1860 München:Ein Witz von einer Ära

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Nach der Entlassung von Uwe Wolf müssen sich bei 1860 München die Verantwortlichen Stoffers und Stevic fragen lassen, ob die Löwen eine Führungsschwäche haben.

Gerald Kleffmann

Von Beginn an war klar, dass die Beförderung des Co-Trainers Uwe Wolf unter keinem guten Stern stand. Schon als er vorgestellt wurde, wirkten Sportdirektor Miki Stevic und Geschäftsführer Manfred Stoffers nullkommanull überzeugt - der Neue hatte keine Basis, um ernst genommen zu werden. Nur Siege am Fließband hätten ihn gerettet, wozu dieser Kader aber außer Stande war.

Ärger statt Ära - entgegen großspuriger Ankündigungen auf eine 20-jährige Amtszeit als Löwen-Trainer wurde Uwe Wolf nun entlassen. (Foto: Foto: dpa)

Mit seinen Heißluftsprüchen leistete Wolf selbst zudem seinen Beitrag zur eigenen Wirkungslosigkeit, als er etwa über die "Ära Wolf" schwadronierte oder herumposaunte, er wolle 20 Jahre Löwen-Trainer sein. Ein Witz. Jeder Insider, auch Wolf, wusste, dass Lienen längst bereitstand. Wie sollte diese Allianz gut gehen?

Die Ablösung Wolfs offenbart daher nicht nur ein dauerhaftes Trainerproblem, das Sechzig seit dem Erstligaabstieg plagt, sondern vor allem: eine Führungsschwäche, auch unter den neuen Köpfen. Dabei hätten Stevic wie Stoffers durch das Beispiel FC Augsburg gewarnt sein müssen, dass das nicht funktioniert: öffentlich den eigenen Trainer (Holger Fach) hinhalten und hintenrum mit dem neuen Trainer (Jos Luhukay) alles klarmachen. Am Ende haben beim Ligakonkurrenten alle nur geschauspielert und erleichtert reagiert, als der beschlossene Wechsel vorgezogen wurde. Der FCA hat seitdem die Kurve gekriegt. In der Berufung Lienens besteht bei Sechzig immerhin die Chance zur Besserung: dass man endlich authentisch wird.

Stevics zweifelhafte Rolle

Zuletzt hatte man den Eindruck, niemand beim TSV wolle noch etwas mit dieser Saison zu tun haben, deren miserabler Verlauf dem geschassten Geschäftsführer Stefan Reuter angekreidet wird. Stevic hatte zuletzt gar betont, es gebe hundert Gründe für die Krise - und nicht einen genannt. Auch lehnte er es ab, Wolf zu feuern und sich auf die Bank zu setzen - Stevic besitzt den Trainerschein.

Das Risiko, hierbei den eigenen Ruf zu ruinieren, erschien ihm offenbar zu groß. Verständlich, bei dieser Elf. Weniger nachvollziehbar aber ist, warum sich Stevic sogar von den fähigsten Spielern, den Bender-Zwillingen, distanzierte und sie zum Verkauf anbot, weil die sich erdreistet hatten, mit Reuter Sonderklauseln im Vertrag auszuhandeln.

Durch das chronische Misstrauen, das selbst die Besten im Team erfahren mussten, erklärt sich auch das Fehlen jeglicher Leidenschaft im Abstiegskampf. Mit ihrer Hinhaltetaktik haben sich Stoffers und Stevic jedenfalls gehörig verzockt. Aber sie sind ja in ihren Bereichen Berufsanfänger, das muss berücksichtigt werden. Noch einmal wird ihnen dieser Fehler nicht passieren. Sollte 1860 allerdings absteigen, wird ihnen späte Einsicht nichts mehr nutzen.

© SZ vom 14.05.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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