1. FC Köln - Hannover 96 (15.30 Uhr):Für die Zeit nach Kind

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"Der Anspruch von Hannover 96 ist nicht zwingend, die ganze Saison im Abstiegskampf zu sein", sagt der neue Sportdirektor Martin Bader. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Bei Hannover 96 findet der neue Geschäftsführer Martin Bader sportlich eine ähnlich prekäre Lage vor wie zuletzt beim 1. FC Nürnberg. Immerhin sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser.

Von Frank Hellmann, Hannover

Martin Bader wohnt noch im Hotel. Und zwar in jener geschätzten Herberge direkt am Maschsee, die den kürzesten Fußweg zur Dienststätte bietet. Im Sommer ist die Terrasse an Spieltagen von Hannover 96 fast ausschließlich mit den Fans der "Roten" bevölkert, im Winter müssen Anhänger zwei Stunden vor Anpfiff kommen, um noch ein freies Plätzchen zu ergattern. Und wo immer man sich hier umhört: 96 ist zumeist das Gesprächsthema in dem Hotel, aus dem die meisten Zimmer einen direkten Blick auf die Arena bieten. Insofern ist der gebürtige Schwabe Bader also genau richtig, um ein Gespür für die Befindlichkeiten rund um den niedersächsischen Bundesligisten zu bekommen.

"Ich bin momentan am Sortieren und lerne den Verein kennen", verriet er jüngst als Gast der Sport1-Talkrunde "Doppelpass". Ständig treffe er Mitarbeiter, gehe in Besprechungen, lerne die Strukturen kennen. Bader wirkte entspannt, obgleich er seinen neuen Arbeitgeber, dem er offiziell seit dem 1. Oktober als Geschäftsführer Sport dient, in einer angespannten Phase erlebt. Vor dem Auswärtsspiel beim 1. FC Köln (Sonntag 15.30 Uhr) sind die Niedersachsen mit nur einem Sieg aus den ersten acht Spielen weiter Tabellenvorletzter.

In Frankfurt nicht vermittelbar

"Der Start war bisher nicht besonders prickelnd. Der Anspruch von Hannover 96 ist nicht zwingend, die ganze Saison im Abstiegskampf zu sein", sagt Bader. Der 47-Jährige mag über die Situation nicht klagen. "Man würde natürlich gerne bei einem Verein arbeiten, wo man sich zurücklehnen kann. Aber kannst du das in der Bundesliga?" Als ihn die Anfrage des mächtigen Präsidenten Martin Kind erreichte, der mittelfristig Befugnisse delegieren und Verantwortung abtreten möchte, hat Bader nicht lange gezögert. "Ich war nach elfeinhalb Jahren in Nürnberg in einer Situation, in der es für beide Seiten besser war, sich zu trennen." In Hannover soll er derjenige sein, der in der Zeit nach Kind das operative Geschäft verantwortet - sofern sich der 71 Jahre alte Hörgeräteunternehmer denn auch wirklich nach und nach zurückzieht.

Vereinfacht lässt sich das letzte Kapitel mit der Trennung im Frankenland fast als unvermeidlich bezeichnen. Wie in einer lange funktionierenden Ehe, bei der sich die Partner nach beidseitigen Enttäuschungen auseinandergelebt haben. Baders Wertschätzung in der Branche hat das nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Heribert Bruchhagen, der Vorstandsboss von Eintracht Frankfurt, hatte fest vor, Bader als seinen Nachfolger zu installieren. Doch eingedenk des Misserfolgs in Nürnberg war sein Favorit irgendwann nicht mehr vermittelbar. Bruchhagen bedauert das noch heute.

In Nürnberg lernte er alle Facetten des Geschäfts kennen

Bader hat Sportökonomie in Bayreuth studiert, er war vier Jahre lang beim Sportrechtevermarkter UFA tätig. Die Firma öffnete ihm 1998 die Tür bei Hertha BSC, wo er sich mit Fleiß und Zuverlässigkeit bis zum Leiter der Fußballabteilung hocharbeitete. Am 1. Januar 2004 begann er einst seine Mission beim 1. FC Nürnberg, wo Bader im Grunde alle, wirklich alle Facetten des Geschäfts kennenlernte - Triumphe wie den DFB-Pokalsieg 2007 oder Tragödien wie den Sturz in die zweite Liga im darauffolgenden Jahr. Es war ein ständiges Auf und Ab, in dem oft genug Bader als einer der wenigen den Durchblick bewahrte. Doch nach dem überflüssigen Abstieg 2014 traf auch er keine glücklichen Entscheidungen mehr.

Dass der Neustart in Hannover in eine Phase fällt, in der 96 im Abstiegskampf steht, kann Bader also nicht schocken. Und er weiß auch genau, dass die Debatten um Trainer Michael Frontzeck bereits wieder beginnen, sollte es am Sonntag im Rheinland einen Nackenschlag setzen, wo Baders Vor-Vorgänger Jörg Schmadtke mit Weitsicht einen harmonierenden Kader zusammengestellt hat. Bader dagegen muss damit leben, dass die maßgeblich von Dirk Dufner verantwortete Personalpolitik nicht allzu glücklich war. In vielen Mannschaftsteilen klemmt es, vor allem im Sturm besteht Handlungsbedarf.

Schon im Winter will Bader den Kader renovieren

Bader spricht bereits von Verpflichtungen in der zweiten Transferperiode, um einige Irrtümer zu korrigieren. Die wirtschaftliche Lage sei so, "dass man handlungsfähig sein kann". Sprich: Es ist Geld vorhanden. Bei fast 39 Millionen Euro liegt der Lizenzspieleretat; viel mehr also, als zu besten Zeiten beim 1. FC Nürnberg. Aber nicht nur neue Spieler soll der Geschäftsführer holen, sondern als Erstes will er sich einen so genannten Kaderplaner an seine Seite holen. Einen, der Spieler sichtet, mit Beratern verhandelt, das Scouting vorantreibt. Als Kandidat wird Christian Möckel genannt, der unter Bader genau diese Funktion beim 1. FC Nürnberg besetzt und dort noch vertraglich bis 2017 gebunden ist. Bader dementiert das Interesse an Möckel nicht. Gut möglich, dass der 42-Jährige also an die Leine wechselt.

Dennoch würde Bader dann noch einen weiteren Helfer suchen: einen Sportdirektor, der das "neue Gesicht" von 96 werden soll. Bei dieser Personalie wollen sich Bader und Kind aber Zeit lassen. Bis dahin will Bader auch nicht mehr im Hotel wohnen.

© SZ vom 18.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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