Quebec:Im Herzen französisch, im Kopf kanadisch

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Quebec feiert seinen 400. Geburtstag - doch im Jubiläumsjahr brechen alte Querelen wieder auf.

Bernadette Calonego

In Nordamerika gibt es nicht viele Städte, die ihren 400. Geburtstag feiern können. Deshalb inszeniert Quebec City dieses seltene Ereignis zehn Monate lang. Schließlich gilt die französischsprachige Metropole als Geburtsort Kanadas.

Die älteste Stadt des Landes? Das Chateau Frontenac und seine Wehranlagen in Quebec (Foto: Foto: AFP)

Aber was ein riesiges, ausgelassenes Fest hätte werden sollen, zu dem insgesamt fünf Millionen Besucher aus aller Welt erwartet werden, fällt bisher vor allem durch negative Schlagzeilen über Querelen auf: Die britische Königin darf nicht dabei sein, der Papst sagte ab und die Beteiligten liegen im Clinch.

Zu allem Überfluss wird nun auch noch darüber gestritten, ob Quebec denn wirklich die älteste Stadt des Landes ist. Die Organisation des Geburtstagsfestes stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: Elisabeth II., das offizielle Staatsoberhaupt, wurde von der kanadischen Regierung schon gar nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen.

Ottawa nahm Rücksicht auf die Empfindlichkeit frankophoner Quebecer, die den Sieg der Briten über die einstige französische Kolonie im Jahr 1759 bis heute nicht verschmerzt haben. Ironie der Geschichte: Quebec will stattdessen lieber den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy einladen.

Kommt Sarkozy?

Aber ob der vielbeschäftigte Sarkozy in diesem Jahr Zeit hat, steht noch immer nicht fest. Das Vakuum sollte deshalb Papst Benedikt XVI. wettmachen, aber er lehnte es überraschend ab, in Quebec City im Juni die Messe im Rahmen des Internationalen Eucharistiekongresses zu lesen.

Der Papst hätte seinen Aufenthalt gewiss nicht bereut, denn die Stadt ist ein Juwel unter nordamerikanischen Städten, mit seinen alten Steinbauten, den verwinkelten Gassen mit Kopfsteinpflaster und der imposanten Lage am Sankt-Lorenz-Strom. Quebec City besitzt die einzige noch intakte befestigte Stadtmauer in Nordamerika. Nicht umsonst steht die Altstadt seit 1985 als Weltkulturerbe auf der Unesco-Liste.

Das 1893 eröffnete berühmte Hotel Chateau Frontenac ist das Wahrzeichen der Provinzhauptstadt, die über europäisches Flair verfügt. Die kanadische Zeitung The Vancouver Sun schrieb: "Es ist wie Paris - ohne die Anmaßung."

Probleme gab es im Jubiläumsjahr bereits bei der Eröffnungsfeier in der Silvesternacht: Eine halbe Million Passanten wollte zuschauen, aber es gab zu wenig öffentliche Verkehrsmittel, zu wenig Polizei - das Chaos auf den Straßen war perfekt. Das gigantische Feuerwerk musste zudem wegen Brandgefahr eingeschränkt werden. Dann wurde eine spektakuläre Straßenoper mit einem Budget von 4,2 Millionen Euro abgesagt.

Und nun macht die Hauptstadt von Neufundland, St. John's, auch noch Quebec City den Rang streitig, die älteste Stadt Kanadas zu sein: Neufundlands Minister für Tourismus, Clyde Jackman, erklärte, Europäer hätten sich bereits 1583 am Hafen von St. John's niedergelassen. Quebec City feiert aber die Gründung im Jahr 1608, als der französische Entdecker Samuel Champlain auf seiner zweiten Expedition nach Neu-Frankreich eine permanente Siedlung zu errichten begann.

Dasselbe hatte der Seefahrer Jacques Cartier bereits 1541 in der Nähe geplant, aber Skorbut, Kälte und feindlich gesinnte Indianer hatten den ersten Versuch Frankreichs durchkreuzt, die Neue Welt zu kolonialisieren. Champlain lernte seine Lektion, indem er mit den Indianern zusammenarbeitete und einen sicheren Posten für den Pelzhandel errichtete. "Kebec" heißt in der Sprache der Algonkin-Indianer "wo sich der Fluss verengt".

Die Engstelle wurde zur Geburtsstätte einer frankophonen Nation in Nordamerika. Nach der Eroberung durch die Briten fanden die französischen Aspirationen allerdings ein Ende, und bei der Bevölkerung entstand allmähliches ein eigenes Nationalbewusstsein. Die Anfänge Kanadas hätte die Regierung in Ottawa gern mit dem Geburtstag Quebec Citys feiern wollen, aber die Quebecer zeigten ihr die kalte Schulter.

Die meisten Besucher werden die Streitigkeiten ignorieren und sich mit den 734000 Einwohnern an den Attraktionen freuen. Etwa an einer schwimmenden Tanzfläche auf dem Sankt-Lorenz-Strom, den neu erbauten Flusspromenaden, einem Leinwandspektakel des aus Quebec stammenden Regisseurs Robert Lapage auf 600 Meter langen und zehn Stockwerken hohen Getreidesilos und an der Ausstellung mit 270 Leihgaben des Pariser Louvre. Am 22. August wird die Kanadierin Celine Dion gratis in Quebec City singen - so hat sie schon den filmischen Untergang der "Titanic" stimmungsvoll begleitet.

© SZ vom 19.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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