Ohne das Schlagwort Nachhaltigkeit scheint die nationale wie internationale Tourismusbranche seit einigen Jahren nicht mehr auszukommen. Für die gerade stattfindende Internationale Tourismus-Börse (ITB) ist Nachhaltigkeit beispielsweise mehr "als ein Lippenbekenntnis" - sie wird als "Strategieelement" gesehen, wie es auf der ITB-Webseite heißt. Die Vereinten Nationen haben 2017 zum "Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus' für Entwicklung" ausgerufen, während der Deutsche Tourismusverband gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz im vergangenen Jahr einen Praxisleitfaden zur "Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus" einführte. Und das Forum anders Reisen, ein Zusammenschluss von 100 Reiseveranstaltern, die sich für einen nachhaltigen Tourismus engagieren, registrierte 2016 ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 14,25 Prozent bei seinen Mitgliedern.
Nur sagt das Wachstum von Veranstaltern für nachhaltige Reisen wenig darüber aus, ob insgesamt wirklich ressourcenschonender und ökonomisch fairer gereist wird. Der Nachhaltigkeitsforscher Stefan Gössling, Professor an den Universitäten in Kalmar und Lund, beide Schweden, meint zwar, dass es sich beim Thema Nachhaltigkeit durchaus um einen Trend handele. Auch sei der Begriff inzwischen "ein Qualitätsmerkmal im Tourismus, das fest in den Köpfen der Menschen drin ist". Fast jeder freue sich beispielsweise darüber, ein Bio-Ei am Frühstückstisch zu finden. Allerdings bleibt die Nachhaltigkeit mehr ein gefühlter Trend, der sich selbst auf nationaler Ebene nur schwer mit konkreten Zahlen belegen lässt. Bei Wachstumsraten bleibt zu bedenken, dass diese in Relation zu dem Ausgangswert zu setzen sind. "Es gibt nur eine kleine Gruppe, die wirklich auf nachhaltige Reisen achtet und auch bereit ist, dafür mehr zu zahlen", sagt Gössling. Eine weitaus größere Gruppe finde Nachhaltigkeit zwar prinzipiell gut, sehe die Aufgabe, etwas zu ändern, aber eindeutig bei den Unternehmen. Etwa einem Drittel der Touristen sind Fragen der Nachhaltigkeit wiederum völlig unwichtig.
Hinzu kommen kulturelle Unterschiede. Während beispielsweise Gösslings Wahlheimat Schweden, wie er sagt, schon "wahnsinnig weit" in der Nachhaltigkeitsdebatte sei, beanspruchen gerade viele Deutsche im Urlaub immer noch das Recht, "ein bisschen mehr zu konsumieren" (Gössling). Der russische Markt reagiert wiederum geradezu immun auf Fragen der Nachhaltigkeit. Es hat aber keineswegs nur mit den Russen zu tun, warum global gesehen immer mehr Menschen immer häufiger und luxuriöser verreisen. Weil auch nirgendwo in kurzer Zeit so viel Energie verbraucht werde wie beim Fliegen, gehe der Trend laut Gössling sogar in die andere, die falsche Richtung: "Das Gesamtsystem wird immer unnachhaltiger."