Schach:Schachgenie Carlsen: Norwegens Antwort auf Beckham

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Oslo (dpa) - Er ist Norwegens Antwort auf Mozart, David Beckham und Matt Damon. Schachgenie Magnus Carlsen verblüfft die Öffentlichkeit so sehr, dass Vergleiche mit Weltstars herhalten müssen, um den 22-Jährigen zu beschreiben.

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Oslo (dpa) - Er ist Norwegens Antwort auf Mozart, David Beckham und Matt Damon. Schachgenie Magnus Carlsen verblüfft die Öffentlichkeit so sehr, dass Vergleiche mit Weltstars herhalten müssen, um den 22-Jährigen zu beschreiben.

Carlsen spiele so virtuos wie Mozart. Beim Werbeshooting für eine Modemarke sehe er so gut aus wie David Beckham, außerdem habe er die Statur und das zurückhaltende Lächeln eines Matt Damon.

Aber damit hat es sich auch schon. Eigentlich hat der Norweger keinen besonders hohen Celebrity-Faktor. Er spielt einfach nur Schach. Aber das eben verdammt gut. So gut, dass er von Samstag an den indischen Weltmeister Viswanathan Anand herausfordert. Das WM-Duell in Anands Heimat Chennai ist auf zwölf Partien angesetzt.

Der „Tiger von Madras“, wie Anand auch genannt wird, ist seit 2007 Weltmeister, doch die Weltrangliste des Weltschachbundes FIDE wird seit vier Jahren von Carlsen angeführt. Im Februar dieses Jahres erreichte der Norweger eine Elo-Zahl von 2872 Punkten, die höchste in der Geschichte. Die Elo-Zahl beschreibt die Stärke eines Schachspielers, also sein wahres Können. Der 22-Jährige aus Bærum bei Oslo erwartet eine „harte Prüfung“. Schließlich kennt er den 21 Jahre älteren Anand von zahlreichen Trainingspartien. Carlsen hat sich akribisch auf das Duell der Generationen in Chennai vorbereitet. Zu verbissen will er das Ganze nicht sehen. „Ich glaube, dass man auch mit der Einstellung Weltmeister werden kann, dass Schach Spaß macht“, sagte er in einem Interview der Zeitung „Die Zeit“.

Dabei hat ihm das Schachspielen am Anfang gar keinen Spaß gemacht. Sein Vater hatte ihn zum ersten Mal als Fünfjährigen vor das schwarz-weiße Brett gesetzt. „Ich hab's nicht ganz begriffen“, erinnerte sich Carlsen. Damals konnte er bereits die Namen aller Hauptstädte aufzählen. Mathematik-Aufgaben löste er nur so zum Spaß. Als er acht Jahre alt wurde, unternahm sein Vater einen neuen Anlauf und hatte mehr Erfolg. „Meine große Schwester spielte auch Schach, und ich wollte machen, was sie macht. Und so fand ich es immer interessanter und verstand immer mehr.“

Zuerst schlug Magnus seine Schwester, dann seinen Vater, mit 13 wurde er Internationaler Großmeister im Schach, der jüngste seiner Zeit. Turnier folgte auf Turnier und Sieg auf Sieg. Er spielte gegen die ganz Großen und beeindruckte: „Carlsen ist so charismatisch und unabhängig, wie er talentiert ist“, musste der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow eingestehen. Der Russe hatte es nicht geschafft, Carlsen als 13-Jährigen zu schlagen. Später wurde er sein Trainer.

Wettbewerb, so scheint es, ist ihm ein größerer Antrieb als der Erfolg an sich. „Ich genieße es, wenn ich sehe, dass mein Gegner leidet. Wenn er weiß, dass ich gewinnen werde“, gestand Carlsen in einem Interview mit britischen Medien. Anders sieht es aus, wenn ihn das Glück verlässt. „Wenn ich auch nur ein Spiel verliere, ist es wie Krieg, ich will einfach nur Rache.“ Doch das sei auch ein Ansporn. Dem norwegischen Sender NRK sagte er: „Ich ärgere mich immer noch grün über alle meine Fehler. Aber das motiviert mich auch, besser zu werden.“ Sein ehemaliger Trainer Simen Agdestein, der selbst mit 15 Jahren norwegischer Meister wurde, ist froh, dass Carlsen nicht nur die Karriere im Blick hat: „Schon als 10-Jähriger war er darauf konzentriert, das Spiel zu meistern und nicht darauf, Großmeister zu werden“, sagte er dem NRK. „Ich glaube, Magnus wird bleiben, der er ist. Er wird auch nach Jahren noch neugierig sein, dieses Spiel zu erforschen.“

Doch wer ist dieser Magnus Carlsen wirklich? Das „Time Magazin“ hat den 22-Jährigen im April auf die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gehievt. Warum erschließt sich nicht so ganz. Kinderjournalisten der „Aftenposten“ verriet er, dass er eigentlich den ganzen Tag ans Schachspielen denkt. Ansonsten hält er seinen Körper in Form: Er spielt Fußball, läuft Ski oder übt sich an der Kletterwand. Mit einer Freundin im Arm wurde er noch nie gesehen. Auch über seine Zukunftspläne spricht er nicht.

Dafür sprechen andere gern über ihn. Ex-Weltmeister Kasparow hat große Hoffnung: „Wenn er die Faszination für das königliche Spiel wieder aufleben lassen kann, dann werden wir bald in der Carlsen-Epoche leben.“

Fakten und Daten der Schach-Weltmeisterschaft im Überblick:

Der Schach-Champion Viswanathan Anand bekommt es am Samstag vor heimischem Publikum im indischen Chennai bei der Schach-WM mit dem Norweger Magnus Carlsen zu tun.

WELTMEISTER: Der im indischen Madras geborene Viswanathan Anand, 43 Jahre alt, ist seit 2007 Schach-Weltmeister und konnte seinen Titel bereits dreimal erfolgreich verteidigen. Anand belegt derzeit den 8. Platz in der Weltrangliste des Weltschachbundes FIDE.

HERAUSFORDERER: Magnus Carlsen, 22 Jahre alt, wurde 1990 in Tønsberg geboren. Der Norweger galt als Wunderkind und wurde bereits mit 13 Jahren Schachgroßmeister. Carlsen führt seit vier Jahren die FIDA-Weltrangliste an.

DOTIERUNG: Der Wettkampf ist mit 1,85 Millionen Euro dotiert, der Sieger erhält ein Preisgeld von 1,1 Millionen Euro.

ORT: das Fünf-Sterne-Hotel Hyatt Regency im indischen Chennai.

MODUS: Von Samstag bis zum 26. November sind zwölf Partien angesetzt. Der Sieger eines Spiels bekommt einen Punkt, bei einem Unentschieden wird der Punkt geteilt. Weltmeister wird derjenige, der zuerst 6,5 Punkte erreicht. Im Falle eines 6:6 nach den zwölf Partien entscheiden mehrere Schnellschach- und Blitzschachpartien.

ZEIT: Das erste Spiel startet am Samstag (9. November) um 10.30 Uhr (MEZ).

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