Queensland:Angst um das Korallen-Paradies

Lesezeit: 3 min

Der Wirbelsturm ¸¸Larry" hat das Great Barrier Reef angegriffen - ein Albtraum für Meeresbiologen und Taucher.

Von Philip Wolff

Kurz nach 20 Uhr am Korallenriff. Die Stille nach Sturm Larry hat sich über das Wasser gelegt. Unter den Ausläufern des entfernten Sturmtiefs Wati regnet es, und die Boote der australischen Marine Park Authority tuckern hinaus: nachschauen, was vom Great Barrier Reef übrig geblieben ist.

Queensland
:Great Barrier Riff

Ein bedrohtes Tauchparadies.

So begann am Mittwochabend die zweitägige Bestandsaufnahme der Schäden, die der heftigste je dokumentierte Zyklon am Montag vor Australiens Nordostküste angerichtet hatte. Nur die Biologin Katharina Fabricius musste die Frage von ihrem Büro in Townsville aus bereits beantworten: Wird die Rifflandschaft die 48 Kilometer breite Wunde überleben, die Larry ins Korallen-Paradies schlug?

Wissenschaftler und Naturschützer aus aller Welt haben die Expertin vom australischen Meeresforschungsinstitut bereits angerufen. Sie behauptet: ¸¸Ja, das Riff überlebt." Zumindest wisse sie aus dem vergangenen Jahr, wie solche Sturmschäden in der einst bunt verspielten Unterwasserwelt aussehen. Zyklon Ingrid habe 2005 eine vermutlich ähnliche Schneise hinterlassen: ¸¸eine schreckliche Korallenschutthalde. Doch wenn alles gut geht, wird das Ökosystem in 20 Jahren schöner aussehen als zuvor."

Die Prognose beruhigt, nachdem Meeresökologen wie Hobbytaucher seit Tagen um das 345 000 Quadratkilometer große Barrier Reef fürchten: um seine 400 Korallenarten, 1500 Fischspezies und 8000 verschiedenen Weichtiere und Krebse.

Dabei wissen Riff-Experten wie Fabricius: ¸¸Dieses viele Millionen Jahre alte, submarine Universum hat schon viele Stürme überlebt." Zyklon Larry sei so etwas wie ein Schnupfen für einen Menschen gewesen: ¸¸Ist der Organismus gesund, geht er gestärkt daraus hervor", bestätigt auch der Berliner Geoforscher Reinhold Leinfelder.

Die Acropora wachsen wieder

In 20 Jahren, was umgerechnet in die Altersdimensionen des Riffs ein paar Menschentagen entspricht, könne die Unterwasserwelt vielfältiger strahlen als je, weil zum Beispiel die bislang dominierenden Acropora-Korallen abgerissen worden seien und damit Platz für andere Korallenarten gemacht hätten, sagt Leinfelder. Zudem wüchsen die verzweigten Acropora andernorts binnen kürzester Zeit wieder an.

Voraussetzung für diesen Heilungsprozess ist allerdings: In den nächsten Jahren dürfen keine weiteren Superzyklone folgen. Das Wasser darf nicht zu warm sein. Landwirtschaft und Schiffstourismus müssen ihre Abwässer streng kontrollieren. All diese Einflüsse haben das über Jahrmillionen vor Gesundheit strotzende Great Barrier Reef momentan in eine kritische Lebensphase gebracht. Ist es tatsächlich gesund genug, um sich zu erholen?

Etwa tausend lizenzierte Tourismus-Unternehmer vermitteln Besuchern der Riffe heute mehr als 1,3 Millionen Tauchgänge pro Jahr. Einer der dafür populärsten Orte, Innisfail, wurde von Zyklon Larry fast vollständig zerstört. ¸¸Doch vor allem durch ins Meer gespülte Düngemittel war die von Larry zerpflügte Korallenlandschaft vorgeschädigt", sagt Fabricius. Beides, Tourismus und Landwirtschaft, müsste in Zukunft stärker kontrolliert werden.

Gefahrvolle Wärme

Den größten Risikofaktor jedoch, die Folgen des Klimawandels, bekommt der Mensch durch Kontrollen nicht in den Griff: Infolge der globalen Erwärmung nimmt nach jüngsten Studien des amerikanischen Klimaforschers Kerry Emanuel derzeit nicht nur die Kraft der Hurrikane im Atlantik, sondern auch die Stärke der Zyklone im Pazifik gehörig zu. ¸¸Damit rechnen auch die australischen Experten", sagt Fabricius.

Gleichzeitig werde das Wasser über dem Riff immer wärmer - um 0,6 Grad Celsius in den vergangenen 50 Jahren, sagt sie. Jeder außergewöhnlich heiße Sommer, aber auch das Klimaphänomen El Nino stelle deshalb eine ernste Bedrohung für die Korallenwelt dar: Schon ein zusätzlicher Wärmegrad über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg genügt, und die Korallentiere geraten unter Hitzestress. Dann verlieren sie ihre Algen, von denen sie mit Nahrung versorgt werden und die ihnen die bunten Farben verleihen.

Die am Great Barrier Reef seit den neunziger Jahren immer wieder beobachtete Korallenbleiche in heißen Sommern gilt daher als alarmierende Todesbleiche der Unterwasserwelt: ¸¸Eine Reihe starker Zyklone könnte so einem angeschlagenen Ökosystem leicht den Garaus machen", warnt der Hydrobiologe Michael Eisinger von der Universität Duisburg-Essen.

In diesem Sommer hatten die Australier Glück. Nur in den südlichsten Ausläufern des Great Barrier Reefs seien einige Korallen gebleicht. Die Schneise des Zyklons Larry hingegen verlaufe weiter nördlich, sagt Fabricius. Hätte der Sturm dagegen einen Untergrund von abgestorbenen Korallen freigelegt, hätte den nachfolgenden Tieren der nötige Nährfilm aus Mikroorganismen gefehlt. ¸¸In so einem Fall können Teile der Unterwasserlandschaft völlig verloren gehen", sagt Eisinger.

Optimistisch stimmen die Experten daher allein Alter und Größe des Paradieses: Verschlechtern sich seine Lebensbedingungen nicht allzu stark, wird es wohl mit ein paar Kilometer breiten Narben davonkommen.

© SZ vom 23. 03. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: