1. FC Köln:Singend ins Unterhaus

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Mit dem typisch bitteren 2:3 in Freiburg erlöst sich der 1. FC Köln von quälend langem Abstiegskampf. Die Gründe für die Seuchensaison sind vielschichtig - die Aussichten auf eine zügige Rückkehr aber gut.

Von Philipp Selldorf, Köln

"Denkt daran: Es gibt brutal viel Arbeit in der nächsten Saison", hat Martin Schmidt damals im Mai 2017 gesagt, "aber vorher könnt Ihr erst mal den ganzen Sommer feiern." Kurz darauf verließ der Trainer des FSV Mainz 05 eilig den Saal, in dem sich mehrere verdächtige Personen mit offensichtlich eindeutigen Absichten versammelt hatten, darunter ein großer, dunkelhäutiger Mann, der einen Plastikeimer voller Kölsch mitführte. Diesen Eimer entleerte er, als der passende Moment gekommen war, über dem Kopf seines Trainers Peter Stöger, der sich der Prozedur widerstandslos ergab.

Nichts anderes hatte Stöger erwartet, als er den Torjäger Anthony Modeste und die anderen Spieler seines Teams im Presseraum des Müngersdorfer Stadions erblickt hatte. In der Ecke stand Manager Jörg Schmadtke und schmunzelte.

So ging es zu, als sich der 1. FC Köln vor einem knappen Jahr für den Europacup qualifizierte. Niemand auf der Welt ahnte, dass sich der überwältigende Erfolg als die hinterhältigste aller Fallen erweisen sollte, mit der Konsequenz des größtmöglichen Misserfolgs.

Nun hat sich am Samstag in Freiburg - endlich, wie gesagt werden muss - das verrückte Schicksal des FC erfüllt, die 2:3- Niederlage beim Sportclub entlässt den Europacupteilnehmer Köln in die Zweite Liga. Nach dem quälend langen Abstiegskampf, der bisweilen der Agonie glich, war das definitive Ende fast eine Erlösung, und passend zum unglücklichen Saisonverlauf war es ein Spiel, das genauso gut andersrum hätte ausgehen können: Auf der einen Seite verpasste Claudio Pizarro in der Nachspielzeit den Kölner Siegtreffer, im Gegenzug gelang den Freiburgern das 3:2. Die betroffenen Spieler vergossen zum wiederholten Mal bittere Tränen, und in der Fankurve wurde die schönste und schwermütigste der vielen Kölner Nationalhymnen gesungen: "En unserem Veedel", eine Hymne voller Herzschmerz und Glückseligkeit.

Der Anfang vom Ende fand vor der Saison statt: Der Trainer war kraftlos, der Manager glücklos

Am Abend zuvor hatte der Freiburger Präsident Franz Keller die Kölner Klubvertreter zum Essen in sein Restaurant "Kellerwirtschaft" eingeladen und die Gäste nicht nur mit gutem Wein und Fisch und Fleisch, sondern auch mit tröstenden Worten versorgt. Viermal sei er mit dem Sportclub schon abgestiegen, sagte er, "und ich lebe immer noch".

Wollen mit China nix zu tun haben: Hennes und der 1. FC Köln. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Selbstredend haben sich die Kölner angemessen bedankt, aber Grund zur Dankbarkeit hat eigentlich der Sportclub, dem der FC in beiden Partien die Punkte überließ. Beim 3:4 im Hinspiel hatten die Kölner eine 3:0-Führung vertan, es war eines von mindestens 1000 schlüsselhaft erscheinenden Dramen in einer Spielzeit, die der Torwart Timo Horn zusammenfassend als "Scheiß-Saison" kennzeichnete. Manches Vorkommnis dieses FC-Jahres ist damit leider unzureichend beschrieben, Sterbe- und Krankenfälle erschütterten zudem das Vereinsleben.

Der Anfang vom sportlichen Ende deutete sich schon an, als der Saisonstart noch fern war. Während der Vorbereitung auf das Jahr mit Doppelt- bis Dreifachbelastung machte Peter Stöger nicht mehr mit der gleichen Überzeugung und Kraft seine Trainerarbeit wie in den vier Jahren zuvor. Den Erfolg des Vorjahres empfand er als Bürde, zugleich ging schleichend die Verbindung zum Sportchef Jörg Schmadtke verloren, der im Transfergeschäft einsame Entscheidungen traf.

Er stellte Stöger kommentarlos vor vollendete Tatsachen, der Trainer nahm es kommentarlos hin. Im Präsidium nahm man zwar wahr, dass es atmosphärische Probleme gab, aber wer wollte es wagen, die Erfolgsmenschen Stöger und Schmadtke in Frage zu stellen? Jetzt weiß man es besser: dass man Schmadtkes Alleingänge hätte stoppen müssen, einen Transfer wie den von Stürmer Jhon Cordoba für groteske 17 Millionen Euro Ablöse niemals hätte zulassen dürfen - und die Trennung vom seelisch erschöpften Trainer viel früher hätte vollziehen müssen.

Schmadtke hatte das im Herbst angeregt, aber seine Lösung hieß Bruno Labbadia, und den wollten die FC-Oberen nicht. So war schließlich Schmadtke der Erste, der gehen musste, während Stöger bis zum 15. Spieltag im Amt blieb. Seinem Nachfolger Stefan Ruthenbeck überließ er mickrige drei Punkte und eine physisch wie psychisch ausgezehrte Mannschaft. Ruthenbeck gelang es zwar, die Spieler für einen verzweifelten Abstiegskampf zu mobilisieren und immer wieder neue Hoffnung zu schüren, doch dem Druck des Gewinnen-Müssens hielt der Kader auf Dauer mental nicht stand.

Der 1. FC Köln und sein ganz besonderes Lustspieltheater in Müngersdorf werden der Bundesliga fehlen, aber die Aussichten sind realistisch, dass es ein schnelles Wiedersehen gibt. Eingeschworene Stammspieler wie Jonas Hector, Timo Horn und Marco Höger bleiben im Team, sie verzichten dafür vorläufig auf viel Geld und das Unterkommen in erstklassigen Ligen. Andere aus dem alten Europacup-Ensemble sind noch unentschlossen.

Den Angreifer Leonardo Bittencourt, 24, am Samstag in Freiburg Doppeltorschütze, würde der Klub gern behalten, doch das erste Angebot hat der Deutsch-Brasilianer verstreichen lassen. Die TSG Hoffenheim, Werder Bremen und Klubs aus England bemühen sich um ihn, eine Ausstiegsklausel in Höhe von acht Millionen Euro macht ihn zum Sonderangebot. Für Verteidiger Dominique Heintz, 24, gibt es ebenfalls Interessenten, auch er wäre dank einer Sondervereinbarung für jeden Abnehmer eine günstige Erwerbung. Die Kölner könnten es verschmerzen.

Sie werden die Multimillionäre der zweiten Liga sein. Eigenkapital, Transfererlöse und der neue Rettungsschirm der DFL für Erstliga-Absteiger lassen die Kölner relativ weich fallen, Manager Armin Veh arbeitet seit Monaten an den Personalplänen für den Wiederaufstieg. "Kommt schnell wieder" twitterte aus Manchester der Nationalspieler Ilkay Gündogan, "der FC gehört in die erste Liga." Solcher öffentlichen Beileidsadressen gab's viele am Wochenende, doch was Jörg Schmadtke bei der Nachricht vom Abstieg empfunden hat, das hat er nicht verraten, jedenfalls nicht den Kölnern.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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