22. Juli 2009:Umverteilung von unten nach oben

Lesezeit: 4 min

Scheindiskussion über die Rente: Den Ruhestand erst mit 67 oder gar 69 genießen? Ein Thema, das bei den SZ-Lesern für Gesprächsstoff sorgt.

Zum Thema Renten ( Die Gekniffenen der Zukunft", 14. Juli und " Eins + eins = drei", 15. Juli) schreiben SZ-Leser:

Den Ruhestand erst mit 67 oder gar mit 69 genießen? Über die Rente wird heftig gestritten. (Foto: Foto: dpa)

"Was im Jahr 2050 in unserer Gesellschaft verteilt werden kann, hängt vor allem von der Entwicklung der Wirtschaft (Produktivität und Wachstum), von der Erwerbstätigen-Quote (Arbeitslosigkeit) und von der Lohnquote (Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt) ab. Wie im Jahr 2050 das Bruttoinlandsprodukt verteilt wird, hängt vor allem von den politischen Mehrheiten ab, die dann über Steuern und Abgaben, über Beiträge und Leistungen der Sozialversicherungen, über Mindestlöhne, über Familienförderung, Erziehung und Pflege und über Bildung und Forschung entscheiden werden. Die Tatsache, dass die Menschen heute länger leben und weniger Kinder haben als früher, begründet allein noch keinen Sachzwang zur Veränderung des Rentensystems.

Das bestätigt ein Blick zurück: In den letzten Jahrzehnten wurden die Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit verkürzt, obwohl die Lebenserwartung der Rentner und Rentnerinnen und damit ihre Rentenbezugszeit stiegen - letztere von zehn auf 17 Jahre zwischen 1960 und heute. Die Löhne und Gehälter der arbeitenden Bevölkerung und die Renten stiegen in dieser Zeit beträchtlich. Das alles war möglich, weil die wachsende Produktivität die demographische Entwicklung in diesen Jahrzehnten mehr als ausgeglichen hat: Gegenüber 1960 wird heute in den alten Bundesländern mit nur 89 Prozent der Arbeitszeit das Dreifache an Produkten und Leistungen (Bruttoinlandsprodukt) erwirtschaftet.

In der Diskussion über die Rente mit 67 wird die künftige Produktivitätsentwicklung jedoch nicht berücksichtigt. Dass Politiker ebenso wie Wirtschaftsprofessoren und -journalisten bei der Diskussion über die demographische Entwicklung und die zukünftigen Renten diesen Faktor nicht erwähnen, stärkt den Verdacht, dass es in Wahrheit um ein Programm zur Rentenkürzung und zur Entlassung der Arbeitgeber aus ihrer Verpflichtung zur gemeinsamen Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung geht, also um eine Fortsetzung der anhaltenden Umverteilung von unten nach oben."

Peter Conradi Stuttgart

Versuchte Verdummung der Rentner

"Als Rentner halte die Diskussion über die 'Rentenkürzung' bei nachhaltiger sehr schlechter Wirtschaftslage in Deutschland für sinnvoll und berechtigt. Wir sollten aber die Diskussion erweitern auf den Kreis derer, die ihr Einkommen aus Steuergelder beziehen, also etwa Bundestagsabgeordnete, Minister, Staatssekretäre, Beamte, 'Hartz-IV-Empfänger', Lehrer, Richter, Soldaten und Altersbezugsempfänger, die durch die immer höhere Verschuldung des Staates unsere Kinder, Enkel und Ur-Enkel sehr nachhaltig belasten. Ich halte es für falsch, die Rente als Leistung oder 'Wohlwollen' des Staates zu bezeichnen. Die Rentner und die Arbeitgeber haben Jahrzehnte lang in eine Versicherung eingezahlt und erhalten daraus nun eine Leistung wie bei allen anderen Versicherungen auch. Zugeben, diese Versicherung wurde vom Staat teilweise zweckentfremdet und schlecht verwaltet. Sollte man vielleicht Anzeige erstatten wegen Unterschlagung gegen die verantwortlichen Politiker und Führungspersonal aus der Rentenversicherung?

Das Gesetz zur Rentengarantie ist eine versuchte Verdummung der Rentner. Gesetze kann man beschließen und genauso schnell wieder abschaffen."

Bernd Hunck Grünwald

Warum das Rentenniveau seit 30 Jahren sinkt

"Seit mehr als 50 Jahren plündern die Politiker unsere Rentenkassen, um Sozialfälle zu finanzieren, die eigentlich aus Steuermitteln, also von allen Bürgern, getragen werden müssten. Und wenn einige Politiker behaupten, dass der Bund die Rentenversicherung mit 80 Milliarden Euro im Jahr subventioniert, dann sind sie schlecht informiert. Der sogenannte Bundeszuschuss für unsere Rentenversicherung beträgt laut Haushaltsplan 56,4Milliarden Euro und reicht bei weitem nicht aus, die sogenannten versicherungsfremden Leistungen zu finanzieren. Auch im vergangenen Jahr war die gesetzliche Rentenversicherung mit rund 26 Milliarden Euro mehr belastet. Insgesamt haben unsere Politiker seit 1957 rund 700 Milliarden Euro von unseren Rentenbeiträgen für andere Zwecke abgezweigt.

Es ist also genügend Geld im System, es wird von der Politik nur falsch verwendet. Hier findet eine gigantische Umverteilung von den Arbeitnehmern und Rentnern hin zu den staatlichen und gesellschaftlichen Eliten statt. Und nur deshalb muss das Rentenniveau seit 30 Jahren regelmäßig abgesenkt werden. Wer erinnert sich denn noch, dass bereits 1978 das erste Mal die Rentenanpassung ausgesetzt wurde und seitdem regelmäßige Eingriffe in das Rentenrecht erfolgten? Und das trifft die Arbeitnehmer genau so wie die Rentner, denn jeder Eingriff bei den Rentnern entwertet auch alle Beiträge der Versicherten. Wenn also Jungpolitiker zum Kampf gegen die Rentner aufrufen, wollen sie gleichzeitig die Rentenansprüche der Aktiven weiter kürzen, aber das sagen sie natürlich nicht. Für sich selbst nehmen auch sie selbstverständlich andere, wesentlich bessere Regelungen in Anspruch. Und weil die Redakteure in Presse und Fernsehen ebenfalls von dem Zwei-Klassenrecht profitieren, gibt es in den Medien keine fairen Berichte zum Thema Rente."

Otto Teufel München

Die Jungen wollen Spaß, aber keine Kinder

"Die Renten werden heute von den geburtenstarken Jahrgängen verdient - aufgezogen unter manchem Verzicht von heutigen Rentnern. Die heute Jungen verzichten auf kein Vergnügen, aber auf den eigenen Nachwuchs: Da fehlen eben ihre Rentenverdiener!"

Ulrich Schächterle Diedorf

Vererbt wird auch eine gesunde Volkswirtschaft

"Künftige Generationen erben von der "alten" Generation nicht nur Renten-Beitragszahlungen, sondern auch einen technisch entwickelten und 'Wohlstand für alle' ermöglichen den volkswirtschaftlichen Produktionsapparat, von dem junge Generationen anderer Länder nur träumen können."

Gerhard Kilper Erbach

Der soziale Frieden im Land wird gefährdet

"Die Bundesbank-Initiative für eine Rente ab 69 Jahren ist nicht nur dumm, sie gefährdet den sozialen Frieden im Land.

Dieser unverantwortliche Vorschlag treibt Millionen Bürger in die garantierte Altersarmut.

Denn in Deutschland gibt es immer weniger Vollzeitarbeitsplätze und leider immer mehr Billig-Jobs, Praktika und befristete Minijobs von denen kein Mensch mehr leben kann.

Die Herren der Bundesbank mit ihren Millionen-Gehältern hätten keine Probleme schon mit 50 Jahren in Rente zu gehen.

Wer derartig unsoziale Ideen hat, braucht sich nicht zu wundern, wenn diese Gesellschaft nicht nur an den Rändern auseinanderbricht und Gewalt als Mittel der Politik wie im Nachbarland Frankreich oder England ausgeübt wird."

Albert Alten Wernigerode

Vieles in diesem Land ist hausgemacht

"Dem Kommentar von Marc Reise muss teilweise entschieden widersprochen werden.

Er hat wohl übesehen,dass Deutschland (und nur Deutschland !) eine Beitragsbemessungsgrundlage für Arbeits- Einkommen hat. Also bleiben darüber hinaus die und die das wollen von den Rentenbeiträgen verschont. Andernfalls würde der Beitragssatz um die Hälfte sinken! Abgesehen davon, dass durch die Vereinigung Deutschlands hauptsächlich die Rentenkasse geplündert wurde.

Rentenanpassungen erfolgten über die Jahre hinweg richtigerweise auf Grund steigender Löhne, die wiederum auch von den Preisen abhängig waren. Mitverdient hat dabei auch die Politikerlobby!

Ein sinkender Rentenanspruch bedingt auch ein sinkendes allgemeines Preisniveau und auch die Kürzung der Politikerpensionen sowie deren monatliche Saläre.

Allerdings muss generell eine Untergrenze für geringere Einkommen gezogen werden.

Auch die alle vier Jahre zur BT- Wahl wiederkehrende indiskutablen Rentendebatten wären völlig überflüssig, wenn Politik und Lobby endlich ihren Beitrag leisten würden, aber das wollen sie bewußt nicht. Vieles in diesem Land ist hausgemacht, auch dieses ' Problem '."

Dipl.-Ing.(FH) Eckhard Steglich Buchloe

© SZ vom 22.07.2009/ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: