Widauer Klettersteig:Im nicht ganz so Wilden Kaiser

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Auf den ersten Blick sind die glatten, jäh abbrechenden Nordwände des Scheffauer-Bergs im Wilden Kaiser nur etwas für reinrassige Kletterer, aber dann erkennt man eine "Schwachstelle", die Klettersteigfans eine verhältnismäßig leichte Durchstiegsmöglichkeit bietet: den Widauersteig.

Stefan Herbke

Generell gilt bei der Benutzung von Klettersteigen: nie das Gefahrenpotenzial unter- und nie sich selbst überschätzen, unbedingt geeignetes Schuhwerk tragen, stets sichern.

Luftig - Tiefblick zu den grünen Wiesen bei der Kaindlhütte (Foto: Foto: Herbke)

Totenkirchl, Totensessel, Fleischbank: Der zackenreiche Felskamm des Wilden Kaisers geizt nicht mit blutrünstigen Namen. Kletterern läuft bei diesen Namen allerdings sofort das Wasser im Munde zusammen, und in Gedanken erscheinen die langen und schweren Routen durch die mauerglatten Felsabbrüche, von denen viele echte Klassiker sind.

Die markantesten Felsgipfel stehen im Zentrum des langen Kalkkammes, der nach Westen zu etwas zahmer wird. Das gilt auch für Sonneck oder Scheffauer, wobei der mit seiner auffallend plattigen Nordwand bei Kletterern durchaus einen guten Namen genießt. Die Ostlerführe zählt zu den beliebtesten Kaiser-Klettereien im mittleren Schwierigkeitsgrad und wurde bereits 1903 durch J. Ostler im Alleingang durchstiegen. Und an den Felsplatten am Wandfuß hat man in den letzten Jahren mehrere Sportkletterrouten neu eingebohrt.

Gesichert von Süden und Norden

Die Nordwand ist daher auch die Schokoladenseite des Scheffauers. Die Südseite dagegen, nun ja, sie hat streng genommen nichts Kaisertypisches - falls man aalglatte Felswände hoch wie Wolkenkratzer als typisch Wilder Kaiser bezeichnet. Die Südseite ist vielmehr eine elend lange Fels- und Schrofenflanke, steil, trocken und heiß, und das passt dann irgendwie doch wieder zum Kaiser.

Wer den leichtesten Anstieg auf den Scheffauer wählt, muss in den sauren Apfel beißen und sich die südseitigen Hänge hinaufarbeiten, in die die Sonne schon früh am Morgen gnadenlos brennt und einem den letzten Rest Wasser aus dem Körper wringt.

Eine Hitzeschlacht, bei der lediglich die Aussicht auf einen kühlen Wind am Gipfel und der Tiefblick auf das kühle Wasser des Hintersteiner Sees, in dem man sich nach der Tour bestens erfrischen kann, für neuen Auftrieb sorgen.

Doch es geht auch anders: Durch die schattige Nordwand führt der gesicherte Widauersteig, ein leichter Klettersteig, der sich überraschend einfach durch die unnahbaren Felsfluchten mogelt.

Über Bänder und durch Rinnen: zum Widauersteig

Der Klettersteig nutzt geschickt Bänder und kurze Felsstufen. (Foto: Foto: Herbke)

Der Zustieg ist harmlos, vom Brentenjoch wandert man auf einer Straße in einem weiten Rechtsbogen zur Kaindlhütte (1293 m) - ein Stück kann auf einem Wanderweg abgekürzt werden - und erreicht über eine steilere Stufe durch lichten Wald das Schuttkar ("Großer Friedhof") am Fuß der mächtigen Scheffauer-Nordwand.

Über Geröll steigt man in östlicher Richtung bis zu einem vorspringenden Felsrücken, bei dem der Klettersteig mit einer steilen und etwas anspruchsvollen Stelle startet - wer hier Probleme hat, sollte seine Finger von der Tour lassen! Nach dem anstrengenden Auftakt folgt der Widauersteig schmalen Bändern, auf denen man geschickt zwischen den haltlosen Felsplatten Höhe gewinnt, bis man letztlich die markante und breite Schlucht erreicht, die bis in einen flachen Sattel im Gipfelkamm zieht.

Besonders schwierig ist dieser Teil des Anstiegs nicht, dafür aber anstrengend und wegen des vielen Gerölls steinschlaggefährdet. Oben ist dann alle Anstrengung schnell wieder vergessen. Vor einem öffnet sich der weite Blick nach Süden bis zum Alpenhauptkamm, und gemütliche Rastplätze gibt es reichlich. Der schönste ist - neben dem 2111 Meter hohen Gipfel - mit Sicherheit die grüne Mulde ("Kegelstatt") kurz unterhalb.

Abstieg über die Südseite und die Walleralm

Hier könnte man stundenlang sitzen und schauen, würde nicht noch der lange Abstieg warten. Wer es sich zutraut, der kann natürlich auf dem Widauersteig absteigen, alle anderen sollten besser vom Sattel südostseitig durch Rinnen, steiles Schrofengelände und Latschen- und Geröllfelder, zuletzt über Almwiesen, zur Steiner-Hochalm absteigen.

Dieser Steig ist zwar anstrengend, steil und sehr sonnig, aber immer noch einfacher als der Klettersteig. Von der Alm wandert man in westlicher Richtung in leichtem Auf und Ab zu den Wiesen der Walleralm und erreicht nach einem Gegenanstieg wieder die Kaindlhütte - ein langer Weg, der den Westkamm des Wilden Kaisers einmal umrundet.

Anfahrt: Inntalautobahn bis zur Ausfahrt Kufstein-Nord, in Kufstein ist die Zufahrt zur Talstation des Kaiserlifts ausgeschildert. Anreise mit Bahn und Bus möglich. Start bei der Sesselbahn-Bergstation am Brentenjoch (1204 m)

Zeit: insgesamt 9,5 Std.

Schwierigkeit: abwechslungsreiche Bergtour mit kurzweiligem Klettersteig, der überraschend einfach durch die abweisenden Nordabstürze des Scheffauers führt (Vorsicht: Steinschlaggefahr!). Steiler Abstieg nach Süden (Trittsicherheit erforderlich) mit langem Rückweg über die Walleralm.

Alternative: Abstieg über den Widauersteig

Einkehr: Kaindlhütte (1293 m), Walleralm (1171 m)

Karte: Alpenvereinskarte 8, Kaisergebirge (1:25.000)

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