Mein Deutschland:Entdeckungen im Niemandsland

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Eine Expedition in die vergessene Mitte Deutschlands: Zu Besuch an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze.

Kate Connolly

Kürzlich begab ich mich auf eine magische Entdeckungsreise durch eine dicht bewaldete Landschaft. Ich traf kräftige Förster und leicht verschrobene Naturliebhaber, die mich erfreuten mit ihren Abenteuergeschichten aus einer früheren Zeit und ihrem Leben an der Schwelle zu einer abgeschiedenen, heute nicht mehr existierenden Welt.

Die Landschaft an der ehemaligen Grenze hat für Besucher einiges zu bieten (Foto: Foto: dpa)

Wir schlenderten durch Orte, die in keinem meiner Reiseführer erwähnt sind und begegneten seltenen Tieren wie Luchsen, schwarzen Störchen, Wildkatzen und Waldeidechsen. Wir besuchten Gemeinden, deren Bewohner früher über Nacht einfach eingesperrt wurden, passierten Wachtürme und Abhörstationen, von denen aus einst das Land überwacht wurde, und sahen wunderschöne Fachwerkhäuser und verlassene Burgen.

Wir hörten die Geschichte eines vergifteten Papstes, erfuhren von einem Bankmanager, dem eines Tages befohlen worden war, in seinen eigenen Safe einzubrechen, um der Masse das sogenannte Begrüßungsgeld auszahlen zu können, und wandelten auf den Spuren der Köhler aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Unsere Wanderung führte uns durch Landstriche, die für mich, aber auch für meinen deutschen Begleiter völlig unbekanntes Gebiet waren. Und dabei sind wir gar nicht sonderlich weit gereist: wir erkundeten die deutsch-deutsche Grenze.

Als ich Freunden und Kollegen von unserem Vorhaben erzählt hatte, kratzten sich einige fragend am Kopf. "Die deutsch-deutsche Grenze? Klingt nicht gerade sehr spannend. Wo verläuft die nochmal?"

Wir wollten das Grüne Band erkunden, eine Wanderroute, die entlang des rund 1400 Kilometer langen, holprigen Kolonnenwegs vom Vogtland zum Baltischen Meer angelegt wurde. Am Ende des viertägigen Trips kam es uns vor, als hätten wir Deutschland neu entdeckt. Eine organisierte Gruppe von deutschen Naturschützern hat den Wildwuchs zurückgeschnitten, der seit dem Ende des Eisernen Vorhangs Stück für Stück jede Spur der früheren Grenze verschluckt hatte.

So haben sie ein wahrlich überwältigendes Denkmal jüngerer europäischer Geschichte erhalten und eine einzigartige Kette von Biotopen zugänglich gemacht. Während der Jahrzehnte deutscher Trennung wurde im Schatten der Metallzäune und Wachtürme, direkt neben Minenfeldern, nicht weniger als 600 bedrohten Tier- und Pflanzenarten Freiheit gewährt.

In der schönen früheren Grenzstadt Homburg in Niedersachsen erzählte uns ein Förster im Ruhestand die Geschichte des dort im Jahre 1005 geborenen reformistischen Papstes Clemens II., der wegen seiner Ansichten angeblich vergiftet wurde. Im lokalen Museum lasen wir Artikel aus dem Wolfenbütteler Anzeiger vom 17. November 1989, acht Tage nach dem Mauerfall. "Reisewelle aus der DDR rollt westwärts", lautete eine Überschrift.

Mein Lieblingsort auf der Reise, die uns durch den Harz über ein aus einer früheren NVA-Baracke entstandenes Luxushotel in Ilsenburg und weitere Ortschaften bis nach Duderstadt führte, ist die mittelalterliche Stadt Osterwieck in Sachsen- Anhalt. Dort wurden wir von der Osterwiecker Zeitung interviewt. Der Lokalreporter schrieb über mich: "Im Ergebnis hofft sie, ihre Landsleute auch mal in diese ländliche Gegend zu locken." Gerne gebe ich weiter, was ich auf der Reise über die versteckten Schätze, die Deutschland zu bieten hat, gelernt habe.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben an dieser Stelle jeden Samstag über Deutschland. Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 14.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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