verein Joey Harrington, den besten Quarterback der vorangegangenen College-Saison. Der ging als "Joey Sunshine" in die Geschichte ein, weil er trotz zahlreicher Niederlagen ständig lächelte. Harrington ist mittlerweile 30 Jahre alt und arbeitslos. Weitere Beispiele sind Rodney Peete, Andre Ware und Scott Mitchell. Keiner von ihnen half den Lions, alle ruinierten ihren Ruf.

"Ich muss aus meinen Fehlern lernen, wir alle müssen aus unseren Fehlern lernen", sagte Stafford nach dem Spiel. Es klang wie ein Hilferuf an die Verantwortlichen der Lions, die scheinbar alle fünf Jahre den gleichen Fehler machen und auf junge Collegestars hoffen anstatt auf unauffällige, aber produktive Spieler zu setzen. Die Eigentümer der Lions können sich derzeit nur damit trösten, nicht das schlechteste Team in der Geschichte des amerikanischen Sports zu sein, weil das Baseballteam der Pittsburgh Pirates kürzlich zum 17. Mal in Serie eine negative Saisonbilanz verbuchte. Nur: Weit sind die Lions davon nicht mehr entfernt.

Am kommenden Sonntag kommen die Minnesota Vikings nach Detroit. Die verpflichteten vor der Saison den erfahrenen Spielmacher Brett Favre und gewannen das erste Saisonspiel deutlich mit 34:20 gegen die Cleveland Browns. "Es ist wirklich nicht leicht zu spielen, wenn die Mannschaft zurückliegt", wiederholte Stafford immer wieder. Man möchte ihm zurufen: Gewöhne dich lieber daran.

Die NFL-Ergebnisse vom Sonntag:

Atlanta Falcons - Miami Dolphins 19:7 Cincinnati Bengals - Denver Broncos 7:12 Cleveland Browns - Minnesota Vikings 20:34 Indianapolis Colts - Jacksonville Jaguars 14:12 New Orleans Saints - Detroit Lions 45:27 Tampa Bay Buccaneers - Dallas Cowboys 21:34 Carolina Panthers - Philadelphia Eagles 10:38 Baltimore Ravens - Kansas City Chiefs 38:24 Houston Texans - New York Jets 7:24 New York Giants - Washington Redskins 23:17 Arizona Cardinals - San Francisco 49ers 16:20 Seattle Seahawks - St. Louis Rams 28:0 Green Bay Packers - Chicago Bears 21:15

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