Jahreswechsel:Analyse: Der gefühlte Dauerstreik mag nicht zu Ende gehen

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Frankfurt/Main (dpa) - Nach dem Streik ist vor dem Streik, selten hat dieser Satz so gut gepasst wie im Jahr 2014.

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Frankfurt/Main (dpa) - Nach dem Streik ist vor dem Streik, selten hat dieser Satz so gut gepasst wie im Jahr 2014.

Im steten Wechsel haben Lokführer der Deutschen Bahn und Piloten der Deutschen Lufthansa die Kunden ihrer Arbeitgeber und die Öffentlichkeit in Atem gehalten mit immer neuen und gelegentlich auch wieder abgesagten Streiks.

Die Piloten kommen seit April inklusive einer nur kurzfristig wieder abgesagten Runde auf acht Streiks, die Lokführer haben bislang sechs Mal mit steigender Intensität den Schienenverkehr lahmgelegt.

Im internationalen Vergleich wurde aber auch 2014 in Deutschland vergleichsweise wenig gestreikt, sind sich die Experten einig. „Die Zahlen halten sich auf einem annähernd gleichen Niveau“, sagt beispielsweise Heiner Dribbusch vom WSI-Tarifarchiv der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung. Die kleinen Spartengewerkschaften seien allerdings deutlich aggressiver, sagt Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.

Dass die Dauerstreiks in der Infrastruktur statistisch kaum ins Gewicht fallen, liegt daran, dass sie von relativ kleinen Berufsgruppen geführt werden. Die Piloten bringen gut 5000 Leute an die Urabstimmungsurnen, die GDL vertritt bei der Bahn 15 500 Lokführer und einige tausend Mitarbeiter aus dem weiteren Zugpersonal. Eine heftige Warnstreikwelle in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren 3,7 Millionen Beschäftigten, wie sie möglicherweise im Februar/März 2015 wieder ansteht, lässt die Zahl der ausgefallenen Arbeitsstunden viel stärker nach oben schnellen, als es Lokführer und Piloten je vermochten.

Die Auswirkungen ihrer Streiks sind aber nah an den Passagieren und damit äußerst öffentlichkeitswirksam. Schon die Streikdrohung ist Gift für die Fluggesellschaften Lufthansa und Germanwings, weil die Passagiere natürlich nach anderen Wegen an ihre Ziele suchen. Rund 170 Millionen Euro hat der Arbeitskampf den Luftverkehrskonzern bereits gekostet. Auch die Bahn brütet nach GDL-Streikdrohungen sofort über Sonderfahrplänen und muss ihre täglich rund 7 Millionen Fahrgäste so schnell wie möglich informieren. Lieferengpässe in der Industrie treten erst nach mehreren Tagen Streik auf.

Nicht allzu große Hoffnungen sollten die vom Streik genervten Bürger auf die Tarifeinheits-Initiative der Bundesregierung setzen: Sowohl bei den Piloten wie auch bei den Lokführern haben die Vereinigung Cockpit und die GDL so starke Mehrheiten, dass sie auch in Zukunft Verträge abschließen werden.

Angesichts der Pläne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) versucht die GDL besonders entschlossen, ihre Einfluss-Sphäre auszuweiten. Statt der Lokführer will sie nun das ganze Personal der DB-Zugbetriebe vertreten und der verfeindeten EVG nur die Beschäftigten der monopolisierten Infrastruktur etwa bei Netz, Wartung und in den Bahnhöfen überlassen. Die Bahn findet sich im Ringen um einheitliche Tarifverträge nun in einer schwierigen Vermittlerposition zwischen den rivalisierenden Gewerkschaften.

Die Lufthansa sieht Wachstumschancen nur noch in Servicebereichen wie Technik und Catering sowie bei Billigflügen. Teure, mit allen Segnungen des Konzerntarifvertrags ausgestattete Piloten kann sie auf diesem Kurs nicht gebrauchen. Der Markenkern Lufthansa wird in den kommenden Jahren bestenfalls nicht schrumpfen, was für die Piloten auch schlechtere Aufstiegschancen bedeutet. Weil ihnen die ganze Richtung nicht passt, verteidigen sie ihre Besitzstände beinhart.

Ein Ende der Arbeitskämpfe ist auch zum Jahresende nicht absehbar. Immerhin wird in beiden Unternehmen wieder miteinander gesprochen.

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