Tourismus:Tourismus-Umsatz im Norden erstmals über zehn Milliarden

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Passagiere warten am Bahnhof auf ihren Zug. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild)

Das schon immense wirtschaftliche Gewicht des Tourismus im Land zwischen den Meeren ist noch weiter gewachsen. Dies belegt ein aktueller Jahresbericht. Beim Problemthema Personal gibt es überraschende Zahlen und ernüchternde Aussichten.

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Kiel (dpa/lno) - Die Tourismusbranche in Schleswig-Holstein hat im vergangenen Jahr einen Brutto-Umsatz von 10,37 Milliarden Euro erwirtschaftet und damit erstmals die Zehn-Milliarden-Grenze übertroffen. Dies geht aus dem Jahresbericht des Sparkassen-Tourismusbarometers hervor, den der Tourismusverband am Mittwoch veröffentlich hat. Das Plus zum Vor-Corona-Jahr 2019 betrug demnach 6,9 Prozent. Das touristische Steueraufkommen belief sich den Angaben zufolge auf knapp 940 Millionen Euro. Erstellt wurde das Tourismusbarometer von der auf diese Branche spezialisierten dwif-Consulting GmbH.

Mit insgesamt 37,5 Millionen Übernachtungen wurde 2022 das Ergebnis des Vorjahres um 15,9 Prozent übertroffen und das von 2019 um 4,3 Prozent. Die Besucherzahlen bei Freizeiteinrichtungen lagen dagegen um 7,1 Prozent unter dem Niveau von 2019, wobei das Minus im Bundesschnitt 13,1 Prozent betrug. Eintrittsgelder stiegen im laufenden Jahr um 7,6 Prozent.

Die Gästezufriedenheit hat im Norden nach zwei rückläufigen Jahren wieder zugenommen. Mit 88,1 Punkten steht das Land im Ranking der Bundesländer gemeinsam mit Rheinland-Pfalz auf dem zweiten Rang.

„Entgegen den Erwartungen sind im letzten Jahr nicht nur viele Beschäftigte wieder in das Hotel- und Gaststättengewerbe zurückgekehrt, sondern auch Neueinsteiger hinzugekommen“, heißt es weiter in dem Bericht. So seien im Juni 2022 fast zwei Prozent mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig gewesen als im Referenzmonat Juni 2019, was ein Allzeithoch für das Hotel- und Gaststättengewerbe bedeute. Dessen Anteil an den Beschäftigten aller Branchen sei damit auf 4,3 Prozent gestiegen. Auch die Tendenz der letzten Monate sei positiv.

Trotzdem fehlten weiterhin Arbeitskräfte, da der Bedarf schon vor den Krisenjahren weitgehend ungedeckt gewesen sei. Damit würden die Beschäftigungsrekorde in der Branche davon überschattet, dass noch nie so viele Arbeitsstellen unbesetzt blieben. „Die Gründe für den erhöhten Personalbedarf liegen dabei u. a. in einer hohen Anzahl von Teilzeitbeschäftigten, aber auch in den höheren Kapazitäten der neu eröffneten Häuser, die für den Betriebsablauf schlichtweg mehr Personal benötigen - und das trotz aller Digitalisierung und Prozessoptimierung in den letzten Jahren.“

Zum Ausblick heißt es, die Personalnot sei nur temporär gelindert und werde sich künftig verstärken. So gehe aus einer Mitgliederbefragung der Gewerkschaft NGG hervor, dass etwa ein Drittel der im Hotel- und Gaststättengewerbe Beschäftigten keine längerfristige Perspektive in ihrem Beruf sieht. Und auch aus der Nachwuchsriege kämen immer weniger Fachkräfte. Mehr als ein Viertel aller Lehrstellen in den Ausbildungsbetrieben konnten 2022 nicht besetzt werden.

Der Personalmangel habe nicht nur Auswirkungen auf Service und Qualität, sondern schränke die Betriebsfähigkeit ein, wird in dem Bericht analysiert. Manche Betriebe könnten nur noch vier oder fünf Tage pro Woche öffnen oder schränkten die tägliche Öffnungsdauer ein. Dies drücke die Umsätze und vermindere die ökonomische Handlungsfähigkeit. Hiervon seien besonders die kleineren und mittelständischen Betriebe betroffen.

In Anbetracht der gravierenden Arbeitskräftelücke, die in den nächsten Jahren auf die Branche zukomme, müsse es darum gehen, Mitarbeitende zu halten und langfristig zu binden, heißt es in dem Bericht. Eine zunehmende Bedeutung bekämen dabei emotionale Faktoren. Ein Beispiel: „Nur wer bereit ist, die persönliche Entwicklung des Einzelnen in seiner Unternehmenskultur zu verankern, wird sich als starke Marke in der Arbeitswelt von morgen behaupten können.“ Außerdem sollten sich Arbeitgeber um attraktiven und bezahlbaren Wohnraum für Mitarbeitende kümmern.

In Schleswig-Holstein wurden 2022 insgesamt 217,6 Millionen Aufenthaltstage von Touristen erfasst. 128 Millionen davon entfielen auf Tagesgäste. Es gab 3715 gewerbliche Beherbergungsbetriebe und damit 6,2 Prozent weniger als 2019. Die Zahl der Schlafgelegenheiten stieg dagegen um 7,4 Prozent auf 343.140 - da überwiegend kleine Betriebe vom Markt verschwanden. Die Bettenauslastung war mit 35,8 Prozent nur noch um 0,6 Prozentpunkte niedriger als 2019.

„Die Branche ist gestärkt aus der Pandemiezeit gekommen, und für immer mehr Menschen ist Schleswig-Holstein das Reiseland Nummer eins“, kommentierte Tourismus-Staatssekretärin Julia Carstens. „Jetzt müssen wir alles dran setzen, unseren Gästen weiterhin unvergessliche und qualitativ hochwertige Erlebnisse zu bescheren.“ Das werde nur gehen, wenn genug Fachkräfte zur Verfügung stehen. „Deswegen haben wir das Thema extra als eigenes Handlungsfeld in unsere Tourismusstrategie aufgenommen.“

© dpa-infocom, dpa:230809-99-780685/5

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