Skiorte im Wettbewerb:Höher, schneller, steiler

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Um für Wintersportler attraktiv zu bleiben, klotzen auch kleinere Skigebiete beim Bau von spektakulären Pisten - manche sind steiler als Sprungschanzen.

Die Konkurrenz zwischen den Skigebieten in den Alpen wird immer größer. Deswegen müssen die Tourismusverbände sich etwas einfallen lassen, um Wintersportler für ihre Region zu erwärmen. Während die einen sich mit Kinderfreundlichkeit oder vielen Pistenkilometern schmücken, rüsten andere regelrecht hoch: Wie Steinach am Brenner, wo Waghalsige seit dieser Saison die steilste Piste Österreichs hinunterbrettern können.

Spektakuläre Skipisten
:Harakiri in Weiß

Sie haben ein Gefälle von über 70 Prozent und tragen so vertrauenserweckende Namen wie "Harakiri" und "Diabolo": die steilsten Pisten der Alpen.

Stefan Herbke

Schon von der Gondel aus sieht es steil aus. Aber das ist kein Vergleich zu dem Abgrund, der sich an der Kuppe der Manni-Pranger-Piste stehend unter den Skiern auftut: Beinahe senkrecht geht es auf der Piste nach unten. Auf dem Gefälle von 102 Prozent will nicht mal der Kunstschnee so recht haften.

Mit 46 Grad ist es die steilste präparierte Abfahrt Österreichs, selbst die Pistenraupe wird nur an der Seilwinde fixiert auf den Hang gelassen. Die Betreiber der Bergbahnen in Steinach mussten schon den einen oder anderen Wintersportler, der seine Künste überschätzt hatte, mit dem Bully abholen.

Auch wenn die neue Abfahrt statt der breiten Masse eher Skifahrer auf den Spuren von Slalom-Weltmeister Manni Pranger anspricht, Alleinstellungsmerkmal und gute Werbung ist sie für das Skidörfchen im Wipptal allemal.

Und darauf kommt es an in Zeiten, in denen viele Skigebiete Verluste einfahren. "Gerade kleinere Skigebiete, die auch nicht viel weniger für Liftpässe verlangen können als die Großen, müssen sich clever vermarkten", sagt Kurt Hasenbacher, Tourismuschef der Gemeinde südlich von Innsbruck. Er verweist jedoch darauf, dass die steilste Piste Österreichs mehr ein Nebenprodukt des Baus der neuen Gondel war: In deren Trassenführung schießt die Manni Pranger seit Weihnachten 2009 ins Tal.

Auch Mayrhofen im Zillertal hat es mit dem Superlativ "steil" zu einiger Berühmtheit gebracht: Dort galt die "Harakiri" mit 78 Prozent Gefälle bislang als steilste Piste der Alpenrepublik.

Fanartikel und die Mitgliedschaft in der "Harakiri-Survivor-Community" sollen für den Extra-Ansporn sorgen, sich an der schwarzen Abfahrt zu versuchen. Auch wenn weder Steinach noch Mayrhofen von einem Wettrüsten sprechen wollen - die Konkurrenz der Skigebiete auch innerhalb eines Bundeslandes wie Tirol ist unerbittlich.

Steiler als eine Skisprungschanze

Steile, lange oder hoch gelegene Pisten mit Superlativen gibt es auch in Deutschland: Die Kandahar in Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel wurde im vergangenen Winter noch steiler gemacht, als sie ohnehin schon war: 92 Prozent misst der "Freie Fall" jetzt. Damit verfüge man über "die steilste Stelle im Weltcup", verkünden die Gastgeber der alpinen Skiweltmeisterschaften von 2011 stolz. Auch normale Touristen können sich an der Abfahrt versuchen, die an vielen Stellen steiler ist als der Anlauf einer Skisprungschanze.

"Die Skigebiete leben eben davon, dass sie sich positionieren. Das ist eine vollkommen normale Segmentierung", sagt Tomas Woldrich, der beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) für den Breitensport zuständig ist.

Tourengehen als kommender Trend

Neben der Vermarktung ihrer besonders steilen oder langen Abfahrten würden viele Gemeinden aber auch zunehmend einen Fokus auf Familienfreundlichkeit legen oder, seit einiger Zeit, auf Tourengeher. "Die wollen nicht präparierte Skirouten, dazu braucht man Variantenabfahrten im freien Gelände", sagt Woldrich, der darin einen kommenden Trend sieht.

Fast allen gemein ist, dass ihnen das Wintergeschäft kaum zum Übersommern reicht obwohl Schneesicherheit, den vielerorts aufgestellten Kanonen sei Dank, in der Regel gewährleistet ist. Aus immer mehr Skigebieten werden ab dem Frühjahr deswegen Wandergebiete: "Der Berg ist erschlossen. Es ist sinnvoll, ihn auch im Sommer zu nutzen", sagt Andreas König, Sicherheitsexperte beim Deutschen Skiverband (DSV).

Hochseilgärten und Sommerrodelbahnen

Auf dem Feldberg im Schwarzwald werden zum Beispiel die Sechserlifte gegen Achtergondeln ausgetauscht, "mit denen fahren dann Wanderer und Spaziergänger hoch", sagt König. Andere Gebiete, gerade im Schwarzwald, stellen um auf Sommerrodelbahnen, bauen Hochseilgärten oder präparieren Mountainbike-Strecken.

Ähnliches plant auch Steinach am Brenner, wo Tourismuschef Hasenbacher nach der steilsten Piste nun ebenfalls einen Fahrradparcours für den Sommer im Sinn hat. Die Lifte stehen schließlich schon, sie müssen nur umgerüstet werden.

Besucherführungen in den Brennerbasistunnel, mit 55 Kilometern Länge nach dem Gotthard künftig der zweitlängste Tunnel der Welt, sollen zusätzlich Gäste anlocken.

Denn um nicht abgehängt zu werden von den großen Skigebieten, muss man mit der Zeit gehen und sich ab und an mit einem besonders attraktiven Angebot oder eben mit einer besonders steilen Piste ins Gespräch bringen.

© Frederike Poggel, apn/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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