1. FC Nürnberg:Quer und zurück

Lesezeit: 3 min

„Nach unserer 1:0-Führung sind wir zu passiv geworden.“ – Nürnbergs Trainer Damir Canadi war vom Spiel ebenso wenig angetan wie von der Tabelle. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Defensiv-Fetischist Alois Schwartz hatte den KSC gut eingestellt, den Nürnbergern fiel wenig ein. Nach drei Remis in Serie droht beim Club, dessen Fans die Abstiegssaison geduldig ertragen hatten, die Stimmung zu kippen.

Von Christoph Ruf

Vielleicht sollten sie beim 1. FC Nürnberg mal über ihre Einlaufmusik nachdenken. Wer einen Song namens "Enter sandman" zum Auftakt einer Ligapartie durch die Boxen jagt, muss wohl damit leben, dass man sich daran erinnert, wenn ein eher einschläferndes Spiel zu Ende geht, in dem vor allem Tempo und Dynamik gefehlt haben. 1:1 hat der Club am Wochenende gegen den Karlsruher SC gespielt. Es war das dritte Remis in Folge, nachdem man zuvor auch gegen Heidenheim und Darmstadt nicht hatte gewinnen können. "Bei allem Respekt, aber unser Anspruch muss es sein, zu Hause gegen einen Aufsteiger zu gewinnen", sagte FCN-Torwart Christian Mathenia, der diesmal fehlerlos hielt. "Wir müssen uns schon fragen lassen, warum wir nach unserem Führungstreffer so eingebrochen sind."

Tatsächlich kam der KSC erst richtig in die Partie, nachdem Johannes Geis den Club mit einem berechtigten Foulelfmeter in Führung gebracht hatte (24.). Der Ausgleich ließ dann auch nicht mehr allzu lange auf sich warten. Manuel Stiefler schoss den Ball mit dem Außenrist vorbei an Mathenia ins Tor (40.). Im zweiten Durchgang hatte der Club zwar noch zwei Möglichkeiten, das Spiel durch Michael Frey (61.) und Robin Hack (67.) zu seinen Gunsten zu entscheiden. Doch das wäre angesichts des Spielverlaufes fast schon ein Hohn gewesen, schließlich dominierte der KSC in der zweiten Hälfte, hatte durch Marvin Wanitzek (49.), Marvin Pourié (72.) und Lukas Fröde (77.) gute Chancen und musste sich deshalb nach dem Spiel nur fragen lassen, warum er in den Schlussminuten, in denen drei, vier Clubspieler schon am Ende ihrer Kräfte waren, nicht entschiedener auf einen Sieg gespielt hatte.

Nun war es nicht so, dass die Karlsruher nach dem Punktgewinn in unhöfliches Triumphgeheul ausgebrochen wären. Doch schon die korrekte Beschreibung des Spielverlaufs muss schmerzhaft in Nürnberger Ohren geklungen haben. "Mich hat vor allem gewundert, dass bei denen nach ihrer Führung ein Bruch im Spiel war", sagte KSC-Spieler Fröde. Und wunderte sich dabei ebenso zurecht wie die Karlsruher Offiziellen, die noch einmal beschrieben, wie sie mit einem einfachen taktischen Kniff das Nürnberger Angriffsspiel entschleunigt hatten. Die mit Geis, Hanno Behrens und Hack stark besetze Nürnberger Mittelfeldzentrale rieb sich an den drei Zentralen im erstmals getesteten Karlsruher 4-1-4-1-System auf. Und auch wenn Sebastian Kerk immer wieder vom rechten Flügel einrückte - es wollten weder Druck noch Tempo entstehen.

Eine einzige Ecke hatte der Club nach 90 Minuten verzeichnet, und damit sieben weniger als der KSC, dessen Trainer Alois Schwartz schon in seinen Nürnberger Zeiten als Defensiv-Fetischist bekannt war, der sein Team aber gut auf den Club eingestellt hatte.

Seinen ehemaligen Verein hatte er zuvor über 90 Minuten beim 3:3 in Darmstadt beobachtet. Doch während im Hessischen die Defensivprobleme einem Sieg im Wege standen, war es diesmal die Harmlosigkeit nach vorne. Dass das Nürnberger Spiel auch Mitte September noch so wenig ausbalanciert wirkt, ist dann auch mindestens so besorgniserregend, wie es die Vibrations bei den über 30 000 Zuschauern waren. Während die Club-Fans in der zurückliegenden Abstiegssaison noch bewundernswert geduldig waren, droht die Stimmung nun allmählich zu kippen. Nach dem Schlusspfiff fiel das Pfeifkonzert jedenfalls eher deftig aus, der Midtempo-Fußball hatte an den Nerven der Fans gezerrt. "Nach unserer 1:0-Führung sind wir zu passiv geworden und haben zu viel quer und zurück gespielt", gab Club-Trainer Damir Canadi zu. "Das gefällt mir prinzipiell nicht so gut."

Das dürfte auch für den Tabellenstand gelten. Derzeit rangiert der FCN auf Platz 12, der Tabellenführer aus Stuttgart hat fast doppelt so viele Zähler auf dem Konto. Und auch wenn die gut betuchten Schwaben und wohl auch der HSV, dem man jüngst 0:4 zu Hause unterlag, wohl nicht der Maßstab sein werden, sollte der Club baldmöglichst mit dem Siegen anfangen. Ansonsten wäre es wohl wirklich zwingend nötig, eine andere Einlaufmusik auszusuchen. Der Metallica-Song "Enter Sandman" handelt jedenfalls von der Angst eines Kindes, das von immer wiederkehrenden Albträumen und Horrorvisionen heimgesucht wird.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: