1860 München:Basics sind nicht alles

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Laufstärke und Bissigkeit sollten die Löwen schärfen gegen den SC Verl. Das gelang (im Bild vergibt Richard Neudecker, l.) zumindest zeitweise. (Foto: imago images/osnapix)

Beim 1:1 gegen den SC Verl erlebt der TSV 1860 München das zweite Remis nacheinander. Dabei hatte Trainer Köllner eigentlich die Neun-Punkte-Woche ausgerufen.

Von Philipp Schneider

Umkehren war ja leider keine Option. Also hockten die Löwen im Flieger auf der Startbahn in München und erwarteten den Abflug zu ihrem dienstäglichen Ausflugziel: Sie wollten ins schöne Paderborn. Dorthin, wo der so unerforschte wie unangenehme Fußball-Drittligist SC Verl seine Heimspiele austrägt. Die Löwen warteten und warteten. Weil es an ihrem Flugzeug technische Schwierigkeiten gab, verzögerten sich Abflug und Anpfiff des folgenden Spiels um eine halbe Stunde. "Es stand zur Diskussion, ob wir einen Ersatzflieger nehmen", erzählte Geschäftsführer Günther Gorenzel nach der Landung. Ehe er auf die unvergleichlich sachliche Gorenzelweise ergänzte: "Das Vertrauen in den Flieger war gegeben." Trainer Michael Köllner bedankte sich beim DFB und dem SC Verl für die Kulanz des verschobenen Anpfiffs. Aber als er sich zwei Stunden später nach einem 1:1 wieder aufmachte in Richtung Flughafen, da dürfte Köllner sich noch eine Weile gedanklich auseinandergesetzt haben mit den zwei jüngsten Spielen. Neun Punkte hatte er ursprünglich als Ziel ausgegeben für die laufende Englische Woche. Nun sind 66,6 Prozent gespielt und 1860 bringt es auf einen Zwischenstand von: zwei Zählern. Fünf könnten es also noch werden - am Samstag steht das Derby an gegen Türkgücü München. "Ich will jedes Spiel gewinnen! Wenn wir dann 1:1 spielen, bin ich nicht zufrieden. So sind wir halt unterwegs!", knurrte Köllner als Antwort auf die Frage des Magenta-Reporters, weswegen er so schlecht gelaunt aussehe.

Zwei Änderungen nahm Köllner vor nach dem 0:0 gegen den KFC Uerdingen: Rechtsverteidiger Marius Willsch kehrte zurück und ersetzte den gesperrten Erik Tallig. Der 19-jährige Johann Djayo erlebte nach sechs Kurz-Einsätzen ein Startelf-Debüt und rückte auf den Flügel für Richard Neudecker.

Die Löwen legten los, als hätten sie Kraftfutter gegessen und nicht nur die obligatorische Variation von Süßem oder Salzigen angeboten bekommen in ihrem Charter-Flieger. Sie waren sichtlich bemüht, dem laufintensiven Spiel der Verler gleich zu Beginn ein paar weite Pässe und Sprints entgegenzusetzen. Viele Chancen spielten sie so nicht heraus, aber das galt auch für die Gastgeber. Die beste Gelegenheit in der ersten Viertelstunde hatte Daniel Wein, der sich rund 18 Meter vor dem Tor einen Freistoß zurechtlegen durfte. Er schoss den Ball mit Verve in die Verler Mauer.

Auf die "Basics" des Fußballspiels wolle sich Sechzig konzentrieren, sagte Gorenzel vor dem Spiel. Also auf "Passschärfe, Laufstärke, Bissigkeit", konkretisierte Köllner. Das alles gab es nun tatsächlich zu erleben in Paderborn, von Torgefahr war ja nicht die Rede gewesen. Die Führung der Löwen war folgerichtig das Resultat einer kollektiven Willensbekundung: Daniel Wein flankte in den Strafraum, Sascha Mölders erlief den Ball, bekam ihn aber nicht so unter Kontrolle, dass er hätte schießen können. Dafür aber führte er ihn spazieren, passte abermals zurück auf Wein, der flankte erneut, und diesmal fand er die Stirn von Stefan Lex - das 1:0 (20. Minute).

Wie eine sich auf Büffel-Basics besinnende Herde (vornehmlich wütend sein und trampeln) reagierten die Verler ob eines Rückstandes, den sie zu diesem Zeitpunkt genauso wenig verdient hatten wie 1860 die Führung. Zunächst traf Philipp Sander den Innenpfosten und danach ins Netz - doch der Linienrichter entschied in einer knappen Situation mit dem Geschmäckle von gleicher Höhe auf Abseits. Glück für 1860. Dann parierte Sechzigs Torwart Marco Hiller zweimal mit starken Reflexen in kurzer Zeit: zunächst einen Kopfball von Julian Stöckner, dann einen strammen Nachschuss von Mehmet Kurt. Hiller hatte vor der Partie über Nackenprobleme geklagt. Diese ließ er sich nicht ansehen. Auch nicht bei seinem Hechtsprung, zu dem er kurz darauf ansetzte. Hiller flog und streckte sich, um die Finger an einen Gewaltschuss von Christopher Lannert zu bekommen. Aber der schlug zu dicht neben dem Pfosten ein - der Ausgleich (38.).

Köllner reagierte und brachte in der zweiten Hälfte Neudecker für den unauffälligen Debütanten Djayo. Auf dem Platz änderte sich wenig. Zu sehen gab es: Viel anarchisches Hin und Her, kaum herausgespielte Chancen. Verl durfte zunächst eine leichte Feldüberlegenheit für sich in Anspruch nehmen. Doch auch die beste Gelegenheit der Westfalen trug sich bezeichnenderweise nach einer Standardsituation zu: Julian Schwermann schoss den Ball nach einer Ecke in den Paderborner Nachthimmel.

Köllners Elf zeigte nun zumindest die versprochenen Basics, rannte immer weiter an. Und wurde noch zweimal gefährlich - jeweils nach Flanken von der rechten Seite. Eine Hereingabe von Lex fing Torwart Brüseke ab, eine von Neudecker setzte Dennis Erdmann mit dem Kopf an die Latte. "In der Schlussphase hätten wir die Partie entscheiden können", ärgerte sich Köllner. Zumindest eine positive Erkenntnis nahm er aber mit zum Flughafen: "Die Mannschaft hat alles gegeben."

© SZ vom 25.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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