Sport:Langstreckensäufer

Beim Weinmarathon in Südfrankreich geht es eher um Einkehr als um Rekorde

Von Titus Arnu

"Viel trinken! Schon vor dem Lauf!", hat der Sportarzt empfohlen, der mich vor dem Marathonlauf auf körperliche Fitness untersuchte. Viel Wasser, meinte er wohl, nicht Alkohol. Beim "Marathon du Cahors et de la Gastronomie" in Südfrankreich kommt man um Wein, Sekt und Schnaps allerdings kaum herum. Die 42,2 Kilometer lange Strecke führt von Prayssac entlang des Flüsschens Lot durch eine Rotweingegend, die für die Rebsorte Malbec bekannt ist. Unterwegs schenken die Winzer ihre besten Tropfen zum Verkosten aus. An den Verpflegungsstationen kann man Trüffel, Dörrobst, Pasteten, Käse probieren - und den Flüssigkeitsverlust mit hochklassigen Weinen ausgleichen (Wasser gibt es auch). Der Rotwein des Weinguts Château la Coustarelle etwa wird ausdrücklich vom Guide Gault Millau gelobt, und selbst wenn man das Schloss aus sportlichen Gründen links liegen lassen wollte, könnte man es nicht ignorieren - denn die Strecke führt direkt durch den Weinkeller. Auf langen Holztischen steht frisches Bauernbrot mit Leberpastete bereit, dazu gibt es den besten Rotwein des Châteaus. Die meisten greifen fröhlich zu. Dieser Marathon ist eher ein geselliger Volkslauf als eine sportliche Rekordjagd, viele Läufer sind verkleidet, etwa als Asterix und Obelix. Dementsprechend angeheitert torkeln sie ins Ziel. Die Medaille hat die Form eines Weinglases, und statt einer Urkunde bekomme ich eine Flasche Rotwein. Ich kann die Tränen nicht zurückhalten, vor Erschöpfung und vor Rührung. Das ist okay, es ist ja schließlich ein Wein-Marathon.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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