1. FC Nürnberg:Der Wahlkampf beginnt

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Mitglieder, Ultras und Juristen diskutieren mit Nürnbergs Finanzvorstand über die geplante Ausgliederung der Profifußballabteilung.

Von Christoph Ruf

Dass Fußball eine emotionale Sache sei, wurde am Donnerstag Abend immer wieder betont - von Gegnern wie Befürwortern der Präsidiumspläne beim 1. FC Nürnberg. Als ob man das gesondert erwähnen müsste, wenn 250 Menschen zu einer Veranstaltung kommen, bei der es darum geht, unter welcher Rechtsform ihr Verein künftig firmieren soll. Wenn Diskussionen um "die Werthaltigkeit der Assets" und Bonitäts-Rankings-Kriterien von Banken so vielen Menschen wichtiger sind als der Christkindlesmarkt, dann müssen sich die Menschen irren, die glauben, dass es Fußballfans letztlich nur um Sieg oder Niederlage geht.

Es war eine bunte Mischung aus passiven Mitgliedern, passionierten FCN-Handballern, Ultras und juristischem Fachpublikum, das da auf Einladung der Akademie für Fußballkultur gekommen war. Es hörte sich interessiert an, wie Finanzvorstand Michael Meeske seine Pläne begründen würde. Sie taten das geduldig, nicht ein Fragesteller schoss übers Ziel hinaus. Wer an diesem Abend nach Belegen suchte, dass große Veranstaltungen irrational und unkontrollierbar ablaufen müssen, hatte Pech.

Geht es nach dem Präsidium, soll aus dem klassischen eingetragenen Verein (e.V.) bald eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden, eine AG oder eine GmbH & Co.KGaA. Vorbild ist der FC Bayern, der bei seiner AG eine 75,01-Prozent-Mehrheit hält und jeweils 8,33 Prozent drei Unternehmen überlassen hat. "Die Gefahr, dadurch erpressbar zu werden, sehe ich bei 8 Prozent Anteilen nicht", so Meeske. Zumal ein Unternehmen, das sein Geld schlecht investiert findet, auch bei einem eingetragenen Verein die handelnden Personen unter Druck setzen könne.

Ob es schon mögliche Investoren gibt, die nur auf eine geänderte Rechtsform warten, blieb unklar

Natürlich dauerte es nicht lange, bis die Namen Hasan Ismaik und Klaus-Michael Kühne fielen. Die beiden Investoren haben ja zuletzt ihren wirtschaftlichen Einfluss weidlich dafür genutzt, Sportdirektoren, Manager und Trainer im Dutzend billiger als tölpelhafte Erfüllungsgehilfen aussehen zu lassen. 1860 und der HSV sind zwei Negativbeispiele, die auch Meeske kennt und die wohl jedes Vereinsmitglied vor Augen hat, das bald die Ausgliederung der Fußball-Profiabteilung durchwinken soll. Meeske nannte zwei Gegenargumente: Auch Braunschweig und der 1. FC Köln hätten ausgegliedert. "Und ich glaube kaum, dass ein FC-Fan, der sich im Fanshop ein Trikot kauft, derzeit das Gefühl hat, das sei nicht mehr sein Verein." Und 1860 läge wohl auch ohne Ismaik darnieder. "Dann würden sie heute in der Regionalliga spielen." Weil der FCN auch in den kommenden Jahren einen großen Teil seiner Einnahmen in die Schuldentilgung stecken müsse und die Konkurrenten ständig höhere Umsätze erwirtschafteten, drohe man den Anschluss zu verlieren. "Vor zehn Jahren gab es zwei investorengetriebene Vereine in der ersten Liga, heute sind es sechs", sagte Meeske. "Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen. Aber dann läuft man Gefahr, abgehängt zu werden."

Ob es schon mögliche Investoren gibt, die nur auf eine geänderte Rechtsform warten, blieb allerdings ebenso offen wie die Frage, wie hoch die zusätzlichen Investitionen ausfallen könnten, die sich der Club erhofft. So logisch das auch sein mag, weil das Fell-Verteilen vorm Bären-Erlegen nie vertrauensbildend wirkt - es warf natürlich eine Frage auf: Warum sollte ein Unternehmen, das einem e.V. keine Spende oder Darlehen gibt, einer AG bereitwillig Millionen zur Verfügung stellen? Doch wohl nur, weil es sich darin bessere Einflussmöglichkeiten erhofft, meint Jahn-Rüdiger Albert. Der Nürnberger Jurist gab den Widerpart zu Meeske und mithin den Anwalt des mitgliedergeführten klassischen Fußballvereines. Albert vertrat damit die Initiative "Mein Club, mein Verein", die sich erst vor kurzem gegründet hat. Auf ihrer Homepage bietet sie an, bei den Weihnachtsfeiern der Fanclubs für ihre Argumente zu werben. Der FCN propagiert derweil mit einem Meeske-Interview auf der Homepage die Gegenposition - der Wahlkampf hat also längst begonnen.

"Hier wird so getan, als werde der Club wie ein Geflügelzüchterverein geführt", ärgerte sich Albert, der feststellte, dass "jede Form der Ausgliederung zur Aufgabe von Mitgliederrechten führt." Auch im Rahmen eines modernisierten e.V. könne man für Investoren attraktiver werden. Notwendigen Reformen verweigere man sich nicht. "Dass hier ständiger Wahlkampf herrscht, weil jedes Jahr drei Aufsichtsräte neu oder wiedergewählt werden, tut uns nicht gut."

Die Mehrheitsstimmung im "Südpunkt" ist an diesem Abend schwer auszumachen. In vielen Wortbeiträgen, nicht nur denen der Ultras, klingt die Angst vor einem Kontrollverlust durch, der dann nicht mehr rückgängig zu machen wäre. "Ich warte darauf, dass die Blase in England endlich platzt", sagt ein Mann, "aber das passiert wohl nicht." Bei anderen dominiert das Gefühl, dass man entweder den nächsten Schritt der Kommerzialisierung mitmachen muss, oder schon bald in der dritten Liga spielt. In einem Punkt waren sich allerdings alle einig: Dass jede Rechtsform missbraucht werden kann, wenn die Akteure inkompetent sind und Kontrollmechanismen versagen. "Es hängt immer von den handelnden Personen ab", sagte dann auch Meeske. Und Kontrahent Albert stimmte vehement zu.

Die nächsten Monate wird eine Arbeitsgruppe über das Für und Wider der Präsidiumspläne diskutieren. Vier Vereinsvertreter, drei im Losverfahren bestimmte interessierte Mitglieder sowie drei vom Fanbeirat benannte Vertreter werden dabei sein. Schon nächsten Sommer könnte dann die außerordentliche Mitgliederversammlung stattfinden, die die Ausgliederung beschließt. Oder eben nicht.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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