Borussia Dortmund:Puzzlespiel in Brackel

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Mit einem großen und qualitativ verstärkten Kader bereitet Borussia Dortmund einen Angriff auf den Serienmeister aus München vor. Sportdirektor Zorc hat dennoch anstrengende Wochen vor sich: Er muss aussieben.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Wer am Freitag den Trainingsauftakt im Dortmunder Stadtteil Brackel beobachtete, fand einen aufgeräumten Ballspiel-Verein Borussia vor. 14 Feldspieler und drei Torhüter trabten bei idyllischem Sommerwetter über den Platz. Dies bildete allerdings nur die halbe Wahrheit über den Umfang des derzeitigen BVB-Kaders ab. Denn inklusive einiger Perspektivspieler und namhafter Fußballer wie André Schürrle, Shinji Kagawa, Sebastian Rode, Jeremy Toljan, Dzenis Burnic und Felix Passlack, die freilich keine Zukunft beim BVB besitzen, zählt das aktive Personal momentan 32 Feldspieler und vier Torhüter.

Während Borussia-Trainer Lucien Favre die Mannschaft fit macht für den Ligastart in sechs Wochen, muss Sportdirektor Michael Zorc deshalb noch aussieben. 23 Spieler hat der BVB in der vergangenen Bundesliga-Runde eingesetzt - sehr viel mehr sollen es gewiss auch in dieser Saison nicht werden. Vor allem in der Abwehr ist der Kader überbesetzt. Es stehen allein sechs Innenverteidiger für zwei Planstellen zur Verfügung: Ömer Toprak, Mats Hummels, Manuel Akanji, Dan-Axel Zagadou, Abdou Diallo und Leonardo Balerdi - und nimmt man Julian Weigl als flexible Option noch hinzu, sind es sogar sieben Profis für die Abwehrmitte. Das reichhaltige Sortiment liegt daran, dass Dortmund in diesem Bereich in den vergangenen Jahren großen Handlungsbedarf gesehen hat. In den vergangenen beiden Spielzeiten kassierten die Borussen 47 und 44 Gegentore, mehr hatten sie zuvor zuletzt in der Saison 2007/08 zugelassen.

So hat der Klub also mit großer Sammelleidenschaft Innenverteidiger akquiriert: 2017 Akanji, Zagadou und Toprak, 2018 Diallo und Balerdi - und nun den vom FC Bayern zurückgekehrten Hummels. Den einen oder anderen will Dortmund wieder abgeben. Toprak dürfte keine Zukunft haben, auch der hochtalentierte, aber fehlerbehaftete Zagadou gilt als Verkaufskandidat, Diallo kokettierte soeben öffentlich mit einem Wechsel zu Paris Saint-Germain und beklagte sich in einer französischen Zeitung, als Innenverteidiger in der Vorsaison wiederholt auf der ungeliebten Linksverteidigerposition ausgeholfen zu haben. Der junge Balerdi gilt als Kandidat für eine Leihe. Hummels, Diallo und Akanji wären wohl ein angemessenes Kerntrio für die Innenverteidigung der neuen Saison.

Vor allem Hummels spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau der neuen Stammelf. Mit ihm in der Abwehrreihe, im defensiven Mittelfeld mit Axel Witsel und im offensiven Mittelfeld mit Marco Reus (alle drei 30 Jahre alt) hätte der BVB eine sehr erfahrene vertikale Achse. Diese Routine ist vielleicht jenes bisher fehlende Puzzleteil, das dem BVB zur Meisterschaft verhelfen könnte. Nicht zufällig hat Sportchef Zorc beim Trainingsauftakt betont, man wolle Meister werden. Das war eine unmissverständliche Ansage - im Gegensatz zum zögerlichen Vorgehen der vergangenen Saison.

Vor sich hat der BVB ein Trainingslager in den USA (15. bis 21. Juli) und eines in der Schweizer Stadt Bad Ragaz (27. Juli bis 2. August). Am 3. August steigt im heimischen Stadion der Supercup gegen den FC Bayern, am 9. August gastiert man im Pokal beim Drittligisten KFC Uerdingen. Und am 17. oder 18. August geht die neue Bundesliga-Saison mit einem Heimspiel gegen den FC Augsburg los.

In diesen drei Partien wird nicht nur spannend zu sehen sein, wer in der Innenverteidigung aufläuft, sondern auch, wie sich die weiteren Zugänge Julian Brandt, Thorgan Hazard und Nico Schulz in die Startelf integrieren. Sie steigen erst am Mittwoch ins Training ein, dann wird es noch voller auf dem Platz in Brackel.

Das Einkaufspaket aus diesen Dreien plus Hummels wird allgemein als großer Transfererfolg bewertet. Nur Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte bei der Bewertung der Dortmunder Personaloffensive zum Abwarten geraten - jetzt am Wochenende hat Hoeneß von BVB-Kaderplaner Matthias Sammer im Kern der Sache sogar Zustimmung erhalten: "Ich bin bei Uli, der gesagt hat: Alles, was der BVB gemacht hat, muss sich erst beweisen. Wer so was sagt, der weiß, wie Fußball funktioniert. Das ist die Wahrheit!"

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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