Kulinarik:Spucken und Schlucken

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50 Winzer an einem Tag - das braucht Übung beim Verkosten und macht das Ausspucken fast unvermeidlich. Auch wenn sich Gäste und Winzer einig sind, dass die schmackhaften Weine diese Behandlung eigentlich nicht verdient haben.

Von Hans Gasser

Alle spucken. Also spuckt man auch. Appetitlich ist das nicht, und den meisten Weinen tut man Unrecht damit. Aber was soll's. Es gilt, einen ganzen Nachmittag lang im bis zur Decke vollgestapelten Keller des Weinhandelshauses Döllerer möglichst viel zu verkosten. Wer da jeden angebotenen Wein schluckt, hat schnell einen Schlag. Und wer will schon lallen, bevor abends das fünfgängige Menü im zugehörigen Restaurant serviert wird, jeder Gang abermals von drei Weinen begleitet?

50 Winzer sind nach Golling südlich von Salzburg angereist, viele aus Österreich, manche aber auch aus der Toskana und dem Bordeaux, und sie zählen eher zur Spitze ihrer Zunft, nicht zur Basis. Franz Hirtzberger zum Beispiel, aus Spitz in der Wachau, berühmt für seine Grünen Veltliner und Rieslinge. Gerade eben hat man den ersten Schluck seines "Honivogls", der auf der Zunge seinem Namen alle Ehre macht, in einen der kleinen schwarzen Kübel gespuckt - und es sofort bereut. Noch mehr nach einem Blick auf die Preisliste im Katalog. Der Winzer schüttelt nur den Kopf darüber: "Nein, den darf man eigentlich nicht ausspucken", sagt er und wendet sich einem Fernsehteam von Servus TV zu, dem er erklärt, weshalb der Klimawandel seinen säurebedürftigen Grünen Veltlinern nichts anhaben kann.

Das "Weinfest Heimspiel", das die Weinhändler- und Gastronomen-Familie Döllerer veranstaltet, ragt heraus aus den vielen Verkostungen und Weinmessen, die jetzt im Herbst, da die Winzer den Wein im Keller haben, in den Städten stattfinden; es geht hier darum, Gastronomen und Sommeliers vor der Wintersaison noch mal die Möglichkeit zu geben, ihre Keller mit neuen Weinen aufzufrischen. Sie kosten und schlürfen und spucken, machen sich Notizen. Aber auch private Wein-Afficionados können teilnehmen und haben hier die Gelegenheit, auf kleinstem Raum Winzern von Slowenien über Österreich bis nach Spanien zu begegnen, für die sie sonst durch halb Europa fahren müssten.

Alain Moueix etwa, ein grau melierter Herr, den man rein äußerlich eher als Uni-Professor einordnen würde. Er ist Direktor und Weinmacher von zwei Weingütern im Bordeaux, die er schon seit 15 Jahren nach dem strengen biologisch-dynamischen Prinzip bewirtschaftet. "Ja, das geht sehr gut, trotz der hohen Feuchtigkeit vom Atlantik", sagt er nur, angesprochen auf den hohen Spritzmitteleinsatz im Bordeaux. "Es findet gerade ein Umdenken statt." Moueix saß bei der Podiumsdiskussion zum Auftakt des Weinfests im Innenhof der Burg Golling mit auf der Bühne. Es ging um die Frage: biologisch oder konventionell? Dabei wurde schnell klar, dass der Biotrend im Weinbau immer stärker wird. Sie gelten längst nicht mehr als Weine zweiter Qualität, sondern als solche, die das Terroir besonders gut zum Ausdruck bringen.

Abseits von solch fachlichen Feinheiten ist der Tag vor allem eins: ein Fest für den guten Geschmack, ob nun im Wein oder beim Galadiner am Abend, durch den der Seniorchef Herrmann Döllerer als Conférencier mit ansteckender Begeisterung führt. Jeder Winzer darf vor 180 Gästen kurz was zu seinen Weinen sagen, was sich bei drei Weinen pro Gericht natürlich summiert. Die Gäste stört es über Saibling und Tauernlamm nicht, im Gegenteil. Was man bei der Verkostung am Nachmittag versäumt hat, kann hier nachgeholt werden und das Beste daran: Man darf endlich schlucken.

Dieser Text ist zuerst am 31. Oktober 2019 in der SZ erschienen.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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