Hotel Fatal:Das Haar im Bad

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Auch wenn man noch so sehr hofft, immer ist es da. In jedem Hotelbad wartet ein Haar vom Vorgänger - und macht alle schönen Illusionen zunichte.

Max Scharnigg

Beinahe das Beste, was ein Hotelzimmer bieten kann, ist der Augenblick des ersten Türöffnens. Egal, ob man ein Zimmer in der Almhütte oder im Elfenbeinpalast betritt, dieser erste Moment ist magisch, man rauscht in ihm aus der Unordnung der Anreise in die beruhigende Ordnung eines aufgeräumten Zimmers.

(Foto: Foto: privat)

Die frischen Laken, das blanke Bad - es ist, als ob man in ein ganz neues Kleidungsstück schlüpfen würde, als ob man der erste Mensch in diesem Raum wäre. Man tänzelt mit Koffern und Taschen hinein und schaut, einem seltsamen Reflex folgend, erstmal aus dem Fenster, wie ein Feldherr auf erobertes Gebiet. Genau dafür hat man bezahlt, für dieses gute Gefühl der Eroberung von Neuland.

Unterwürfige Einrichtung umgibt einen, huldvoll grüßen herausgeputzte Sessel und prall gefüllte Shampoofläschchen. Dergestalt stimuliert, tritt man in bester Pralinenlaune ins Bad, um sich die Hände zu waschen. Dort aber passiert etwas, das den ganzen Zauber aufhebt und das wunderbare Eroberungsgefühl zermatscht.

Es ist ein Haar. Dieses Haar gibt es immer und überall, selbst Kempinski-Standards und Peninsula-Ansprüchen entkommt es, manchmal muss man ein wenig suchen, aber keine Sorge, das Haar ist da.

Millionen standen an dieser Kloschüssel

Es wohnt in einer Fuge, klebt hingeföhnt an einer der oberen Kacheln, fläzt sich besonders ordinär halb rechts hinter der Kloschüssel auf dem Boden oder liegt, der Klassiker, in der Badewanne. Natürlich gibt es auch Badezimmer, in denen sich mehr als ein Haar tummelt, aber meistens ist es doch nur eines.

Das ist, streng genommen, nicht so schlimm. Denn es ist trotz Haar noch genug Platz im Bad. Aber diese paar aschblonden Nanoquadratmeter, für die man nicht bezahlt hat, haben eine fatale Wirkung. Sie bedeuten für den stolzen Eroberer von eben nichts anderes als: Du bist nicht der Erste. Du leihst dir ein gebrauchtes Zimmer und ein gebrauchtes Bett, weil du hier kein eigenes hast. Millionen standen vor dir an dieser Kloschüssel. Millionen haben hier das Haar gefunden. Dein Rubikon ist in Wahrheit eine Fußgängerzone.

Das Haar gewinnt immer

Man kann das Haar dann böse fixieren, man kann es eigenhändig in den Müll werfen, was keine besonders männliche Geste ist, man kann es zerstückeln und per Einschreiben nach Harrislee schicken, man kann es auch einfach ignorieren, das ist ganz egal. Die Botschaft des Haares wird den ganzen Aufenthalt über wirken.

Wenn man nach dem Haarfund aus dem Bad tritt, ist das Zimmer, in das man eben noch unter Posaunenklang eingeritten ist, nicht mehr als ein Hotelzimmer. Die eigenen Taschen liegen schief darin, die Jacke auf dem Bett hat die Laken unwiderruflich zerdellt, die Spannung ist zerstört, wie die Spannung der Wasseroberfläche zerstört ist, wenn ein Tropfen Spülmittel darauf fällt.

Das Haar hat gewonnen, das Haar gewinnt immer. In dieser Erkenntnis gibt es nur einen Trost: Man selbst wird auch ein Haar hinterlassen. Ein besonders schlimmes.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de-Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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