Im Carlton Hotel in St. Moritz laufen die Geschäfte im Winter für gewöhnlich blendend: Eine Suite kostet in der Skisaison bis zu 7900 Schweizer Franken pro Nacht (umgerechnet 5112 Euro). In dem feinen Skiort im Kanton Graubünden ist jedes vierte Hotel ein Fünf-Sterne-Haus, auf den Pisten tummeln sich Popstars, Prinzen und Präsidenten.
Doch in diesem Winter könnte die weltweite Krise auch die Stimmung in St. Moritz abkühlen: "Wir erhalten jeden Tag Stornierungen aus Russland und Grund ist fast immer die Finanzkrise", sagt Carlton-Hoteldirektor Christopher Cox.
Zwar wurden die abgesagten Zimmer bisher sofort von Nachrückern auf der Warteliste gebucht, wie Cox betont. Doch er befürchtet fallende Umsätze bei Essen und Getränken sowie in den Luxusboutiquen. "Gäste, die zwei Pizzen mit einer Flasche Wein für 8000 Franken bestellt haben, machen das dieses Jahr vielleicht nicht", fürchtet er.
Bestätigt wird der Trend durch eine Studie, die der Verband italienischer Hersteller von Luxusartikeln in Auftrag gab. Demnach zeigen sich angesichts der gegenwärtigen Turbulenzen an den Finanzmärkten sogar die Reichsten der Reichen, die in Krisenzeiten stets als widerstandsfähig galten, weniger freigiebig.
Wirtschaftliche Hiobsbotschaften
Russen stellen in St. Moritz mit rund einem Drittel die größte Gruppe und gehören zu den ausgabefreudigsten Gästen. Doch in den vergangenen Wochen bremste eine ganze Reihe wirtschaftlicher Hiobsbotschaften selbst bei ihnen die Konsumstimmung: Nach Höhenflügen im Mai büßten die russischen Aktienmärkte durch sinkende Ölpreise und die Unsicherheit an den Weltmärkten etwa drei Viertel ihrer Werte ein.
Neben den Schwerreichen aus Moskau und St. Petersburg scheinen auch US-Bürger und Briten - die beiden anderen Kundengruppen in den Nobelherbergen von St. Moritz - ihre Gürtel enger zu schnallen.
Nach Angaben von Dieter Bogner, dem Vorstandsmitglied der Engadin-Bergbahnen, kämpfen auch andere Hotels als das Carlton mit Absagen: "Es sind vor allem Amerikaner, die wegen der Krise nicht kommen." Trotzdem bleibt er optimistisch, was die kommende Saison angeht: "In einer Krise bleiben die Leute lieber in ihrem Land. Dies könnte eine Chance für uns sein, hiesige Urlauber zu gewinnen, die Schweiz wiederzuentdecken."
Sorge um den Schweizer Franken
Sorgen macht sich Bogner jedoch wegen des Höhenflugs des Schweizer Franken, der Ende Oktober einen historischen Höchststand gegenüber dem Euro erreichte. In einem Jahr gewann die Schweizer Währung damit 11,6 Prozent. Bogner zufolge könnte dies Schweizer zum Einkauf ins benachbarte Ausland treiben.
Auch Eugen Arpagaus vom Wirtschafts- und Tourismusamt des Kantons Graubünden beobachtet die plötzliche Vorliebe für die Schweizer Währung mit Sorge. Ein Anstieg des Franken um 15 bis 20 Prozent könnte seiner Einschätzung nach einen Rückgang bei den Übernachtungen von rund fünf Prozent zur Folge haben.
Entscheidend sei jedoch die Dauer der Krise: "Noch gehen die Leute in Urlaub, sollte die Krise aber drei oder fünf Jahre anhalten, dann könnten wir das wirklich spüren", sagt er.
Gaudenz Thoma vom Tourismusverband Graubünden sieht das ähnlich. Seiner Einschätzung nach wirkt sich die Krise wahrscheinlich nur auf das Sommergeschäft aus. "Ich denke nicht, dass wir im Winter übermäßig leiden werden, weil das Geschäft im Winter stark ist. Aber wenn die Krise anhält, könnte sie uns im Sommer voll erwischen."