Massenprotest auf Mallorca:Bitte draußen bleiben!

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Noch nie gingen auf der Balearen-Insel so viele Leute auf die Straße: Mallorca soll nicht zum "Zweitwohnsitz Europas" werden - und damit zur Betonwüste.

"Hier sind typische Souvenirs aus Mallorca", sagen die jungen Umweltschützer mit einem ironischen Lächeln und drücken den Passanten in der Inselhauptstadt Palma kleine Tüten in die Hand. In diesen Tütchen finden sich jedoch keine Fächer und auch keine Schnitzereien, sondern nichts als Zement und Steinbrocken.

Mallorca
:Ballermann, Betonburgen, Badebuchten

Die Insel steht bei machen für Beton und Ballermann. Dennoch gibt es auch hier traumhafte Plätze.

Die "Andenken" wurden auf einer Kundgebung verteilt, bei der etwa 50.000 Mallorquiner gegen Umweltzerstörungen auf der spanischen Ferieninsel protestierten. Sie sollten symbolisieren, was in den Augen der Demonstranten zu einem typischen Merkmal der Balearen-Insel geworden ist: der ungebremste Bauboom.

Die Kundgebung war eine der größten in der Geschichte Mallorcas. Die große Zahl der Demonstranten zeigt, dass vielen Mallorquinern der alljährliche Massenansturm der Urlauber nicht mehr geheuer ist.

Viele Bewohner befürchten, die Insel könnte ein Opfer ihres eigenen Erfolgs und - mit dem Bau von immer mehr Hotels, Villen und Feriensiedlungen - allmählich zubetoniert werden.

"Es wird ein beispielloser Raubbau an der Natur betrieben", beklagt die Umweltschutzorganisation GOB, die zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Auf einem der Spruchbänder der Demonstranten stand: "Das Huhn, das die goldenen Eier legt, sagt: Nun reicht's!"

Mallorca hatte 2006 eine Rekordzahl von 9,6 Millionen Urlaubern aufgenommen, 9,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren 3,6 Millionen (plus 6,7 Prozent) Deutsche.

Der Protest richtete sich allerdings nicht so sehr gegen die vielen Pauschaltouristen oder den Rummel um die Strandbar "Ballermann 6". Was den Mallorquinern viel mehr Sorge bereitet, ist der Trend, den Mallorca-Urlaub in eigenen Ferienwohnungen zu verbringen.

"Die Politiker haben entschieden, Mallorca zum Zweitwohnsitz Europas zu machen", meint der GOB-Sprecher Miquel Angel March. "Dazu braucht man Autobahnen, einen größeren Flughafen, mehr Kraftwerke und Kläranlagen."

Die konservative Regionalregierung der Balearen pumpte in den vergangenen vier Jahren 200 Millionen Euro in den Ausbau des Straßennetzes. Es entstanden Autobahnen von Palma in das - bei den Deutschen beliebte - Andratx und in den Inselnorden nach Sa Pobla sowie eine Schnellstraße nach Manacor.

Mallorca wurde zu einer Insel der kurzen Wege.

"Orte, die seit Menschengedenken in der Abgeschiedenheit des Hinterlandes lagen, sind nun plötzlich ganz nah an Palma herangerückt", schrieb das Mallorca Magazin kürzlich. Damit wurden bislang verschlafene Nester mit einem Mal für Bauprojekte interessant.

Die Folge: Mallorca verändert sein Gesicht.

Ferienwohnungen konzentrieren sich längst nicht mehr allein an den Badestränden am Meer. Die Urlauber und die Ausländer mit ihren Zweitwohnsitzen erobern auch das Innere der Insel - also jene Gebiete, in die die Einheimischen sich dereinst im Mittelalter vor den Piraten in Sicherheit gebracht hatten.

Dabei macht der Bau- und Immobilienboom zuweilen nicht einmal vor landschaftlichen Schutzgebieten halt.

In Andratx im Westen von Palma stehen der Bürgermeister und andere Behördenchefs im Verdacht, gegen Schmiergeld Baugenehmigungen für Grundstücke in diesen Gebieten ausgestellt zu haben.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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