Kolumne: Hotel Fatal:Von Designerduschen und Boutiquetoiletten

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Manche Badideen von Architekten kann man noch unter "Abenteuer" abbuchen. Andere aber sind Herausforderungen - zwischenmenschlich gesehen.

Max Scharnigg

Es war einmal ein kleiner Hoteldirektor, dem gehörte das "Hotel zum Ortsrand". Der kleine Hoteldirektor war traurig. "Was fang ich nur an?", seufzte er, "mein Hotel liegt nicht am Meer und nicht in einer Metropole, im Keller sprudelt kein Heilwasser, ich habe weder einen kleinen Gourmetkoch, noch bin ich kinderfreundlich und als Aussicht kann ich nur die Rückwand der Galeria Kaufhof anbieten. Ach, was soll ich denn bloß in meinen neuen Vierfarbdruck-Prospekt schreiben?" Er weinte bitterlich.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Da tippte dem kleinen Hoteldirektor ein windiger Architektenfuchs auf die Schulter und sagte mit seiner schmeichelnden Stimme: "Bauen wir doch gläserne Waschbecken und grüne Loungesessel ein und nennen es 'Designhotel'. Wie heißt du?" - "Malzbichler!" strahlte der Hoteldirektor. Noch im selben Jahr stand das "Q-designhotel malzbichler" am Ortsrand und alle Vertreter, die schon immer dort abgestiegen waren, stießen sich an der trapezförmig ins Zimmer hineinragenden Duschwanne fortan den großen Vertreter-Zeh.

Märchen beiseite, ein vom Designer aufgeräumtes Hotelzimmer ist natürlich in den meisten Fällen ein Genuss. Das Auge wohnt ja schließlich auch mit. Selbst wenn der ästhetische Hintergedanke nicht jedem Hotelgast in Ruhe erläutert werden kann, so findet dieser doch launige Zerstreuung beim Entdecken von ungewöhnlichen Accessoires und Einbauten, im Ausprobieren von Filz-Fernbedienungen und organischen Haartrocknern.

Der Erzählwert dieser Entdeckungen ist nicht zu unterschätzen! Statt der immer gleichen "Meer ist warm"-Lüge, kündet man den Daheimgebliebenen doch lieber von der Nachttischlampe, die durch Streicheln zum Leuchten überredet werden muss oder dem Apfelbaum, der quer durchs Bad wächst.

Da sind wir beim Stichwort. Das Bad, insbesondere das Hotelbad, ist ein Raum, dem höchster Respekt gebührt. Schließlich geben sich die Menschen hier in der Fremde ihren abenteuerlichsten Körperfunktionen hin und putzen sich danach noch die Ohren.

Der notwendige Respekt vor dem Bad aber geht beim designorientierten Hotelumbau stets als Erster verloren. So kommt man als Gast heute zunehmend in den Genuss, ausgespuckten Zahnputzmatsch durch ein gläsernes Waschbecken und einen gläsernen Siphon bis zum Verschwinden in die Wand beobachten zu können.

Oder man kann in einer Dusche mitten im Raum die Empfindungen eines Autos in der Waschstraße nachfühlen. Vor allem den Moment, an dem überraschend und eiskalt der Unterboden abgestrahlt wird. "Erlebnisdusche" liest man hinterher im Hotelprospekt. Nun, derlei lässt sich noch in das Körbchen "Abenteuer" einsortieren, zumindest so lange, wie man sich den Herausforderungen eines Designbades allein oder mit einer vertrauten Person stellt.

Duschen in der Zimmermitte

Prekärer wird es, wenn der Zimmerpartner geschäftlicher oder nur entfernt bekannter Natur ist. Auch in den meisten Designhotels stehen dafür Zimmer mit getrennten Betten bereit - nur dass die Trennung dann eben von der 360-Grad-Erlebnisdusche vollzogen wird. Gerade in toleranten Städten wie Berlin setzen die Inneneinrichter auf diesen Hotelvoyeur-Kick unter Kollegen oder Schwippschwägern.

Design hin oder her - dem Autor sind mindestens zwei ehrwürdige Großmütter bekannt, die man nicht mal alleine in so ein freizügiges Zimmer einquartieren könnte. Sie täten sich beim Duschen sünd'n fürchten!

Es ist aber auch als designkundiger und unkomplizierter Mensch in Ordnung, sich zu genieren, bevor man vor dem Zimmerpartner blankzieht. Als Konsequenz aus solchen Situationen bleibt nur, vor der nächsten Hotelbuchung zu fragen, ob die letzte Renovierung hoffentlich recht lang zurückliegt.

Und man sollte keinesfalls das wirklich wunderschöne Boutique-Hotel "ohtel" in Wellington (Neuseeland) ansteuern. Dort duscht man nicht nur in kristallklarer HD-ready-Qualität, sondern praktiziert auch alle Notwendigkeiten des Stoffwechsels so offen, wie der Pazifik vor der Haustür liegt.

OHTEL, 66 Oriental Parade, Wellington 6011, Tel.: 64 4 8030600, www.ohtel.com, Zimmer ab 220 Euro pro Nacht. Vielleicht trotzdem das netteste Hotel der Nordinsel Neuseelands, jedes Zimmer ist mit viel Aufwand eingerichtet und es gibt einen entzückenden, kleinen Frühstücksraum, in den auch die Wellingtonians auf einen Kaffee vorbeikommen.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de -Redaktion der Süddeutschen Zeitung . Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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