Wandern in der Schobergruppe:Attraktiv, aber nicht überlaufen

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Lienz in Osttirol ist das Bindeglied zwischen Schobergruppe und Lienzer Dolomiten. Zwei überraschend einsame Welten mit einem Orientierungspunkt: Im Norden steht immer der Großglockner.

Stefan Herbke

Manche Gipfel haben es schwer. Nehmen wir einen Friedrichskopf oder Georgskopf, die Mirnitzspitze oder den Ganot, alle knapp unter oder über der magischen 3000-Meter-Marke und dennoch absolut unbekannt. Bis auf wenige Einheimische hat noch nie einer von diesen Erhebungen gehört oder gelesen, geschweige denn eine davon bestiegen, sie liegen einfach abseits jeglichen Interesses, werden links liegen gelassen und selbst beim Gipfelraten von einem bekannteren Nachbargipfel gerne übersehen - es kennt sie halt keiner.

So wie diesen vier Gipfeln geht es vielen in der Schobergruppe zwischen Lienz und der Glocknergruppe, nur eine Handvoll Berge wie Hochschober, Glödisspitze, Böses Weibl, Roter Knopf oder - als höchste Erhebung der Gruppe - das Petzeck, werden häufiger bestiegen. Aber auch hier hält sich der Andrang in Grenzen, vor allem im Vergleich zu guten Tagen am benachbarten Großglockner, an denen sich vom Glocknerleitl bis zum Gipfel alles staut.

In der Schobergruppe gibt es dagegen freie Fahrt für alle Bergsteiger und Wanderer, ob auf dem Weg zu einem Gipfel oder auf einer der lohnenden Hüttentouren. Die überaus abwechslungsreiche Berggruppe, eingerahmt durch das Isel- und Kalser Tal im Westen und das Mölltal im Osten sowie den Eckpunkten Lienz im Süden und dem Großglockner im Norden, ist ein vorzügliches Revier für den erfahrenen Wanderer, für den die eisgepanzerten Dreitausender der Hohen Tauern noch eine Nummer zu groß sind.

In der Schobergruppe gibt es nur wenige Gletscher, die zwar fast täglich schrumpfen, doch hier und da immer noch Vorsicht erfordern. Problematischer sind da so manch ausgeaperten Eisfelder, die sich bei einigen Übergängen in den Weg stellen. Nur auf die bekanntesten der insgesamt 53 benannten Dreitausender führen markierte Steige, die zwar Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordern, aber keine technischen Schwierigkeiten bereithalten.

Panoramawege hoch über der Baumgrenze

Hauptanziehungspunkt ist das Zettersfeld oberhalb von Lienz. Ein Sonnenbalkon, der im Winter unübersehbar als Skigebiet genutzt wird, so skifreundlich wurde mancher Hang zurechtgerückt. Hier starten hoch über der Baumgrenze wunderbare Panoramawege, die etwa über das Steinermandl, dessen nördlicher Gipfel - nomen est omen - zwei Dutzend Steinmänner trägt, und den Kamm der Neualpschneid mit den malerischen Neualplseen bis zum Fastdreitausender Schleinitz (2905 m) führen.

Andere folgen dem Oberwaldersteig zur Hochschoberhütte oder dem Lienzer Höhenweg zur Lienzer Hütte. Der große Stützpunkt mit seinen hellen Holzschindeln befindet sich zentral inmitten der Schobergruppe und ist Ausgangspunkt für einige der interessantesten Gipfel. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit ist die leichte Erreichbarkeit: von Lienz führt über Unternussdorf eine Straße in das lange Debanttal. Erst auf knapp 1700 Meter Höhe muss man das Auto stehen lassen, was bleibt ist ein rund einstündiger, flacher Anstieg zur Lienzer Hütte, hinter der sich die Pyramide der Glödisspitze fotogen ins Bild schiebt.

Verführerischer Urlaubsduft

Schon der Anstieg zur Lienzer Hütte ist - auch wenn er dem Fahrweg folgt - eine schrittweise Annäherung in die Welt der Schobergruppe. Wer weitergeht, der wird gebannt die Schönheiten der Gruppe entdecken wie die zahlreichen Zirbenbestände, die an heißen Sommertagen so verführerisch nach Urlaub duften, die vom Gletscher regelrecht abgehobelten Felsrücken, die wie Elefantenrücken inmitten grüner Weiden liegen, die zahlreichen Seenaugen, die als blaue Farbtupfer so manche Senke ausfüllen - an einem der schönsten Seen liegt die Wangenitzseehütte unter dem Petzeck -, und die mit zunehmender Höhe immer karger werdenden Kare und Flanken, die so unnahbar und unberührt ausschauen und durch die sich hier und da doch wieder ein kleiner Steig windet.

Trotz der landschaftlichen Schönheiten geht es der Schobergruppe wie vielen Gipfeln, sie wird von manchen schlichtweg übersehen. Wer durch das Iseltal nach Lienz rauscht, der sieht nichts von ihrer Attraktivität, der sieht nur Flanken mit dichten Wäldern. Vom Tal aus zeigt sich die Schobergruppe nirgends so malerisch wie die Lienzer Dolomiten südlich von Lienz. Die bilden zwar nur eine kleine Ausgabe der Dolomiten, doch ihre Reize stellen sie unverhohlen zur Schau und leuchten bei Sonnenuntergang geradezu verführerisch über Lienz.

Der Lockruf der Lienzer Dolomiten

Dem Lockruf kann sich keiner entziehen, und so fahren sie reihenweise die Serpentinen der Mautstraße hinauf zur Dolomitenhütte, der Eintrittspforte ins Felsenreich. Beim Anstieg zur Karlsbader Hütte werden die Erwartungen bei weitem erfüllt, äußerst fotogen erhebt sich der Spitzkofel mit seinen Nachbargipfeln und den imposanten, durch zahlreiche Verschneidungen gegliederten Felsabbrüche, oder die Gamswiesenspitze mit ihren markanten, fast senkrecht aufgerichteten Felsschichten. Es gibt viel zu schauen auf dem Weg zur Karlsbader Hütte, die inmitten eines riesigen Amphitheaters liegt. Nur der blaue Laserzsee bringt Farbe in den Felskessel, der umgeben ist von einigen der schönsten Kletterberge der Lienzer Dolomiten.

Lienzer Unholde nannte man früher die abweisenden Felsgipfel, die schon lange Anziehungspunkte nicht nur für Kletterer sind. Viele der Routen wurden erschlossen von den Mitgliedern der Alpinen Gesellschaft Alpenraute Lienz, die im Jahr 2005 ihr hundertjähriges Jubiläum feiern konnte und die noch heute immer wieder Neuland entdeckt. Die einen locken die Grate und Wände in festem Fels an der Kleinen Gamswiesenspitze, der Laserzwand oder den Teplitzer Spitzen, andere folgen dem Drahtseil des Panoramaklettersteigs, der über die Große und Kleine Galitzenspitze zur Großen Sandspitze führt (2772 m), und selbst Wanderer können beim Anstieg durch die karge Wildnis des Laserzer Ödkars die Faszination der Lienzer Dolomiten hautnah erleben.

Wasserfälle im Kerschbaumertal

So beliebt wie der Kessel der Karlsbader Hütte ist in den Lienzer Dolomiten nur noch ein Ort: die Galitzenklamm. Auf einem neu angelegten Steig kann in den Sommermonaten die tief eingeschnittene Schlucht im untersten Kerschbaumertal mit ihren Wasserfällen besichtigt werden. Zahlreiche Schautafeln informieren über die Pflanzen- und Vogelwelt und geben einen Überblick über die Geschichte der Klamm.

Abseits von Galitzenklamm, Dolomitenhütte und Karlsbader Hütte sind die Lienzer Dolomiten auf weiten Strecken so wie die Hochschobergruppe: Einsam und unbekannt. Kaum einer kennt Gipfel wie Feuer am Bichl, Kaser Kofel oder Frauentaleck. Hierher verirren sich nur selten Bergsteiger - schön das es so was noch gibt.

Wissenswertes

Karten und Führer: Alpenvereinskarte 41/Schobergruppe (1:25.000), Österreichische Landeskarte 179/Lienz und 180/Winklern (jeweils 1:50.000). Walter Mair: Wanderführer Osttirol Süd Lienz - Drautal - Pustertal - Villgraten - Lesachtal, Bergverlag Rudolf Rother, München, 2. Aufl. 2006.

Infos Osttirol Werbung, Albin-Egger-Str. 17, A-9900 Lienz, Tel. 0043/4852/65333, Fax: 0043/4852/65333-2, E-Mail: info@osttirol.com, www.osttirol.com Tourismusverband Lienzer Dolomiten, Europaplatz 1, A-9900 Lienz, Tel. 0043/4852/65265, Fax: 65265-2, E-Mail: tvblienz@aon.at, www.lienz-tourismus.at

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