Wieder Reisen nach Tunesien:Strand, Sonne, Stolz

Lesezeit: 4 min

Die ersten deutschen Urlauber kehren nach Tunesien zurück. Sie sollen alte Vorzüge erleben - und neue Werte.

Mounia Meiborg

Die Stewardess sagt beim Anflug: "Willkommen im freien Tunesien." Fünf Wochen ist es her, dass der Diktator Ben Ali aus dem Land floh. Fünf Wochen, in denen die Tunesier jubelten, gegen die Übergangsregierung demonstrierten, in Zeitungen mit dem alten Regime abrechneten. Fünf Wochen, in denen das kleine Land im Norden Afrikas Weltgeschichte geschrieben hat. Es waren aber auch fünf Wochen, in denen keine Urlauber kamen.

Urlaubstipps für 2011
:Da soll die Reise hingehen

Blick in die brodelnde Lava, Kirchen in Felswänden, spektakuläre Safaris und Strände, zum Träumen schön: Diese Länder sind 2011 einen Besuch wert.

Katja Schnitzler und Daniela Dau

15.000 von 350.000 Menschen, die in der Tourismusbranche arbeiten, haben ihren Job verloren. Viele weitere fürchten sich davor. 40 Prozent aller Arbeitsplätze im Land hängen direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Touristen sind entscheidend für die Wirtschaft. Wirtschaft ist wichtig für die Sicherheit. Und Sicherheit ist nötig, damit die Touristen wiederkommen.

Wegen der anhaltenden Proteste wurden sie im Januar aus dem Land geflogen. Seit vergangener Woche sind wieder Franzosen da; diese Woche fliegen die ersten deutschen Reiseveranstalter.

Im Moment sehen die Europäer im Fernsehen vor allem Bilder von Flüchtlingen und Protesten. Deshalb startet der neue Tourismusminister Mehdi Houas Kampagnen, die das Bild des freien Tunesiens verbreiten sollen. Er hat die EU aufgerufen, sein Land wirtschaftlich zu unterstützen. Sein Werbeslogan für Touristen: "Ich revolutioniere meinen Terminkalender und reise nach Tunesien."

Die Avenue Habib Bourguiba, benannt nach dem Staatsgründer, ist die Hauptader des neuen Tunesiens. Auf der Einkaufsmeile von Tunis fanden die großen Proteste statt. Jetzt, am Freitagnachmittag, ist die Stimmung aufgekratzt. Menschen stehen zusammen, diskutieren. Im Schaufenster der Buchläden: "Das Tunesien von Ben Ali - die Gesellschaft gegen das Regime" und "Die Regentin von Karthago", Bücher, die bislang im Ausland veröffentlicht wurden.

Hier gibt es teure Boutiquen, Cafés und Hotels. Die jungen, wohlhabenden Tunesier flanieren vorbei am Innenministerium, das mit Stacheldraht abgesperrt ist. Militärs mit Maschinengewehren und Panzern bewachen das Gebäude. Auch das Tourismusministerium liegt an der Einkaufsstraße.

Mehdi Houas, der parteilose, neue Minister, ist 51 Jahre alt, gelernter Ingenieur - ein Großunternehmer, der sich als Sohn von Einwanderern aus der Marseiler Banlieue hochgearbeitet hat. Heute führt er ein weltweit operierendes Telekommunikationsunternehmen mit Hunderten Angestellten. Den Ministerposten habe er aus Patriotismus angenommen, sagt er, nicht des Geldes wegen.

Seine weichen Gesichtszüge strahlen Gutmütigkeit aus, er lacht viel und spricht auf Pressekonferenzen kritische Fragen an, bevor sie gestellt werden.

Eine seiner wichtigsten Botschaften: Tunesien sei für Touristen sicher. Man habe die Urlauber offen über die Proteste informiert, anders als etwa beim Attentat auf Djerba 2002, bei dem die Regierung zunächst von einem Unfall sprach und ihr Vertrauen bei deutschen Touristen verspielte.

Kriminelle Tricks im Ausland
:Parfum, das die Sinne raubt

Wovor man sich auf Reisen hüten soll und wann man selbst mit einem Bein im Gefängnis steht: Sicherheitstipps des Auswärtigen Amtes von Ägypten bis Zypern.

Katja Schnitzler

Houas hat einige Pläne: den Etat des Ministeriums verdoppeln, binnen drei Jahren auch die Zahl der deutschen Touristen. Die Tunesier trauen ihm so einen Kraftakt zu, schließlich ist er auch als Geschäftsmann in Frankreich erfolgreich. Aber in einigen Monaten soll es Wahlen geben, einen neuen Tourismusminister. Houas ist der Mann für den schwierigen Übergang. Ein Mann der Übergangsregierung, gegen die sich auch schon Proteste auf der Avenue Habib Bourguiba formiert haben.

Während Houas drinnen vor der Presse am neuen, freundlichen Image Tunesiens arbeitet, malt draußen ein alter Mann in schmutziger Jacke Karikaturen Ben Alis. Ein Manager, Khaled Ben Yahia, sagt, er habe die Straße gefegt, weil die Stadtwerke zusammengebrochen sind und Tunis sauber sein soll. Und dann ist da noch der Barmann Walid Ben Atra, der vor zwei Wochen seinen Job verlor, als der Chef des Fünf-Sterne-Hotels Regency mitsamt ausstehenden Löhnen verschwand.

Walid Ben Atra erzählt, dass Mehdi Houas auf dem Weg ins Ministerium mit den Demonstranten geredet und Hilfe versprochen habe. Ben Atra findet das gut, auch wenn sich die Frage aufdrängt, ob der Minister auch ohne erhöhte Pressepräsenz auf der Straße ein so aufmerksamer Zuhörer gewesen wäre.

Houas schwärmt von dem Potential, dass der Umbruch auch für den Tourismus haben könne: "Wir haben immer noch Strände, Sonne und Wüste. Aber dazu haben wir jetzt ein Volk, das sich mit Würde und Stolz aufgelehnt hat." Da er weiß, dass Urlauber vor allem mit günstigen Preisen zu locken sind, verspricht er besonders gute Angebote.

Eine Woche Vollpension ist jetzt schon ab 200 Euro zu haben. Aber Houas betont, das sei nur vorübergehend. Auf Dauer wolle er die Alternativen zu All-inclusive-Unterkünften stärken, die seiner Meinung nach nur den Hoteliers Reichtum bringen und dem Land den Stempel des Billig-Reiseziels aufdrücken.

Houas will kleine Hotels und Pensionen mit Familienanschluss fördern, außerdem sportliche Aktivitäten wie Wandern, Tauchen, Reiten sowie kulturelle Angebote ausbauen und besser vermarkten. "Wer weiß schon, dass die erste Verfassung der Welt in Karthago erarbeitet wurde?", sagt er.

500 Kilometer weiter südlich, auf Djerba, ist das politische Geschehen der Hauptstadt weit weg. Hier war die Krise besonders stark spürbar. Manche Hoteliers sagen: Es war übertrieben, die Urlauber auszufliegen. Noch sind die Hotelanlagen am Strand verwaist. Aber die Lichter in den Lobbys brennen schon. In den Zimmern mit den frischbezogenen Betten riecht es nach Jasmin. Es ist der Duft der Revolution. Und des Putzmittels.

In Houmt Souk, der Hauptstadt der Insel, sind die engen Gassen der Medina wie ausgestorben. Händler verkaufen den Soundtrack der Revolte auf gebrannten CDs: Der Rapper El Général wurde zur Kultfigur. Auch T-Shirts mit dem Konterfei von Mohamed Bouazizi, dem jungen Mann, der sich aus Protest gegen die Regierung anzündete, gibt es, für zehn Dinar das Stück. Das Bild hat Che-Guevara-Potential.

Das neue Selbstbewusstsein wird vielleicht auch andere Urlauber als bisher anziehen: solche, die sich für das Land und seinen Umbruch interessieren. Zumindest in Sidi Bou Said kann man sich das gut vorstellen.

Das Küstendorf nordöstlich von Tunis wirkt wie gemalt: weiße Häuschen mit blauen Türen, enge alte Gassen, phantastischer Blick auf den Golf von Tunis. In dieser Idylle vergisst man beinahe, dass hier auch der private Palast von Ben Ali liegt. Während drinnen eine Aufklärungskommission ihre Arbeit macht, gehen vor dem Tor zwei uniformierte Leibgardisten im Stechschritt auf und ab, als hätte es nie eine Revolution gegeben. Wen sie jetzt noch beschützen, sie wissen es wohl selbst nicht.

© SZ vom 24.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: