Kuschelalarm im Hotel:Romantik mit der Brechstange

Rosen und Sekt in der Lovesuite: Manche Hotels bombardieren die Gäste mit Romantik - und erreichen bei einigen genau das Gegenteil.

Titus Arnu

1 / 14
(Foto: N/A)

Im Kamin knistert das Holzfeuer, draußen nieselt es. Aus den geschickt versteckten Lautsprecherboxen wabert sanfter Schmusesound, das Hotel hat freundlicherweise einen hauseigenen Kuschelrock-Sampler bereitgelegt. Das Vier-Gänge-Menü und der Wein haben vorzüglich gemundet, die im Raum verteilten Kerzen flackern, in der freistehenden Wanne blubbert das Schaumbad. Auf dem Badewannenrand liegen sogar Rosenblüten. Trotzdem kommt irgendwie keine Stimmung auf."Silence Room", Foto: Kuschelhotel Maiers in Loipersdorf

2 / 14
(Foto: N/A)

Er: "Warum steigst du nicht mit mir in die Wanne?" Sie: "Das ist doch albern." Er: "Warum?" Sie: "Nur weil wir dieses Romantik-Arrangement gebucht haben, muss es noch lange nicht romantisch sein." Er: "Aber es ist doch romantisch ...? Kerzen, Rosen, Wein - was ist daran jetzt bitte in diesem Moment unromantisch?" Sie: "Du." Wir blenden uns aus der darauffolgenden, anstrengenden, extrem unromantischen Diskussion dezent aus und leiten über zum Grundsätzlichen."Château d'Amour", Foto: Zeithotel in Beatenberg

3 / 14
(Foto: N/A)

"Das Wesen der Romantik ist die Ungewissheit", lässt Oscar Wilde eine seiner Figuren in der Komödie "The Importance of Being Earnest" sagen. Der Mann kannte sich aus, denn nichts kann einem so unromantisch vorkommen wie die organisierte Form der Romantik. Die Kuschelrock-CD vermag Kuscheltendenzen schon im Ansatz zu zerstören. DVD-Abende mit romantischen Komödien können Männer zum Schreien bringen, und zwar nicht vor Begeisterung. Und das Romantik-Arrangement im Hotel ist oft der garantierte Tod jeglicher Romantik."Superior Garden Love Suite", Foto: Kuschelhotel Maiers

4 / 14
(Foto: N/A)

Das handelsübliche Romantik-Arrangement besteht in der Regel aus einer Flasche Sekt, einem Obstkorb, einem "Candle-Light-Dinner" sowie einem "üppigen Zimmerfrühstück". Gegen Sekt, Obst, Kerzen und ein schönes Frühstück im Zimmer ist ja nichts einzuwenden. Das Problem ist die Zweckgebundenheit. Der Romantik-Kurzurlauber rechnet ganz fest damit, dass sich durch das Sekttrinken, das Verzehren von Trauben und Äpfeln, durch das Bestreichen von Frühstücksbrötchen neben dem Bett automatisch eine Art Turbo-Romantik einstellt. Denn erstens fehlt einem so etwas schmerzlich im Alltag, und zweitens hat man ja genau so ein Zeugs gebucht und dafür eine Pauschale bezahlt, die fast so üppig war wie das Frühstücksbuffet."Fujiama Love Garden", Foto: Zeithotel

5 / 14
(Foto: N/A)

Die Romantik, wie sie Joseph von Eichendorff in seinen Liebesgedichten beschwor, ist der literarische Versuch, unbewusste Gefühle auszudrücken. Die Romantik, wie sie von Marketingleuten im Tourismus verstanden wird, ist dagegen der sehr bewusste Versuch, mit Gefühlssimulationen ihr Geschäft anzukurbeln. Wie kann man die langweilige Frühstückspension in Bad Lippspringe bloß beleben? Wie füllt man die teuren Suiten des neu erbauten Wellnesshotels in Tirol auch an verregneten Werktagen in der Nebensaison? Und wie lockt man Urlauber bitte in ein Hotel, das direkt neben der Chemiebrache Bitterfeld-Wolfen liegt? Genau!"Château d'Amour", Foto: Zeithotel

6 / 14
(Foto: N/A)

Das "Kuschelhotel" Maiers in Loipersdorf etwa, ein "Vier-Sterne-Love&Relax"-Haus, liegt eingebettet in einen "Liebesgarten". Paare können in dem Kärntner Hotel "Romantik-Traumtage" buchen, ein rot leuchtendes Neon-Herz vor der Fassade signalisiert, worum es dort gehen soll. Das "Love-Whirl-Boot" lädt zum gemeinschaftlichen Lust-Blubbern ein, und die Zimmer heißen nicht Zimmer, sondern "Jungle-Lovesuite", oder "Deep Purple Loveroom". Als Extra können die Paare einen fertig mit "Ich liebe dich" beschrifteten Luftballon bestellen oder gar für 29 Euro Sahne, Schokosauce, Eiswürfel und Früchte aufs Zimmer bringen lassen, um damit den Partner zu garnieren."Love-Whirl-Boat", Foto: Kuschelhotel Maiers.

7 / 14
(Foto: N/A)

Ist man ein böser, unsensibler Mensch, wenn man solche "Kuschelextras" lieber nicht möchte? Ist man gefühllos, nur weil man diese organisierten Emotions-Events eher als Nötigung empfindet? Ist man phantasielos, weil man das "Phantasie-Spezial" (eine Flasche Sekt und ein Früchteteller im Kerzenschein für eine Stunde) für 85 Euro entschieden ablehnt? Nein, es ist nur konsequent. Denn Menschen, die diesen Romantikterror hassen, haben normalerweise auch etwas gegen Zierkissen, verschnörkelte Stuhllehnen, lachsfarbene Wolldecken, geblümte Vorhänge und ähnliche Produkte der rustikal-romantischen Möbelindustrie."Paradies Exklusiv", Foto: Hotel Bergergut im österreichischen Mühlviertel

8 / 14
(Foto: N/A)

Romantik ist ein Riesen-Verkaufsargument. "Romantik macht Spaß und belebt die Phantasie", lautet das Motto des Hotels Bergergut im österreichischen Mühlviertel. Das Haus ist auf frisch verliebte Paare oder nicht mehr ganz so verliebte Paare eingestellt, die ihre Beziehung wieder in Gang bringen wollen. Zur Wahl stehen eine Paradies-Suite mit Apfelbäumchen und Whirl-Wanne, eine Höllen-Suite oder ein Teufelchenzimmer in Folterkeller-Optik mit Ketten und stilisierten Spinnweben."Teufelchenzimmer", Foto: Hotel Bergergut

9 / 14
(Foto: N/A)

Das Zeithotel in Beatenberg im Berner Oberland hat ein ähnliches Kuschel-Konzept, es hat nur für Paare geöffnet, die betont romantisch sein wollen. Die Themenzimmer heißen "Bounty Beach" (mit Sauna und Hängematte) oder "Sin City Suite" (mit Striptease-Stange, Glitzerkugel und Karaoke-Anlage)."Fujiama Love Garden", Foto: Zeithotel

10 / 14
(Foto: N/A)

Nicht immer, aber oft sind es eher die Männer, die bei inszenierten Romantik-Abenden nicht mitspielen. Sie wollen nicht verträumt schauen müssen, wenn die herzförmige Duftkerze brennt, sie wollen nicht mal eine herzförmige Duftkerze. Sie wollen nicht Wachtelfilet auf Chili-Schokofond essen und anschließend mit kandierten Kirschen gefüttert werden."Kuschelnest", Foto: Kuschelhotel Maiers

11 / 14
(Foto: N/A)

Dabei war der Begriff Romantik tatsächlich äußerst vielschichtig und mehrdeutig, bevor er von Tourismusstrategen, Möbelhäusern und Landhausmodemachern entdeckt und ausgiebig missbraucht wurde. Das Wort leitet sich aus dem Altfranzösischen roman ab und bezeichnete ursprünglich einen höfischen Versroman, der nicht in Latein, sondern in einer romanischen Volkssprache gedichtet wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert bedeutete "romantisch" und "romanisch" lediglich "im Roman vorkommend". Im späten 18.Jahrhundert erfuhr das Wort eine Abwertung, es wurde benutzt, um sich über schwärmerische Gefühle lustig zu machen."Hölle Exklusiv", Foto: Hotel Bergergut

12 / 14
(Foto: N/A)

Die Romantiker der Literatur- und Kunstgeschichte brachten einen ersten Hauch von Wellness in die Kultur ein, indem sie ihre Geschichten zum Beispiel in einem verwunschenen Schloss ansiedelten, Paare über eine blühende Wiese schlendern ließen, gerne mit Elfen, Feen und anderen Fabelwesen als Beigabe. Die Natur wurde mythisch überhöht, jedes Blättersäuseln, jeder Windstoß hatte eine seelische bis erotische Bedeutung. Ähnlich wie es in modernen Musicals üblich ist, benutzten die Dichter Nebelmaschinen, die alles Konkrete unkenntlich machten. Wenn es zur Sache ging, setzten sie kuschelige Wörter als Weichzeichner ein, es ging also zu wie in einem Softporno. Nun ist es gerade dieses spielerische Umschmeicheln, das die Romantik ausmacht, das Normale wird unkenntlich gemacht und dadurch geheimnisvoll."Teufelshöhle", Foto: Hotel Bergergut

13 / 14
(Foto: N/A)

Diese Gesamtstimmung herzustellen, ist nicht so einfach. Wäre es also vielleicht doch hilfreich, ein dreigängiges "Casanova-Menü" zu bestellen und ein Wochenende im Hotel Cipriani in Venedig zu verbringen - mit Blick auf den dortigen Casanova-Garten? Das kostet allerdings einen ziemlich unromantischen Geldbetrag. Und es ist in solchen Fällen immer ungewiss, ob sich die Investition amortisiert.Das soll nicht heißen, dass sich Romantik nicht planen ließe.Pavillon, Foto: Hotel Bergergut

14 / 14
(Foto: N/A)

Gerade Paare mit kleineren Kindern sind darauf angewiesen, dass ab und zu mal ein Hauch von Zweisamkeit und Spannung aufkommt. Ein Wochenende im Wellnesshotel kann da extrem hilfreich sein. Das Problem ist aber nicht die Organisation, sondern der Erwartungsdruck, der dadurch entsteht. Romantik-Arrangements erhöhen den Druck nur, und das ist dann meist das Ende der Romantik.Hochgradige Extrem-Romantik kommt übrigens oft dort auf, wo man sie am wenigsten erwartet. In einem verdreckten, überhitzten Greyhound-Bus, irgendwo zwischen Wyoming und Ohio. Im Innenhof einer Geburtsklinik. Auf dem Hauptbahnhof, zwischen rennenden Menschen und plärrenden Lautsprecheransagen. Die schönsten Romantik-Arrangements entstehen durch einen Blick, der länger dauert als nötig, durch einen Geruch und durch ein Lächeln. Das ist unbezahlbar und nirgendwo auf der Welt pauschal zu buchen."Himmel Exklusiv", Foto: Hotel Bergergut(SZ vom 29.10.2009/kaeb)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: