1860 München:Affront beim Derby

Lesezeit: 3 min

Die zweite Mannschaft des FC Bayern besiegt die erste des TSV 1860 München mit 3:1, die Meisterfeier im Grünwalder Stadion fällt aus. Immerhin wird Timo Gebhart wieder eingewechselt.

Von Christoph Leischwitz

Gegen Ende wurde es so emotional und hitzig, dass sogar die Einwechslung von Timo Gebhart zur Randnotiz geriet. Der 29-jährige Mittelfeldspieler des TSV 1860 München sollte nach 240 Tagen Verletzungspause noch einmal Wettkampfpraxis und Spielhärte sammeln für die Aufstiegsspiele, die für die Löwen Ende Mai gegen den 1. FC Saarbrücken anstehen. Insofern war der Plan voll aufgegangen, als er in der 77. Minute ins Derby geworfen wurde, das gerade am Siedepunkt stand. Als aber das Regionalliga-Spitzenspiel mit einem Schuss von Derrick Köhn zum 3:1 an die Bayern ging, war das auch der einzige Plan der Sechziger gewesen, der aufgegangen war. "Die Bayern waren besser als wir, sie haben verdient gewonnen", sagte Gebhart, sichtlich geknickt.

Es gab rüde Fouls, Spielunterbrechungen, Bayern-Keeper Christian Früchtl musste in der Schlussphase der Partie Dutzende Getränkebecher aus seinem Fünfmeterraum entfernen, sogar ein Handgemenge zwischen Verantwortlichen beider Mannschaften gab es. Danach trat auch Gebhart nochmal in Aktion. Die Bayern-Spieler feierten gerade mit den Fans, als er aufs Feld zurückkehrte. Er habe einen Auswechselspieler fragen wollen, warum er so wenig spiele und so viel rede. Weil er aber nicht nur fragte, sondern auch noch ein Bayern-Banner vom Zaun holen wollte, siedete es auch nach dem Spiel noch einmal. Dann wurde spätestens deutlich sichtbar, dass einige Bayern-Anhänger die Westkurve rot angemalt hatten. Während des Spiels. Das war so etwas wie der maximale Affront gegenüber den Löwen.

Die Trainer Tim Walter und Daniel Bierofka gingen hernach auffällig freundlich miteinander um. "Ach, ich habe schon schlimmeres erlebt als das", sagte Bierofka. Seine Spielanalyse fiel aber deutlich aus: "Die erste Halbzeit hatten wir zu wenig Glaube, das war extrem halbherzig. So kannst du die Qualität der Bayern nicht in Schach halten", sagte er. Die Bayern waren in der ersten Halbzeit so dominant, dass man sich Sorgen um den Gemütszustand der Sechzig-Spieler machen musste, so kurz vor den Aufstiegsspielen (die sie ja immer noch so gut wie sicher erreichen werden). "Nur noch acht", schallte ihnen vor der Pause höhnisch von der diesmal in rot getauchten Gegengerade entgegen, 2:0 führten da die Bayern, die Fans drohten mit einem zweistelligen Ergebnis.

Recht schnell hatten die feldüberlegenen Bayern eine besondere Schwachstelle im Spiel des Tabellenführers ausgemacht: die linke Abwehrseite. Adrian Fein, Milos Pantovic oder auch Verteidiger Felix Götze kamen immer wieder bis zur Grundlinie durch, Letzterer auch in der 19. Minute. Götze passte scharf nach innen, wo Kwasi Wriedt im ersten Versuch noch an Torwart Marco Hiller scheiterte, im Nachschuss traf er aber ins kurze Eck (19.).

Von den Sechzigern kam auch danach nicht viel, weil sich die Mannschaft aus dem Spiel heraus nicht in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte. Die einzige gute Möglichkeit vor der Pause hatte Nicolas Andermatt mit einem Schuss vom Strafraumrand. Der bis dahin beschäftigungslose Bayern-Keeper Christian Früchtl streckte sich und lenkte den Ball um den Pfosten (36.).

Fest im Griff: Auch Timo Gebhart, hier gegen Niklas Dorsch, kann sich gegen die Bayern nicht durchsetzen. (Foto: Oryk Haist/imago)

In der 44. Minute schien die Partie schon entschieden. Fein passte nach innen, Wriedt scheiterte aus kurzer Distanz an Hiller, den Nachschuss drosch Raphael Obermair ins ferne Eck (44.). Nach dem Seitenwechsel kam Christian Köppel als Linksverteidiger ins Spiel, die Unterlegenheit war danach nicht mehr so deutlich. Später musste aber auch er sagen: "Wir haben die erste Halbzeit verschlafen." Gleich nach der Pause wachten die Löwen jedoch auf. Mölders erzielte ein Tor, das wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen wurde - eine umstrittene Entscheidung (47.). Auf der anderen Seite scheiterte Wriedt knapp an Hiller, der einen ungenauen Torschuss gerade noch ergreifen konnte (51.). Das 1:2 der Löwen fiel dann überraschend: Daniel Wein traf mit einem recht schwachen, aber verdeckten Schuss aus gut 20 Metern (65.). Die Partie verlagerte sich plötzlich, Sechzig drückte, die Bayern verlegten sich aufs Kontern, blieb dabei aber mit seinen Torabschlüssen weiter die gefährlichere Mannschaft. Ruhe brachte dann in all der Hektik allein Köhns 3:1 nach einer Einzelaktion (88.).

Walter wünschte Bierofka viel Glück für die Aufstiegsspiele. "Ich wünsche dir alles Gute, wohin deine Wege auch gehen", sagte Bierofka. Walter wird die Bayern bekanntlich zum Saisonende verlassen, er wird mit dem Zweitligisten Holstein Kiel in Verbindung gebracht. Am Rande des Spiels wurde bekannt, dass die Bayern noch keinen Nachfolger haben. Nach SZ-Informationen wird es der gehandelte Mehmet Scholl jedenfalls nicht. Dem Vernehmen nach gibt es zurzeit zwei andere Kandidaten. Sollte Sechzig in der Regionalliga bleiben, hat Walter zumindest die Derby-Latte für seinen Nachfolger recht hochgelegt: Er hat beide gewonnen.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: