Alba Berlin:Berliner Schnellzug

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Zu hoch für die Gegner: Albas Landry Ndoko beim Dunking. (Foto: imago)

Albas Basketballer deklassieren im Halbfinal-Hinspiel Oldenburg im Stile eines Titelfavoriten. Der Gegner korrigiert umgehend sein Ziel fürs Rückspiel: Gesicht bewahren.

Von Ralf Tögel, München

"Use your Bodies. Use your Bodies." Oldenburgs Trainer Mladen Drijencic richtete diese Worte flehentlich an seine Spieler, sie mögen doch bitte ihre Körper einsetzen, physischer spielen. Gerade war ein Dreier von Luke Sikma zum 40:27 für Alba Berlin durch den Korb gerauscht, Drijencic nahm die Auszeit, um sein Team wachzurütteln. Das Unterfangen verpuffte, vier Minuten später schlichen die EWE Baskets Oldenburg mit einem 33:49-Rückstand in die Kabine, und auch die Halbzeitpause brachte keine Besserung. Vielmehr löste sich die Oldenburger Defensive vollends auf, man konnte den Eindruck gewinnen, die Niedersachsen hatten die Abstandsregeln der Corona-Hygienemaßnahmen zu sehr verinnerlicht. Jedenfalls wollte kaum ein Abwehrspieler dem Gegner zu nahe kommen, die Berliner konnten weitgehend ungestört punkten und das erste Halbfinalspiel um die deutsche Meisterschaft gewinnen, 92:63.

"Wir sind sehr zufrieden, haben mit einer tollen Intensität gespielt. Aber es ist im Grunde erst Halbzeit", erklärte Berlins Distanzschütze Marcus Eriksson nach der Partie im Gespräch mit Magentasport. Das ehrt den Schweden als feinen Sportsmann, doch nicht nur ihm dürfte klar sein, dass Alba für das Finale planen kann. Gespielt wird im Best-of-two-Modus, das Ergebnis des Rückspiels also hinzuaddiert. Wer aber gesehen hat, wie die kraftlosen Oldenburger vom Pokalsieger zerlegt wurden, dem fehlt jede Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Niedersachsen am Mittwochabend (20.30 Uhr) mit 30 Punkten Differenz gewinnen können - dies nämlich wäre die Voraussetzung für den Finaleinzug. Angesichts der Wucht, mit der die Berliner wie ein ICE in Höchstgeschwindigkeit über den bemitleidenswert trägen Kontrahenten hinwegrasten, hat sich Alba nicht nur als klarer Favorit auf die Endspielteilnahme präsentiert - sondern gleich auf den deutschen Meistertitel.

Bei den Baskets hatten nur Rasid Mahalbasic, mit 23 Punkten bester Werfer des Spiels, und Nathan Boothe (17) die Kraft, die Anweisung des Trainers umzusetzen. Gerade in solchen Playoff-Duellen aber ist die Physis ausschlaggebend - woran es vor allem den Guards um Braydon Hobbs, Robin Amaize und Tyler Larson mangelte. Dabei dürfte der deutlich höhere Altersschnitt des Oldenburger Kaders eine entscheidende Rolle gespielt haben, das Gros der Spieler war mit den Kräften am Ende. Das erkannte letztlich auch Trainer Drijencic zerknirscht an: "Es ist schwer, den Jungs einen Vorwurf zu machen. Man hat gesehen, dass sie trotz gutem Willen nicht genug Energie im Körper hatten." Sein Team beging allerdings auch den Fehler, sich im zweiten Viertel auf einen offenen Schlagabtausch mit dem Gegner einzulassen. Das schnelle Umschaltspiel ist die bevorzugte Taktik der flinken und deutlich jüngeren Berliner, was auch Oldenburgs Hobbs erkannte: "Die hatten mehr Sprit im Tank und liefen ein Fastbreak nach dem anderen." Zudem hatten die ansonsten guten Distanzschützen der Baskets einen schwarzen Tag, nur zwei von 22 Drei-Punkte-Wüfen fanden ins Ziel.

Aber nicht nur im Spieltempo war Berlin haushoch überlegen, sondern "in allen Belangen", wie Hobbs zugab: Alba hatte mehr Ballgewinne, bessere Wurfquoten, mehr Rebounds und weniger Ballverluste. Dabei startete das Team des spanischen Trainers Aito Garcia Reneses nervös, erzielte in den ersten vier Minuten keinen einzigen Punkt und vergab auch im weiteren Spielverlauf einige freie Würfe. Der Kader aber ist tief und hochwertig besetzt, neben Eriksson (17) trafen noch Martin Hermannsson (12), Johannes Thiemann und Luke Sikma (je 11) zweistellig. Bester Akteur aber war Peyton Siva; der 29-Jährige mit NBA-Vergangenheit vibrierte vor Spielfreude und erzielte 19 Punkte. Der Amerikaner ist ein Regisseur von Euroleague-Format, einer, der eine Mannschaft anführen, lenken, mitreißen und damit auch einem Spiel eine Wende geben kann.

Nun bleibt die Erkenntnis, dass Alba die bisher beste Turnierleistung gezeigt hat - und sogar noch besser spielen kann. Für Trainerlegende Aito, 73, eine schöne Neuigkeit, nachdem sein Team bei den beiden Viertelfinalsiegen gegen Göttingen jeweils im letzten Viertel nachgelassen hatte: "Wir haben 40 Minuten auf hohem Level gespielt", was ebenso wichtig wie der Sieg gewesen sei. Denn es war auch eine Nachricht an den Finalgegner, die Oldenburgs Rasid Mahalbasic schon mal verstanden hat: "Wir kommen zum Rückspiel her und hoffen, dass wir unser Gesicht nicht verlieren. Dann bedanken wir uns bei der BBL und fahren nach Hause."

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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