Hotel Fatal:Online buchen, offline fluchen

Lesezeit: 2 min

Sie gilt als toller Service, ist aber eigentlich ein Rückschritt - die Hotelbuchung übers Internet. Und das Schlimmste: Es gibt niemanden, den man für seine Wahl verantwortlich machen kann.

Max Scharnigg

Früher! Paradiesische Zeiten, ohnehin. Aber auch für den Hotelgast. Fühlte er sich mal hotelreif, ließ er sich mit dem Fremdenverkehrsbüro des angepeilten Urlaubsortes verbinden.

(Foto: Foto: Stockexchange)

Dort hob eine mit Dialekt ab und gab resolut darüber Auskunft, wo im Ort noch Fremdenzimmer frei waren. Der Gast sagte seine Preisvorstellungen und die Dame quartierte ihn nach Abfrage einiger hübscher Floskeln ("Wünschen Sie das Bad im Zimmer?") in eine Pension Garni ein, in welche sich der Gast sogleich verfügte und wo er zwei Wochen ganz prima Fremdenverkehr machte.

Heute aber, herrje, Fremdenzimmer und Pension Garni sind ausgestorben, freundliche Telefonstimmen sowieso. Stattdessen: Hotelbuchungsportale!

Typisch Web, wenn man etwas als Kunde wieder selber erledigen muss, gilt das nicht als Rückschritt, sondern als neuer Service. So sitzt der Reisewillige rotäugig vor dem Rechner und lässt den Mauszeiger durch Galerien von briefmarkengroßen Hotelbildchen tanzen.

In eines davon, soviel ist sicher, muss er bald. Aber welches? Die günstigsten stehen ganz oben, unseriös günstig, nahezu. Riskiert er dort einen genaueren Blick, straft spätestens die versteckte Rubrik "km zum Ortszentrum" seine Sparsamkeit ab. Mittlere zweistellige Kilometer-Werte sind hier die Regel.

Auf Hotelportalseite Nummer vier und dort noch zweimal nach unten gescrollt, rückt das Ortszentrum dann in Spaziernähe, werden die Zimmerangebote teurer und interessanter.

Inzwischen ist der Suchende auch mit den Hieroglyphen vertraut, die sich die Portalbetreiber zur Bewertung gefallen ließen. Drei Runterhoch-Daumen, vier halbausgefüllte Sterne mit zusätzlichem grünen Punkt, 14 violette Sonnen: Willkommen, in der trostarmen Welt der Mitteklassehotel-Online-Beschreibungen.

Eigentlich toll, dass sich der Suchende im Internet mit ein paar Klicks ein Bild von seiner Unterkunft machen kann. Eher schlimm, dass er danach Magenbitter trinken muss.

All diese von hinten rechts fotografierten Tagungsräume, mit den beige gepolsterten Stuhlreihen und den ausgeblichenen Teppichen, auf denen schon lange keine Kongressfüße mehr scharten. All diese Zimmerfotos, auf denen hinterm Fenster eine Feuertreppe und die angrenzende Hinterhoffassade deutlich zu erkennen sind, obwohl extra ein Kunstblumenstrauß davor drapiert wurde.

Nicht fehlen im Bilderreigen darf schließlich auch der schief grinsende Portier in zu enger, burgunderroter Weste. Wenn es ganz übel kommt, gibt es als letztes Foto noch die Ansicht eines Silbertabletts voll mit nachkolorierten Meeresfrüchten.

Diese Untiefen hatte die Fremdenverkehrsdame einst wohltuend verheimlicht. Heute aber strauchelt der Buchungswillige von einer schlimmen Hotelofferte zur nächsten, klickt sich halbstundenlang durch Zimmerbeschreibungen und -ansichten, die so vielfältig sind, dass es an jedem Angebot irgendwas zu mäkeln gibt. Selbst der Verweis "Kleine Haustiere erlaubt" reicht dem inzwischen stark Sensibilisierten dann, um sofort das nächste Angebot zu öffnen.

Schließlich, es ist spät, passiert das Ungeheure: Die Fotos zeigen das perfekte kleine Efeu-Stadthotel, die Beschreibungen und violetten Sonnen dazu gehen durch die Decke, sogar der Preis stimmt - jetzt wird online gebucht!

Zurück in die Ergebnisliste

Nur schnell noch die Bewertungen der anderen Hotelgäste lesen. Denn das ist wieder so ein www-Gefallen, den noch nie jemand eingefordert hat: Privatmeinungen anderer Hotelgäste. Sie sind entweder pedantisch ("Leider war das angebotene Briefpapier nicht chlorfrei gebleicht. Eine No-go für so ein Hotel.") oder irgendwie zweifelhaft. ("Lol, mein Honigbär und ich hatten hier vieeeeel Spaß und das Büffet war superoberlecker!!") Jedenfalls verdirbt diese Option noch mal so manchen großen Hotelportal-Fund und schickt den Zimmersuchenden wieder zurück in die Ergebnisliste.

Wochen später. Der Hotelgast sitzt auf dem selbst gefundenen und selbst gebuchten Hotelzimmerbett. Draußen ist der Hinterhof, unten wartet der schiefe Portier, von der dunkelgrün verholzten Zimmerdecke und den allgegenwärtigen weißen Hundehaaren stand nichts in der Beschreibung.

Früher hätte der Gast noch gewusst, wer jetzt schuld ist: die Dame vom Fremdenverkehrsverein mit ihrem doofen Dialekt! Heute muss er jemand viel Netteren verfluchen: Sich selber.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: