Interaktive Panoramabilder:Dem Matterhorn so nah

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Ein Team russischer Fotografen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Reisen zu berühmten oder ausgefallenen Orten für jedermann zu ermöglichen - zumindest virtuell.

Von Carolin Gasteiger

Der Blick führt über verschneite Gipfel, die den Horizont begrenzen. Über bewaldete, steil abfallende Hänge, schroffe Felskanten und schneebedeckte Täler. Ganz unten, was aussieht, als hätte ein Riese eine Packung Schokostreusel verstreut, das ist Zermatt. Man selbst könnte dieser Riese sein, der über die Gipfel blickt und dabei einem anderen, berühmten Giganten der Berge ganz nah kommt: Direkt vor einem ragt einer der markantesten Gipfel der Alpen auf: das Matterhorn. Die Perspektive ist ungewohnt, sozusagen auf Augenhöhe.

Um diesen Anblick zu erleben, braucht es keinen teuren Helikopterflug, auch in die Schweiz muss der Betrachter nicht fahren, nicht mal seinen Arbeitsplatz muss er verlassen: Ein Klick auf die Webseite airpano.com genügt.

Den Hubschrauberflug hatten schon andere auf sich genommen, und das gleich zweimal: Hinter den beeindruckenden Aufnahmen steht ein Team um den russischen Fotografen Oleg Gaponyuk, das "die schönsten Orte unseres Planeten aus der Vogelperspektive" zeigen will. Mit einem besonderen Feature: der Möglichkeit, sich darin zu bewegen. Ein Zoom auf Zermatt, ein schneller Schwenk über den Horizont oder eine Kamerafahrt ans Matterhorn, wo sich Bergsteiger an der anspruchsvollen Nordwand versuchen? Mit der Maus und den Pfeiltasten der Computertastatur lässt sich der Blickwinkel auf das 360-Grad-Panoramabild beliebig verändern.

Warum die Macher dafür gleich zweimal in den Hubschrauber steigen mussten? Sie fanden, dass sie der majestätischen Größe des Matterhorns nicht gerecht wurden: "Als wir nach unserem ersten Flug die Bilder sahen, wirkte das Matterhorn auf den Aufnahmen zwergenhaft klein. Wir mussten also noch näher ran - die Rotorblätter berührten fast die Bergflanke. Dann wollte der Pilot abdrehen, zu gefährlich. So blieb kaum Zeit für die Bilder", schreiben die Macher unter dem Matterhorn-Szenario.

Doch dieser zweite Flug hat sich trotzdem gelohnt, unter dem Matterhorn-Bild überschütten Nutzer das Team mit Adjektiven der Begeisterung, aus Indien, Bosnien, von den Philippinen und aus den USA kommen die virtuellen Touristen: "Es fühlt sich an, als wäre ich dort gewesen", lautet ein Resümee.

Die Panoramafotografien führen nicht nur in die Schweizer Bergwelt, sondern zeigen auch berühmte Sehenswürdigkeiten wie das indische Taj Mahal, die Victoriafälle in Simbabwe oder Manhattan in New York von oben.

So wird auch eine Reise zum höchsten Wasserfall der Welt, den Salto Ángel oder Angel Falls im Dschungel von Venezuela, weitaus weniger beschwerlich. In der Realität müssen Touristen erst nach Canaima fliegen und dann eine eintägige Bootstour auf sich nehmen, um das knapp 980 Meter tief fallende Wasser zu sehen - und dann auch nur von unten. Wer Pech hat, dem versperren Wolken den Blick.

Virtuell Reisende überfliegen das Plateau und stürzen sogar mit dem Wasser in die Tiefe. Ein erhebendes Bauchgefühl. Ebenso wie die Reise in die Stratosphäre, ganz ohne Red Bull, nur mit Heliumballons.

Auch der Flug über einen Lavastrom bis hin zum Vulkan Tolbatschik auf der russischen Kamtschatka-Halbinsel ist ein Erlebnis, den sich die wenigsten Menschen in der Realität leisten können.

Aber Semenow und seine Kollegen bewegen sich nicht nur durch die Luft. Den Fotografen Viktor Lyagushki, der für die russische Ausgabe des National Geographic arbeitet, haben sie in die Ordahöhle, die größte Gipshöhle der Welt in Russland, begleitet. Eng stehen die Felswände in dunkelblauem Licht zusammen, an denen der Taucher vorbeischwimmt. "Keiner der Handvoll von Fotografen, die Unterwasseraufnahmen in dieser Tiefe macht, weiß wie man solch sphärische Panoramafotos schießt ", erläutert Lyagushki auf der Seite seine Verblüffung, als der Fotograf Oleg Gaponyk auf ihn zukam.

170 sehenswerte Orte hat das Team bereits fotografiert, 120 sind schon online zu finden. Und wer noch Panoramaaufnahmen seines Lieblingszieles vermisst, kann dies in einer Umfrage auf der Seite angeben. Bis dahin fliegt man noch eine Runde über die Blaue Lagune in Island. Oder den Grand Canyon.

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