Sprachlabor (252):Untergründig schwingt die Frage mit

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Nikolaus Brender (Chefredakteur des ZDF von April 2000 bis März 2010) in einem Fernsehstudio in Berlin während eines Fototermins (2009) für die Sendung "Ich kann Kanzler". (Foto: ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger hält einen Lösungsweg parat.

Hermann Unterstöger

ALL DIE JAHRHUNDERTE war das Verb können auf der sicheren Seite, sei es als Vollverb ("sie kann Russisch"), sei es als Modalverb ("er kann davon nur träumen"), und es hatte den Anschein, als ginge das bis ans Ende der Tage so weiter. Dann trat das ZDF auf den Plan, und zwar mit der Show "Ich kann Kanzler", deren erste Staffel jener Steffen Seibert moderierte, der später, nach Ansicht jedenfalls der Kanzlerin, Regierungssprecher konnte. Die Verbindung kann + Substantiv wurde als fehlerhaft durchschaut, fand in ihrem verqueren Charme aber ähnlich viele Freunde wie seinerzeit die Formulierung "Da werden Sie geholfen". Dass diese Freunde vornehmlich in den Medien sitzen, wird niemanden wundern, manche jedoch ärgern. Eine davon ist Leserin B., die in einem einzigen Text die Sätze "Er kann Talkshow" und "Kann so einer Kommissionspräsident?" fand. Ihre Reaktion klingt versöhnlich, doch schwingt untergründig die Frage mit: Kann so einer SZ?

SENATOR RAND PAUL nannte Bill Clinton ein sexuelles Raubtier und sprach den Demokraten jede Glaubwürdigkeit in Bezug auf Fraueninteressen ab, "wenn sie sich mit diesem Mann umgeben". Leser K. stellte das vor das Rätsel, ob sich Tausende von Demokraten mit nur einem Mann, und sei er gleich ein Raubtier, umgeben können. Der Lösungsweg führt über jenen Betrunkenen, der sich mit beiden Händen an einer Litfaßsäule entlangarbeitet und der, als er kein Ende findet, jämmerlich aufschreit: "Hilfe, ich bin eingemauert!"

AUS TRAURIGEM ANLASS wurde die Frage gestellt, warum türkische Kohleminen Todesfallen seien, eine Frage, die unseren Leser W. zu einer Antwort ganz anderer Art animierte. Herr W., der in Nordrhein-Westfalen lebt, schrieb mit spürbarer Empörung, dass es sich zu leicht mache, wer das englische coalmine eins zu eins mit Kohlenmine wiedergebe. Im Deutschen heiße das Kohlebergwerk oder Zeche , und auch der Begriff Kohlegrube sei falsch, weil es sich bei dem Bergwerk in Soma nicht um eine Grube (Tagebautechnik) handle, sondern um Untertagebau (Schachtbau). Unser "grässliches Deutsch", so Herr W., mag damit zu tun haben, dass auch der Brockhaus die Mine als Bergwerk, Erzlager, unterird. Gang definiert. Bei Wikipedia schließlich ist zu lesen, dass Mine von lateinisch mina gleich Erzader abstammt. Laut Georges' Wörterbuch ist das aber "Bauernlatein".

© SZ vom 31.05/01.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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