Mein Deutschland:"Grüß Gott" und "selam aleyküm"

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In Bayern grüßt man sich wie in der Türkei mit dem Namen Gottes - bei weitem nicht die einzige Parallele.

Celal Özcan

Als ich Ende der siebziger Jahre nach Bayern kam, verblüffte mich, wie sehr sich Bayern und Türken ähnelten, fast, als seien sie miteinander verwandt. Überall sah man Fotos von Franz Josef Strauß. Da schau her, dachte ich, die Bayern haben also auch ihren Atatürk! Neben Strauß hing oft noch ein Porträt des Märchenkönigs Ludwig - wie in der Türkei das Bild von Fatih Sultan Mehmet, dem Eroberer Istanbuls. Da kann es kein Zufall sein, dass dort Atatürk der "Vater der Türken" ist und hier der Ministerpräsident "Landesvater" heißt.

Mitglieder der bayerischen Königstreuen e.V. formieren sich mit einer bayerischen Rautenfahne und dem Bild ihres Idols, dem Märchenkoenig Ludwig II., zu einem Gedenkmarsch. Sie haben sich das Gedenken an die bayerische Monarchie sowie die Pflege von Tracht und Mundart auf ihre Fahnen geschrieben. (Foto: Foto: ap)

Wie die Türkei hat auch Bayern seinen Osten. Die Ober- und Niederbayern fühlen sich als die echten Bayern, als Urbevölkerung. In ihren Augen sind die Franken nicht satisfaktionsfähig. Und wer wollte schon in eine Region investieren, deren Randlage geopolitisch so prekär war? Die Franken waren - und sind - die Kurden Bayerns. In hohen politischen Ämtern können sie sich nur behaupten, wenn sie sich urbayerisch geben: Ein fränkischer Landesvater konnte sich kaum ein Jahr im Amt halten. Dass die dazugehörige Landesmutter sich dem Dirndl widersetzte, kostete Wählerstimmen. Auch ein Kurde, der in der Türkei ein politisches Amt anstrebt, muss möglichst urtürkisch sein.

"Mir san mir" - das klingt nicht weniger stolz und selbstbewusst als die Atatürk zugeschriebene Ermunterung: "Glücklich, wer sagen kann, ich bin ein Türke". Und die Bayernhymne kann es mit dem Pathos der türkischen Nationalhymne leicht aufnehmen ("O Halbmond, ewig sieggewohnt, scheine uns freundlich und schenke Frieden uns und Glück.") Schließlich begrüßt man sich hier wie dort im Namen Gottes: "Grüß Gott" und "selam aleyküm".

Der bayerische Schuhplattler hat frappierende Ähnlichkeit mit dem türkischen Zeybek, bei dem gleichfalls die Männer in die Luft springen und sich auf die Schuhsohlen schlagen. Auch die Zeybek-Tänzer tragen eine kurze Hose, knielang oder vier Finger breit unterhalb des Knies. Die bayerischen Trachten sind genauso bunt wie die türkischen. Der bayerische Hut entspricht dem türkischen Fes, das Dirndl ist dem Üçpes zum Verwechseln ähnlich.

Die Brauhauskultur wiederum ist ein Spiegelbild der türkischen Kaffeehauskultur. Bierlokale und Kahvehanes werden vorzugsweise von Männern besucht, nur dass in letzteren Tee in kleinen, bauchigen Gläsern angeboten wird, in ersteren Literkrüge randvoll mit Bier. Die bayerische Breze ist eine nahe Verwandte des türkischen Simit, des Sesamkringels. Sesam anstelle von Salz und nicht so dunkel gebacken, aber das sind Peanuts: Die Salzbreze passt zum Bier, der Sesamkringel zum Tee.

Ob nun die Türken die Urbayern oder die Bayern die Urtürken sind, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Aber es verrät schon viel, dass die Integration der Deutschtürken in Bayern bestens gelungen ist. Man fühlt sich eben wie zu Hause. Verständlich also, dass die CSU, die selbsterklärte Partei der Bayern, sich gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türken sperrt. Die Bayern vertreten ja bereits die Türken in der EU.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben an dieser Stelle jeden Samstag über Deutschland. Celal Özcan arbeitet für die türkische Zeitung Hürriyet.

© SZ vom 11.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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