Aderlass-Prozess:Pizza und Verfahrensfragen

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Der Angeklagte Mark Schmidt sitzt seit Frühjahr 2019 in Untersuchungshaft. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Dem Erfurter Sportarzt Mark Schmidt drohen bis zu fünfeinhalb Jahre Haft. Bei einem Mitangeklagten gestaltet sich die Sache bislang noch schwieriger.

Von Johannes Knuth, München

Am Mittwoch, dem 18. Verhandlungstag in der Strafsache gegen den Erfurter Sportarzt Mark Schmidt, verbuchte der Angeklagte gleich zu Beginn einen Erfolg. Der 42-Jährige hatte sich für die Mittagspause im Münchner Justizpalast eine Pizza herbeigewünscht, Richterin Marion Tischler gab dem Wunsch statt. Keine Einsprüche im Schwurgerichtssaal.

Ansonsten war es mit der Einigkeit am Mittwoch zunächst so eine Sache. Das Verfahren sei weiter "festgefahren", bekräftigte die Richterin; ein Urteil vor dem 21. Dezember, wie ursprünglich geplant, hielt sie für unwahrscheinlich, zumindest bis zur Pizza-Pause am Mittag. Das liegt vor allem an Dirk Q., einem Bauunternehmer, der wie Mark Schmidt seit dem Frühjahr 2019 in Untersuchungshaft sitzt. Dirk Q. hatte Schmidts Klienten ebenfalls Blut reinfundiert, wie er zuletzt gestanden hat; bei wem er das tat und wie oft, da driften die Aussagen aber auseinander: von Q. und von jenen Sportlern aus Österreich und Estland, die er behandelt haben soll. Auch deshalb wollten seine Verteidiger die fraglichen Athleten bis zuletzt im Zeugenstand in München vernehmen. Davon hielten die Athleten nur freilich wenig. Die meisten erschienen bislang nicht.

Ein bisschen hat sich das Verfahren nun aber doch bewegt. Die Kammer des Münchner Landgerichts präzisierte am Mittwochvormittag, welches Strafmaß Schmidt erwarte: zwischen viereinhalb und fünfeinhalb Jahren Gefängnis. Das sei aber nur eine vorläufige Schätzung. Zu Prozessbeginn hatten die Richter vier bis sechs Jahre veranschlagt. Schmidt hatte in seiner ersten Einlassung zwar gestanden, dass er Sportlern über Jahre Blut ab- und wieder zugeführt hatte, zum illegalen Leistungstuning. Zum zweiten Tatkomplex - einem Präparat, das er einer österreichischen Mountainbikerin injiziert hatte und das sich später als Forschungschemikalie entpuppte - hatte er sich aber eher sparsam geäußert. Bis zum vergangenen Freitag. Da gab er zerknirscht zu: Sein kroatischer Verbindungsmann habe ihm ein falsches Mittel angeliefert, er selbst habe es unzureichend geprüft.

Was den Vorwurf der Körperverletzung in diesem Fall betrifft, habe man das Strafmaß trotzdem "ein bisschen nach unten korrigiert", gab Oberstaatsanwalt Kai Gräber nun zu Protokoll. Das liegt offenbar an den Einschätzungen der wissenschaftlichen Sachverständigen. Die hatten zuletzt ausgeführt, dass die Mountainbikerin weder akute, noch langfristige Schäden zu befürchten hatte und hat, obwohl Schmidt sie grob fahrlässig behandelte. Dass man das Ganze als Körperverletzung einstufen müsse, davon ist die Anklage aber nach wie vor überzeugt. Bei drei Mitangeklagten - Sven M., Diana S. und Schmidts Vater Ansgard - fordert die Anklage mittlerweile geringere Bewährungsstrafen als zu Prozessbeginn, Sven M. könnte sogar mit einer Geldbuße davonkommen. Schmidt hatte zuletzt betont, dass er der maßgebliche Drahtzieher in seinem Netzwerk war.

Allein bei Dirk Q. blieb die Lage bis zuletzt vertrackt. Manche der Athleten, die seine Verteidigung gerne befragen würde, haben zuletzt immerhin angeboten, sich per Videoschalte oder schriftlich vernehmen zu lassen. Ob Q.s Anwälte sich darauf einlassen, war am Mittwoch zunächst fraglich: Am Nachmittag hatte das Gericht mit den Angeklagten und ihren Verteidigern ein weiteres, nicht-öffentliches Gespräch anberaumt.

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