Landshuter Hochzeit:Stadt im Lampenfieber

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Wenige Tage vor Beginn der Landshuter Hochzeit feilen die Ritter, Gaukler und Fahnenschwinger noch an der Choreografie. Schließlich sollen sich die 600.000 Besucher völlig in das Jahr 1475 zurückversetzt fühlen.

Von Hans Kratzer

Noch wenige Tage, dann verkünden die Fanfarenstöße der herzoglichen Bläser den Beginn der 38. Landshuter Hochzeit. In der Stadt herrscht Lampenfieber. Am Samstagnachmittag wurlt es auf dem Turnierplatz wie in einem Ameisenhaufen.

Feuerkopfstecher auf der Landshuter Hochzeit (Foto: Foto: Landshuter Hochzeit/Die Förderer e.V.)

Aber das ist kein Anlass zur Sorge, denn erstens läuft gerade die letzte Wiesenprobe, und zweitens wirken bei dem Spektakel mehr Menschen mit als manche Kleinstadt Einwohner hat.

Zu den 2200 Auserwählten gehört auch der Zimmerermeister Adi, der Oberarme hat wie Schwarzenegger. Dieses Prackel-Mannsbild ist ein würdiger Kandidat der Zünfte, die neben vielen anderen Gruppen den historischen Hochzeitszug begleiten werden.

"Ganz steif vor lauter Würde"

"Ich bin ganz froh, kein Reichsfürst zu sein", sagt Adi. Ständig beobachtet zu werden, immer todernst schauen und kerzengerade schreiten zu müssen, das sei doch kein Leben. "Da wirst du ja ganz steif vor lauter Würde", wirft Wolfi ein, ein altgedienter Chorsänger aus dem Kreis der Reisigen.

Allerdings ist es ja auch nicht so, dass die Zünfte und Reisigen sich nicht anstrengen müssten. Aber in den drei Wochen des Festspiels wird es ihnen an nichts fehlen.

Südländisch-beschwingt

Schließlich haben die Zünfte ihre eigenen Bäcker und Metzger dabei - und die Brauer, die das dicke Hochzeitsbier abfüllen. "Bei uns fehlt sich nix", sagt Adi.

Von der Choreographie kann man das noch nicht ganz behaupten, bei der letzten Wiesenprobe hakt es noch hier und dort. Die Sonne knallt erbarmungslos auf die Häupter der Bläser, Fahnenschwinger, Ringelstecher und Gaukler und lähmt die Hirne. Der Lautsprecher verrät, dass auf dem Regieturm noch eher sanfter Grant als Freude herrscht.

Dennoch: Die ganze Stadt steht im Banne des größten Historienfestes Europas. Allein am Samstag sitzen bereits 6000 Zuschauer auf der Tribüne, um die Probe zu verfolgen, obwohl noch kein einziges Kostüm zu sehen ist. Die Zuschauer sind modisch aufgebrezelt, die Stimmung ist südländisch-beschwingt.

Galaktische Ticketpreise

Das Festspiel Landshuter Hochzeit hat mit seinen Ursprüngen anno 1903 nur noch wenig gemein. Es ist ein globales Fest geworden, ein Touristenmagnet ohnegleichen. Binnen weniger Tage waren alle 100.000 frei verkäuflichen Karten weg, im Internet werden Tickets zu galaktischen Preisen gehandelt.

"Der Druck wird auch für uns immer größer", sagt Martin, ein erfahrener Hochzeiter. Auf dem Zehrplatz, wo die Gaukler am Rande der Proben spontan ihre Mätzchen machen, verschmelzen trotzdem langsam Fiktion und Realität.

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:Gaukler, Ritter, Musikanten auf der Landshuter Hochzeit

Landshut taucht in die Atmosphäre jenes Festes von 1475 ein, das als Vorbild dient. Die Hochzeit von Georg dem Reichen und der polnischen Königstochter Hedwig war schon damals ein globales Fest.

Aus ganz Europa kamen die Gäste zu einer der opulentesten Feiern des Mittelalters. Nur, dass es damals November war, neblig und nasskalt, und die Wege so matschig waren wie die tauende Tundra.

Die Braut auf der Landshuter Hochzeit. (Foto: Foto: Landshuter Hochzeit/Die Förderer e.V.)

So etwas kann man natürlich im Hochsommer nicht kopieren, aber sonst wollen die Landshuter dem historischen Original von 1475 so nahe wie möglich kommen.

Brillen und Uhren verboten

Heuer sind sogar die Brautleute Kathrin Stahleder (18) und Florian Eller (20) exakt so alt wie einst das Original-Brautpaar. Ansonsten dürfen die Mitwirkenden keine Uhren, Eheringe und Brillen tragen, kein Handy mitführen und nicht rauchen.

Auch das mittelalterliche Lager, das auf einer Wiese von 50.000 Quadratmetern errichtet wurde, ist bis auf ein paar Steckdosen und Wasserleitungen weitgehend frei von den Errungenschaften der Moderne.

Fürstenhaus, Reisigenhaus, Falknerei und die übrigen Pflockbauten sind stimmig bis ins Detail. "Wir wollen die Massen begeistern und die Experten überzeugen", sagt Rudolf Wohlgemuth, der Chef des Vereins der Förderer, die das Fest organisieren.

Spontane Tribünenfeste

77 Großveranstaltungen stehen auf dem Terminkalender des Festspiels, das vom 25. Juni bis zum 17. Juli dauern wird. Die Veranstalter erwarten 600.000 Gäste.

Wer keine Karten ergattern konnte, sollte dennoch nicht verzagen. "Es wird genügend Gelegenheiten geben, das Flair der Landshuter Hochzeit mitzuerleben", sagen die Veranstalter.

In der Tat werden vor allem an den vier Wochenenden viele frei zugängliche Sonderveranstaltungen angeboten. Neben den vier großen Hochzeitszügen durch die Innenstadt stehen zahlreiche Sonderkonzerte sowie Fest- und Tanzspiele für jedermann auf dem Programm.

Berühmt sind mittlerweile auch die spontanen Tribünenfeste, die das Hochzeitsfest gleichsam subkulturell bereichern.

Informationen zum Fest und zum Erwerb von Restkarten sowie zur Kartentausch-Börse unter Telefon 0871/22918

© Süddeutsche Zeitung vom 20.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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