Sprachlabor (268):Immer diese -ismen

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Rettungskräfte laden am 19. Juni 2014 am Untersberg bei Marktschellenberg (Bayern) nahe dem Eingang zur Riesending-Höhle Ausrüstung in einen Polizeihubschrauber. Nach beinahe zwei Wochen war es den Rettern gelungen, Westhauser aus der Höhle zu befreien. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Letztlich war bei uns vom "Suizid-Tourismus" in die Schweiz die Rede. Leser K. findet dieses Kompositum "unsinnig, verniedlichend und diskriminierend".

Von Hermann Unterstöger

MANGELNDE KORREKTUR macht Leser K. dafür verantwortlich, dass die Rettung eines Höhlenforschers bei uns "Bergung" genannt worden war: Der Mann sei doch noch nicht tot gewesen. In alten Lexika wird das Bergen fast ausschließlich als seemännischer Begriff geführt, als Bezeichnung für das Einholen der Segel und die Sicherung sowohl der Schiffe als auch der Güter gescheiterter Schiffe; entsprechend definiert der Grimm Bergung als "servatio bonorum naufragorum". Andererseits nehmen Wörterbücher keinen Anstand, das Verb bergen so zu definieren: "retten, in Sicherheit bringen: den Hausrat, Verletzte, das Getreide vor dem Unwetter" (Duden). Wahrig führt Bergung in einem allgemeineren Sinn als "Rettung von Menschen und Material bei Unfällen", womit unser Höhlenforscher auch sprachlich auf der sicheren Seite sein dürfte.

ALS MANUEL NEUER von Schalke zu Bayern wechselte, sahen sich weite Teile der bundesdeutschen Presse in der Pflicht, das mit dem grausigen pseudobayerischen Titel "Oan Neuer" zu feiern. Bei manchen Eingeborenen weckte das die Erinnerung an Hanns von Gumppenbergs "Doch grüaßt mich z'letzt oan Oadelwoaß", die sich auch bei Herrn M. eingestellt haben mochte, als er jetzt in einem Text gleich zweimal "der Obazda" lesen musste. Wäre der Verfasser ein Norddeutscher gewesen (oan Preiß, um es mal so zu sagen), hätten wir die Sache auf sich beruhen lassen. Da es aber ein Bayer war, wurde er einbestellt und erst freigelassen, nachdem er fünfzigmal den Satz "Boi i an Obazdn häd, deklinierate'n sauba" durchkonjugiert hatte.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

KOMPOSITA mit -tourismus laufen einem schnell in die Feder, besonders wenn man ein Phänomen wie etwa die im Katastrophentourismus obwaltende Schaulust kritisieren will. Leser Dr. K. kritisiert nun so ein Kompositum selbst, nämlich den bei uns beschriebenen "Suizid-Tourismus" in die Schweiz. Da Tourismus mit Unterhaltung, Lust und Zeitvertreib verbunden werde, sei der Begriff "unsinnig, verniedlichend, ja diskriminierend". Nach einer oft zitierten Definition fasst Tourismus "alle Reisen, unabhängig von ihren Zielen und Zwecken, zusammen, die den zeitweisen Aufenthalt an einem anderen als dem Wohnort einschließen und bei denen die Rückfahrt Bestandteil der Reise ist" (Jörn W. Mundt). Bei Reisen dieser Art ist die Rückfahrt, jedenfalls die reguläre, praktisch ausgeschlossen.

© SZ vom 20.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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