Alpine Ski-WM:Gleichauf bis zur letzten Kuppe

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Vor der Ziellinie weggerutscht: Alexander Schmid, Vierter - und bester deutscher Parallelfahrer. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Auch wenn Alexander Schmid bei der umstrittenen WM-Premiere des Einzelrennens eine Medaille knapp verpasst: Die deutschen Skirennfahrer unterstreichen in Cortina d'Ampezzo erneut ihre Vorliebe für das Parallel-Format.

Von Johannes Knuth, Cortina d'Ampezzo

Es ist immer wieder erstaunlich, wie verschieden die beiden sind, der Skirennfahrer Alexander Schmid und jener Alexander Schmid, der jenseits der Piste über das Skirennfahren redet. Der 26-Jährige nimmt Fragen stets aufmerksam entgegen, wie ein Botaniker, der im Urwald eine noch unbekannte Gewächssorte beäugt, dann setzt er, meist ähnlich behutsam, eine Antwort ab. Vor großen Rennen ist er für gewöhnlich "ganz zuversichtlich", danach in der Regel "ganz zufrieden". Sein Fahrstil ist ähnlich schleichend, aber das Unscheinbare kann auch technisch sauber sein und damit verflixt schnell, Schmid hat sich auf diese Weise in den vergangenen Wintern jedenfalls nach vielen behutsamen Schritten in der Weltspitze eingenistet, im Riesenslalom und den Parallelrennen. Am Dienstag, vor dem Parallel-Einzel in Cortina d'Ampezzo, sagte Schmid, dass sein Rennen schon ganz gut werden könnte, dann schimmerte - ganz kurz - seine Wettkampfmentalität durch: "Gas geben, sich nichts scheißen", enthüllte Schmid seinen Matchplan, "und dann wird's ein Gemetzel."

Parallelwettbewerbe bei Weltmeisterschaften sind oft ein Stimmungstest für den Deutschen Skiverband gewesen: 2013 gewannen sie Bronze im Team-Event und gossen so das Fundament für eine starke Woche in den Riesenslaloms und Slaloms, 2015 und 2017 katapultierten sie sich schon in den ersten Runden hinaus. Am Dienstag wurden bei der WM zum ersten Mal Medaillen in den Parallel-Einzelrennen ausgehändigt, und auch wenn diesmal wieder die anderen jubelten - der Franzose Mathieu Faivre bei den Männern, bei den Frauen die Österreicherin Katharina Liensberger und die Italienerin Marta Bassino, die nach etwas Hin und Her beide als Siegerinnen ausgerufen wurden, weil die Offiziellen zunächst übersehen hatten, dass bei Zeitgleichheit im Finale niemand zurückgestuft wird - Schmid stürzte das nicht in schwere Depressionen. "Vierter Platz ist der erste Verlierer", sagte er, "aber auch den muss jemand einnehmen."

Doppeltes Strahlen: Die Österreicherin Katharina Liensberger (li.) und die Italienerin Marta Bassino bekamen beide eine Goldmedaille umgehängt. (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Die Premiere des Parallel-Einzels hatte nicht nur die Reize, sondern auch die Probleme des Formats noch einmal unters Brennglas gerückt, vor allem in der Endrunde der besten 16 offenbarte sich eine große Schwäche: Die Kurse, auf denen sich die Fahrer nebeneinander duellieren, sind ja nie ganz gleich, diesmal waren zwei Tore auf dem blauen Kurs aber so schnell ausgefahren, dass die Fahrer dort oft massiv eingebremst wurden. Zwar standen in jeder K.-o.-Runde ein Hin- und Rücklauf an, so dass jeder Fahrer jeden Kurs einmal befahren musste, nur: Wer den blauen Kurs im ersten Lauf erwischte, dessen Rückstand wurde bei 0,5 Sekunden gedeckelt - damit abgeschlagene und gestürzte Läufer im Rücklauf noch eine Chance erhalten würden. Die Deckelung erwies sich nun allerdings als zu restriktiv, wer den roten Kurs im Rücklauf zog, machte seine 0,5 Sekunden oft locker wieder wett. ARD-Experte Felix Neureuther klassifizierte die Veranstaltung als "unwürdig", die Italienerin Federica Brignone sprach gar "vom unfairsten Rennen meiner Karriere".

Die vier Deutschen, die es in die Endrunde geschafft hatten, wollten ihr Ausscheiden aber nicht darauf schieben. Brignone war gegen Andrea Filser im Achtelfinale schlicht wehrhafter, Stefan Luitz lastete seine Niederlage gegen den Kroaten Filip Zubcic, den späteren Silber-Gewinner, einem schlechten Schwung an. Linus Straßer verlor gegen den Schweizer Loic Meillard, obwohl er im Rücklauf auf dem besseren roten Kurs fuhr, Schmid wiederum entschied sein Viertelfinale gegen den Italiener Luca De Aliprandini auf dem blauen Kurs. Im Halbfinale war der Allgäuer gegen den späteren Weltmeister chancenlos, im Rücklauf des kleinen Finals gegen Meillard hatte Schmid seinen Rückstand auf dem roten Kurs fast getilgt, beide Kontrahenten rauschten gleichauf über die Kuppe vor dem Zielhang - doch Schmid lehnte sich zu weit nach innen und taumelte aus dem Kurs. "Ich hab' echt die Chance gehabt", sagte er später, dann fügte er gefasst an: "Ich hab sie nicht genutzt."

Auch wenn zu den drei DSV-Medaillen also keine vierte hinzukam: Es war kein Zufall, dass sich die Deutschen in einem Parallelwettstreit erneut sehr vital präsentierten. Man sei in diesem Event, das der Weltverband vor fünf Jahren im Weltcup reaktiviert hatte, "früh auf den Zug aufgesprungen", hatte Alpindirektor Wolfgang Maier zuletzt im Gespräch erzählt. Seit fünf Jahren bieten sie im DSV bei nationalen Meisterschaften auch einen Teamwettbewerb im Parallelformat an, Preisgeld inklusive, die Methode ist fest im Lehrplan verankert, im Training schon ab der U14.

"Das ist einfach coole, spielerische Form, um den Wettkampfcharakter zu fördern", findet Maier, es gehe ja weniger darum, um wie viel Grad man die Hüfte beim Riesenslalom-Schwung gen Hang neigt, sondern nur um eines: Wer besiegt seinen Gegner? Dieser Wille, schnell Ski zu fahren werde in Deutschland im Nachwuchs oft ein bisschen "wegtrainiert", so Maier, weil man sich gerne mal zu sehr auf technische Leitbilder versteife. Er habe beobachtet, dass viele Kinder das Parallelformat nicht nur mögen, sie führen dort sogar oft sogar besser als im Slalom oder Riesenslalom, selbst im Weltcup ist das immer wieder zu studieren: Straßer hatte in den Parallelrennen immer wieder sein Selbstvertrauen aufgefrischt, seinen ersten Weltcup gewann er nicht im Kerngeschäft Slalom, sondern in einem Parallelrennen 2017 in Stockholm. Und auch jetzt dürften die DSV-Starter nicht gerade entmutigt in ihre Spezialdisziplinen ziehen, die Riesenslaloms und Slaloms in den kommenden WM-Tagen.

Am Mittwoch wartet aber erst noch eine weitere Chance: im Teamwettbewerb, wieder im Parallelformat.

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